#stayonboard: Das Recht auf eine Mandatspause für Vorstandsmitglieder und Geschäftsführer ist Gesetz geworden

Im Frühjahr 2020 musste die Gründerin und Vorständin des Onlineportals Westwing, Delia Lachance, ihr Amt als Mitglied des Vorstands der Westwing-Gruppe niederlegen, um in Mutterschutz und Elternzeit zu gehen. Ein Recht, nach ihrer Mandatspause erneut zur Vorständin bestellt zu werden, sah das Gesetz bisher nicht vor. Das ist nun anders: Der Gesetzgeber hat das Recht auf Mandatspause in besonderen Lebenssituationen für Vorstandsmitglieder und Geschäftsführer normiert.

Von Nadja Crombach, Rechtsanwältin, und Lena Hussels, wissenschaftliche Mitarbeiterin

 

Anstoß für die Neuregelungen gab die Initiative #stayonboard, die anlässlich der Amtsniederlegung von Delia Lachance gegründet wurde und ein gesetzliches Recht auf Mandatspause forderte. Mit dem „Gesetz zur Ergänzung und Änderung der Regelungen für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst“ (FüPoG II), das am 12. August 2021 in Kraft trat, wurden die Forderungen der Initiative umgesetzt. Damit hat der Gesetzgeber ein Recht auf Mandatspause in besonderen Lebenssituationen für Vorstandsmitglieder und Geschäftsführer normiert.

Im Fall von Mutterschutz, Elternzeit, eigener Krankheit oder Pflege eines Familienangehörigen haben die Mitglieder eines mehrköpfigen Vorstands beziehungsweise einer mehrköpfigen Geschäftsführung unter bestimmten Voraussetzungen nunmehr ein Recht auf (temporäre) Abberufung unter gleichzeitiger Zusicherung der Wiederbestellung. Die Regelung soll dafür sorgen, dass die Mitglieder der Leitungsorgane während ihrer Auszeit von Pflichten und Haftung befreit sind. Neu ist hierbei der Anspruch auf Wiederbestellung: Nach bisheriger Rechtlage war zwar eine jederzeitige Amtsniederlegung möglich, eine Wiederbestellung lag jedoch allein im Ermessen des Aufsichtsrats beziehungsweise der Gesellschafterversammlung.

 

Recht auf Bestellungswiderruf in besonderen Lebenssituationen

Besteht der Vorstand oder die Geschäftsführung aus mehreren Personen, haben die Mitglieder des Vorstands beziehungsweise der Geschäftsführung das Recht, den Widerruf der Bestellung zu ersuchen, wenn sie wegen Mutterschutz, Elternzeit, der Pflege eines Familienangehörigen oder Krankheit ihren mit der Bestellung verbundenen Pflichten vorübergehend nicht nachkommen können. Dies gilt gleichermaßen für Vorstandsmitglieder und geschäftsführende Direktoren einer SE, auf die die entsprechenden Regelungen ebenfalls Anwendung finden. Für die Entscheidung des Aufsichtsrats über den Widerruf der Bestellung sehen die Neuregelungen ein Stufenmodell vor, das sowohl den unterschiedlichen Lebenssachverhalten als auch dem Unternehmensinteresse Rechnung tragen soll:

Stufe 1: Im Falle des Mutterschutzes besteht nur ein gebundenes Ermessen des Aufsichtsrats beziehungsweise der Gesellschafterversammlung. So muss das Mitglied abberufen und die Wiederbestellung nach Ablauf der Schutzfristen nach Mutterschutzgesetz (in der Regel 14 Wochen) zugesichert werden.

Stufe 2: Aufsichtsrat und Gesellschafterversammlung müssen dagegen dem Wunsch eines Vorstandsmitglieds beziehungsweise Mitglieds der Geschäftsführung nach einer Mandatspause in den Fällen von Elternzeit, Krankheit und Pflege eines Angehörigen in einem Zeitraum von bis zu drei Monaten nur stattgeben, wenn kein wichtiger Grund entgegensteht. Ein solcher kann insbesondere bei „Unzeit“ vorliegen, so etwa, wenn wichtige Entscheidungen im verantworteten Ressort oder grundsätzlich in der Gesellschaft anstehen und auf das betreffende Mitglied nicht verzichtet werden kann.

Stufe 3: In den Fällen von Elternzeit, Krankheit und Pflege eines Angehörigen kann der Aufsichtsrat beziehungswiese die Gesellschafterversammlung die Bestellung unter gleichzeitiger Zusicherung der Wiederbestellung nach freiem Ermessen um bis zu 12 Monate widerrufen.

 

Flankierende Regelungen in Anstellungs- und Dienstvertrag

Mit dem Widerruf der Bestellung wird die Organstellung vorübergehend beendet. Die Folgen einer Mandatspause auf das zugrundeliegende Anstellungs- beziehungsweise Dienstverhältnis regelt das Gesetz jedoch nicht. Es obliegt daher dem Aufsichtsrat beziehungsweise der Gesellschafterversammlung, ob und inwieweit bei der Ausgestaltung von Anstellungs- und Dienstverträgen zukünftig Regelungen im Hinblick auf eine etwaige Mandatspause des Organmitglieds aufgenommen werden sollen. Fehlen solche Regelungen, entfällt der Vergütungsanspruch des betreffenden Vorstandsmitglieds beziehungsweise Mitglieds der Geschäftsführung, da den anstellungs- beziehungsweise dienstvertraglichen Pflichten aufgrund der vorübergehenden Beendigung der Organstellung nicht mehr nachgekommen werden kann.

Alternativ kann der Vertrag vorsehen, dass das Anstellungs- beziehungsweise Dienstverhältnis für die Dauer der Mandatspause ruht. In diesem Fall sollten jedoch Folgeregelungen insbesondere im Hinblick auf die Vergütung des betreffenden Organmitglieds getroffen werden.

Die Festvergütung kann im Falle eines Ruhens des Vertrags ganz oder anteilig reduziert werden. Im Hinblick auf die variable Vergütung sollte eine Vereinbarung dahingehend getroffen werden, ob und wie die Mandatspause im Rahmen der variablen Vergütung berücksichtigt werden soll. Infrage kommt beispielsweise eine nur anteilige Gewährung des Jahresbonus oder eine nur anteilige Teilnahme an langfristigen Vergütungsprogrammen. Ferner sollte auch der Umgang mit der Bewertung der Erfüllung der Leistungskriterien für die variable Vergütung geregelt werden, insbesondere, wenn der Anstellungs- oder Dienstvertrag – wie im Rahmen der kurzfristig variablen Vergütung durchaus üblich – individuelle Leistungskriterien für das betroffene Mitglied des Vorstands oder der Geschäftsführung vorsieht.

Aufsichtsrat und Gesellschafterversammlung müssen die Vergütung der Vorstandsmitglieder jedoch nicht zwingend reduzieren. Denkbar ist es vielmehr auch, eine Reduzierung der Vergütung abhängig von den Umständen, die zu der Forderung nach einer Mandatspause führen, vorzusehen. So kann beispielsweise im Falle von Mutterschutz oder schwerer Krankheit oder nur bei kurzer Mandatspause von einer Reduzierung der Vergütung abgesehen werden.

Darüber hinaus können die Beteiligten weitere Regelungen beispielsweise im Hinblick auf den Zugang zu Informationen oder die Einsichtnahme in E-Mails treffen. Hierbei sollten jedoch stets die Folgen derartiger Regelungen für die Haftung des Vorstandsmitglieds geprüft und unter Umständen Haftungsfreistellungen aufgenommen werden. Ferner kann es sinnvoll sein, die Auswirkungen der Mandatspause auf etwaige Altersvorsorgeleistungen zu prüfen. Schließlich sollte der temporäre Widerruf der Bestellung auch der D&O-Versicherung gemeldet werden.

 

Fazit

Durch die Einführung der Mandatspause ist nunmehr sichergestellt, dass Mitglieder des Vorstands und der Geschäftsführung in besonderen Lebenssituationen temporär aus dem Leitungsorgan ausscheiden können, ohne dass sie währenddessen einer Haftung ausgesetzt sind. Anders ist dies nur, wenn dem Geschäftsleitungsmitglied während der Mandatspause weiterhin Zugang zu Informationen gewährt wird. In diesem Fall sollten die hieraus resultierenden Haftungsrisiken geprüft werden.

Bei der Ausgestaltung von Anstellungs- und Dienstverträgen von Vorstandsmitgliedern und Mitgliedern der Geschäftsführung sollten die Neuregelungen des FüPoG II zukünftig bedacht und entsprechende Regelungen für den Fall einer Mandatspause aufgenommen werden. Es bleibt abzuwarten, in welchem Umfang Mitglieder des Vorstands und der Geschäftsführung zukünftig von der Möglichkeit der Mandatspause Gebrauch machen.

Amadeus Moeser

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