Neuerungen im Umwandlungsrecht: Gesetzentwurf stärkt grenzüberschreitende Mobilität von Unternehmen

Die Bundesregierung hat einen Gesetzentwurf zur Umsetzung der EU-Umwandlungsrichtlinie vorgelegt. Damit erhalten künftig grenzüberschreitende Formwechsel und Spaltungen erstmals einen gesetzlich gesicherten Rechtsrahmen. Bisher waren lediglich grenzüberschreitende Verschmelzungen gesetzlich geregelt. Die Neuerungen tragen der Rechtsprechung des EuGH zur Niederlassungsfreiheit Rechnung und stärken die grenzüberschreitende Mobilität von Unternehmen.

Von Malte Krohn, Rechtsanwalt

Auf Ebene der EU und in Deutschland besteht bisher für den „Umzug“ von Unternehmen innerhalb der EU – von Verschmelzungen und der Sitzverlegung einer SE abgesehen – kein sicherer oder nur ein wenig praktikabler Rechtsrahmen. Hintergrund ist, dass die zugehörige Richtlinie (EU) 2017/1132 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über bestimmte Aspekte des Gesellschaftsrechts (Gesellschaftsrechtsrichtlinie) bisher nur Regelungen für grenzüberschreitende Verschmelzungen enthalten hatte. Ein Umzug des Verwaltungssitzes würde daher bei einer deutschen Aktiengesellschaft auch die Verlegung des satzungsmäßigen Sitzes notwendig machen – mit der Folge, dass die Gesellschaft im Herkunftsstaat aufgelöst und im Zielstaat neu gegründet werden müsste (anders gemäß § 4a GmbHG dagegen seit November 2008 für eine deutsche GmbH, wonach auch ein Verwaltungssitz im Ausland unter Beibehaltung des Satzungssitzes in Deutschland zulässig ist).

Alternative Strukturierungen wie die vorherige Umwandlung in eine SE oder die Übertragung einzelner Vermögensgegenstände dürften in der Regel nicht die gleichen (vorteilhaften) Rechtsfolgen einer Umwandlungsmaßnahme haben, insbesondere würde es nicht zu einer Beibehaltung der Rechtsidentität oder einer gesetzlichen Rechtsnachfolge kommen.

In diesem Zusammenhang hatte der Europäische Gerichtshof in der Vergangenheit mit seiner Rechtsprechung zur Niederlassungsfreiheit die grenzüberschreitende Mobilität von Unternehmen im Binnenmarkt gestärkt. So bestätigte er zuletzt in der Rechtssache „Polbud“, dass auch die isolierte Verlegung des Satzungssitzes in einen anderen Mitgliedstaat der EU unter Beibehaltung des tatsächlichen (Verwaltungs-)Sitzes und unter Annahme einer Gesellschaftsform des Rechts des Zielstaats vom Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit erfasst sein kann.

Erhöhung der Mobilität durch die Umwandlungsrichtlinie

Vor diesem Hintergrund wurde die Richtlinie (EU) 2019/2121 des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 27. November 2019 (Umwandlungsrichtlinie) erlassen, mit der die Gesellschaftsrechtsrichtlinie um Vorgaben für weitere Formen der grenzüberschreitenden Umwandlung ergänzt wurde. Erstmals werden damit auf EU-Ebene einheitliche Vorgaben für grenzüberschreitende Spaltungen (zur Neugründung) und für Formwechsel eingeführt. Darüber hinaus werden die Vorschriften zum Schutz der Minderheitsgesellschafter, Gläubiger und Arbeitnehmer, novelliert.

Die Bundesregierung hat am 6. Juli 2022 den Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Umwandlungsrichtlinie (im Folgenden: Gesetzentwurf) beschlossen. Der Gesetzentwurf sieht dabei auch Neuerungen bei nationalen Umwandlungen vor. Die Umsetzung in nationales Recht muss bis 31. Januar 2023 erfolgen.

Umsetzung in deutsches Recht

Im Folgenden werden die wesentlichen Eckpunkte der Umwandlungsrichtlinie und deren Umsetzung in deutsches Recht auf Grundlage des Gesetzentwurfs dargestellt. Dabei wird insbesondere auch auf die Änderungen im Hinblick auf den Schutz der Anteilsinhaber, der Gläubiger und der Arbeitnehmer eingegangen.

a) Anwendungsbereich

Die Umwandlungsrichtlinie erfasst nur Kapitalgesellschaften und regelt im Hinblick auf Spaltungen nur die Spaltung zur Neugründung. Der Gesetzentwurf geht insoweit über die Richtlinie hinaus als auch Spaltungen zur Aufnahme erfasst sein können (sofern die Anzahl der Arbeitnehmer in den betreffenden Gesellschaften unterhalb der 4/5-Schwelle liegt, siehe hierzu Ausführungen unter nachfolgende lit. e)). Personengesellschaften als umwandlungsfähige Gesellschaft sind nach dem Gesetzentwurf allerdings nicht umfasst.

b) Schutz der Anteilsinhaber

Die Umwandlungsrichtlinie regelt erstmals einen EU-weiten Mindestschutz für (Minderheits-)Anteilsinhaber, der über die Mitwirkung bei der Beschlussfassung und Informationsrechte hinausgeht. Der Mindestschutz besteht aus den drei wesentlichen Elementen: Austrittsrecht gegen Barabfindung, Anspruch auf Verbesserung des Umtauschverhältnisses und Recht auf Überprüfung des Barabfindungsangebots im Spruchverfahren unter Ausschluss der Anfechtung wegen Bewertungsmängeln.

Ein Austrittsrecht gegen Barabfindung besteht für die grenzüberschreitende Verschmelzung bereits nach derzeitigem Recht (§ 122i UmwG). Eine entsprechende Regelung soll nunmehr auch für die grenzüberschreitende Spaltung und den grenzüberschreitenden Formwechsel vorgesehen werden.

Erforderlich ist, dass es für den betreffenden Anteilsinhaber infolge der Umwandlung zu einem Rechtswechsel kommt. Ein Austrittsrecht besteht aus deutscher Sicht damit im Falle einer Herausverschmelzung und einer Herausspaltung; ein grenzüberschreitender Formwechsel führt stets zu einem Rechtswechsel. Anders als im bisherigen deutschen Konzept eines Barabfindungsangebots, sollen bei grenzüberschreitenden Umwandlungen künftig die Anteilsinhaber, die das Barabfindungsangebot annehmen, mit Wirksamkeit der Umwandlungsmaßnahme aus der betreffenden Gesellschaft ausscheiden und damit zu keinem Zeitpunkt Anteilsinhaber der übernehmenden Gesellschaft werden. Die übernehmende Gesellschaft erwirbt deren Anteile als eigene Anteile. Die Entscheidung der Anteilsinhaber zur Annahme des Barabfindungsangebots muss künftig innerhalb eines Monats nach Beschlussfassung über die Umwandlung erklärt werden. Die eigentliche Annahme des Barabfindungsangebots muss dagegen erst innerhalb von zwei Monaten nach Beschlussfassung erfolgen. Die Angemessenheit der Barabfindung können die Anteilsinhaber im Spruchverfahren überprüfen lassen, ohne dass es darauf ankommt, ob die anderen Rechtsordnungen ein solches Verfahren vorsehen oder nicht. Eine Anfechtung des Zustimmungsbeschlusses wegen zu niedriger, fehlender oder nicht ordnungsgemäß angebotener Barabfindung ist ausgeschlossen.

Für grenzüberschreitende Verschmelzungen und Spaltungen besteht außerdem ein Anspruch auf Verbesserung des Umtauschverhältnisses. Eine Anfechtung des Zustimmungsbeschlusses wegen Unangemessenheit des Umtauschverhältnisses ist ausgeschlossen. In diesem Zusammenhang soll auch die bisherige Regelung für nationale Umwandlungen geändert werden, wonach sowohl die Anteilsinhaber des übertragenden wie auch des übernehmenden Rechtsträgers den Anspruch auf bare Zuzahlung im Spruchverfahren geltend machen können. Im Gegenzug sind entsprechende Anfechtungsklagen ausgeschlossen.

Bisher waren für nationale Verschmelzungen und Spaltungen Anfechtungsklagen nur beim übertragenden Rechtsträger ausgeschlossen und damit die Überprüfung der Angemessenheit im Spruchverfahren auf Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers beschränkt. In diesem Zusammenhang soll die Möglichkeit vorgesehen werden, anstelle einer baren Zuzahlung zusätzliche Aktien zu gewähren. Diese Neuerung soll sowohl für grenzüberschreitende wie nationale Umwandlungsmaßnahmen gelten.

Der Gesetzentwurf beschränkt die Möglichkeit auf die Gewährung zusätzlicher Aktien bei einer AG, KGaA und einer SE; für die GmbH und sonstige andere Rechtsträger ist diese Möglichkeit nicht vorgesehen. Die Entscheidung zur Gewährung zusätzlicher Aktien anstelle von Barzuzahlungen soll nach dem Gesetzentwurf bereits im Vertrag bzw. Plan enthalten sein, um nicht das Risiko der wirtschaftlichen Entwicklung der betreffenden Gesellschaft auf die Anteilsinhaber abzuwälzen. Die Gewährung der Aktien kann z.B. mittels eigener Aktien erfolgen oder durch Sachkapitalerhöhung gegen Einlage der Ansprüche auf Gewährung zusätzlicher Aktien.

c) Schutz der Gläubiger

Für alle Formen der grenzüberschreitenden Umwandlung sieht der Gesetzentwurf einen Anspruch der Gläubiger der deutschen übertragenden Gesellschaft auf Sicherheitsleistung vor. Der Plan muss angeben, welche Sicherheiten den Gläubigern angeboten werden. Werden im Plan keine oder aus Sicht der Gläubiger keine ausreichenden Sicherheiten angeboten, können diese innerhalb von drei Monaten nach Bekanntmachung des Plans beim Registergericht die Leistung einer (angemessenen) Sicherheitsleistung beantragen. Der Antrag muss bei dem Gericht eingehen, das eine Bescheinigung darüber ausstellt, dass die Voraussetzung für die jeweilige Umwandlungsmaßnahme nach deutschem Recht vorliegt. Diese Rechtsmäßigkeitsbescheinigung darf das Gericht solange nicht ausstellen, bis die Antragsfrist der Gläubiger abgelaufen ist oder der Antrag rechtskräftig abgelehnt wurde oder die festgesetzte Sicherheit geleistet wurde.

Für nationale und grenzüberschreitende Spaltungen soll die Ausfallhaftung auf das der jeweiligen Gesellschaft zugeteilte Nettoaktivvermögen am Tag des Wirksamwerdens der Spaltung begrenzt werden. Eine solche Beschränkung der Ausfallhaftung war bisher für nationale Spaltungen nicht vorgesehen.

d) Schutz der Arbeitnehmer

Für die Errichtung einer SE sowie für grenzüberschreitende Verschmelzungen sieht das Gesetz bereits ein sog. Verhandlungsmodell und (gesetzliche) Auffanglösungen im Hinblick auf die Mitbestimmung der Arbeitnehmer vor. An diesem Konzept wird auch für die anderen Formen der Umwandlungen festgehalten. Hierzu soll das für grenzüberschreitende Verschmelzungen bereits bestehende Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer bei einer grenzüberschreitenden Verschmelzung (MgVG) angepasst werden. Für grenzüberschreitende Formwechsel und Spaltungen soll unterdessen das neue Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer bei grenzüberschreitendem Formwechsel und grenzüberschreitender Spaltung (MgFSG) geschaffen werden.

Grundsätzlich richtet sich die Mitbestimmung nach dem Sitz des Staates, in dem die Gesellschaft ihren satzungsmäßigen Sitz hat, die aus der grenzüberschreitenden Umwandlung hervorgeht. Ausnahmen hiervon sind in solchen Konstellationen vorgesehen, in denen Anreize für eine Flucht aus der Mitbestimmung befürchtet werden. Das MgVG sowie das MgFSG sehen drei Konstellationen vor, bei denen nicht das Sitzstaatsprinzip gilt, sondern die Mitbestimmung verhandelt werden muss.

Wie nach bisherigem Recht bei grenzüberschreitenden Verschmelzungen ist eine Verhandlung bei einer Mitbestimmungsminderung oder einer Benachteiligung ausländischer Arbeitnehmer erforderlich. Weiterhin ist die Durchführung einer Verhandlung bei Erreichen einer bestimmten Anzahl an Arbeitnehmern erforderlich. In diesem Zusammenhang ist allerdings neu, dass die Verhandlungspflicht nicht mehr durch das Erreichen eines festen Schwellenwerts von 500 Arbeitnehmern ausgelöst wird. Vielmehr besteht die Verhandlungspflicht bereits dann, wenn die formwechselnde bzw. sich spaltende Gesellschaft oder eine der verschmelzenden Gesellschaften in den sechs Monaten vor Offenlegung des Plans eine durchschnittliche Zahl von Arbeitnehmern beschäftigte, die mindestens 4/5 des im nationalen Recht vorgesehenen Schwellenwert für die Mitbestimmung entspricht.

Für Deutschland bedeutet dies, dass bei den betreffenden Gesellschaften mindestens 400 Arbeitnehmer beschäftigt sein müssen, damit eine Verhandlungspflicht ausgelöst wird. Ob diese Regelung sinnvoll ist, scheint fraglich, da die an sich mitbestimmungsfreie Gesellschaft in ein langwieriges Verhandlungsverfahren gezwungen wird, an deren Ende mangels Einigung die Mitbestimmungsfreiheit als gesetzliche Auffanglösung steht.

Ebenfalls erwähnenswert ist die Regelung, wonach bei nachfolgenden nationalen oder grenzüberschreitenden Umwandlungsmaßnahmen eine Pflicht zur Verhandlung ausgelöst wird, wenn die Umwandlungsmaßnahmen innerhalb von vier Jahren nach Wirksamwerden der grenzüberschreitenden Umwandlung erfolgen.

Ferner finden die Regelungen über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in der formwechselnden oder der sich spaltenden Gesellschaft, die vor der grenzüberschreitenden Umwandlungsmaßnahme galten, noch bis zum Inkrafttreten einer Vereinbarung oder bis zur Anwendung der Regelungen über die Mitbestimmung kraft Gesetzes übergangsweise Anwendung. Anders als bei grenzüberschreitenden Verschmelzungen können die Parteien bei grenzüberschreitenden Formwechseln und Spaltungen nicht beschließen, dass die Auffanglösung ohne Verhandlungen unmittelbar zur Anwendung kommt.

Sonstige wesentliche Änderungen

Die Umwandlungsrichtlinie verlangt ausdrücklich, dass die Mitgliedstaaten eine Missbrauchskontrolle sicherstellen. Hierzu sieht der Gesetzentwurf vor, dass das Registergericht im Rahmen des Verfahrens zur Ausstellung der Rechtmäßigkeitsbescheinigung auch prüft, ob die grenzüberschreitende Umwandlung zu missbräuchlichen oder betrügerischen Zwecken, die dazu führen oder führen sollen, sich Unionsrecht oder nationalem Recht zu entziehen oder es zu umgehen, oder zu kriminellen Zwecken vorgenommen werden soll. Das Gericht kann hierzu entsprechende Unterlagen und Informationen anfordern.

Eine weitere Neuerung bringt die direkte Kommunikation zwischen den zuständigen Behörden der beteiligten Mitgliedstaaten über das Business Registers Interconnection System (BRIS), insbesondere auch die unmittelbare und automatische Übermittlung der Rechtmäßigkeitsbescheinigung der zuständigen Behörde. Damit entfällt künftig die Übermittlung der Rechtmäßigkeitsbescheinigung über die beteiligten Rechtsträger.

Ferner sieht der Gesetzentwurf auch einige redaktionelle Klarstellungen vor, die in der Vergangenheit für Unsicherheiten bei der Strukturierung von (nationalen) Umwandlungsmaßnahmen gesorgt hatten. Insbesondere soll nun klargestellt werden, dass auch im Rahmen der Ausgliederung auf eine Kapitalerhöhung verzichtet werden kann.

Keine Vorwirkung der Umwandlungsrichtlinie

Vor Ablauf der Umsetzungsfrist am 31. Januar 2023 findet nach mittlerweile herrschender Auffassung die Umwandlungsrichtlinie keine unmittelbare Anwendung und entfaltet daher keine Vorwirkung. Dieser Auffassung folgen nach unserer Erfahrung in der Regel auch die meisten Registergerichte.

Fazit

Die Umwandlungsrichtlinie und der Gesetzesentwurf der Bundesregierung zur Umsetzung der Umwandlungsrichtlinie sind richtige und wichtige Schritte zur Steigerung der grenzüberschreitenden Mobilität von Unternehmen – auch wenn teilweise eine weitergehende Regelung für grenzüberschreitende Umwandlungen, insbesondere auch im Hinblick auf Personengesellschaft, wünschenswert wäre. Die teilweise überschießende Umsetzung der Umwandlungsrichtlinie mit Blick auf Spaltungen zur Aufnahme sowie die Änderungen für nationale Umwandlungsmaßnahmen sind zu begrüßen. Wesentliche Änderungen des Gesetzentwurfs im Gesetzgebungsverfahren sind nicht zu erwarten. Der klare Rechtsrahmen ermöglicht den Unternehmen künftig neue und sichere Strukturierungsmöglichkeiten für grenzüberschreitende Mobilität.

Malte Krohn LL.M.

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