Dauerbrenner „Schiedsfähigkeit“ von Beschlussmängelstreitigkeiten: Welche Vorgaben müssen Schiedsvereinbarungen derzeit erfüllen und welche Neuerungen bringt das MoPeG?

Der Bundesgerichtshof hat sich inzwischen zum vierten Mal zur „Schiedsfähigkeit“ von gesellschaftsrechtlichen Beschlussmängelstreitigkeiten geäußert (BGH-Beschluss vom 23. September 2021 – I ZB 13/21). Abhängig von der jeweiligen Gesellschaftsform müssen Schiedsvereinbarungen für Beschlussmängelstreitigkeiten nun unterschiedlichen Anforderungen genügen. Änderungen werden sich allerdings in Kürze durch das am 1. Januar 2024 in Kraft tretende Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrecht („MoPeG“) ergeben. Welche Vorgaben gelten aktuell und welche Neuerungen wird das MoPeG bringen? Ein Überblick.

Von Julia Klesse, LL.M. (Wellington), Rechtsanwältin

Bürgerliche Rechtsstreitigkeiten können in Deutschland statt von einem staatlichen Gericht von einem privaten Schiedsgericht entschieden werden. Grundlage hierfür ist, dass die Parteien miteinander vereinbaren, die Entscheidungsbefugnis über die jeweilige Streitigkeit den staatlichen Gerichten zu entziehen und stattdessen einem Schiedsgericht zuzuweisen. Eine solche Schiedsvereinbarung kann entweder in Form einer selbständigen Vereinbarung (dann Schiedsabrede genannt) oder in Form einer Klausel in einem anderen Vertrag (dann Schiedsklausel genannt) geschlossen werden.

Auch gesellschaftsinterne Streitigkeiten werden vermehrt vor Schiedsgerichten ausgetragen. Ob auch die in Gesellschaften wohl am häufigsten vorkommenden Streitigkeiten über die Wirksamkeit von Gesellschafterbeschlüssen (sogenannte Beschlussmängelstreitigkeiten) in Schiedsverfahren ausgetragen werden können, war allerdings lange Zeit umstritten und Gegenstand mehrerer Entscheidungen des Bundesgerichtshofs, die unter dem Schlagwort „Schiedsfähigkeit“ bekannt geworden sind.

Mit seiner Entscheidung „Schiedsfähigkeit I“ hatte der Bundesgerichtshof die Schiedsfähigkeit von GmbH Beschlussmängeln zunächst abgelehnt (BGH-Urteil vom 29. März 1996 - II ZR 124/95). Der BGH begründete dies mit der Unvereinbarkeit der dem Aktiengesetz entnommenen gesetzlichen Prinzipien eines GmbH Beschlussmängelstreits (§§ 241 ff. AktG analog) mit der Durchführung eines Schiedsverfahrens.

Im Kapitalgesellschaftsrecht wird unterschieden zwischen befristet erhebbaren Anfechtungsklagen, bei denen das Gericht den betroffenen Beschluss für nichtig erklärt, und unbefristet erhebbaren Nichtigkeitsfeststellungsklagen, bei denen das Gericht bei besonders schwerwiegenden Mängeln die Nichtigkeit des Beschlusses lediglich feststellt. Prozessgegner des klagenden Gesellschafters ist in beiden Fällen stets die Gesellschaft. Ein die Nichtigkeit eines Beschlusses erklärendes oder feststellendes Urteil bindet sämtliche Gesellschafter, auch wenn diese nicht am Verfahren beteiligt waren (sogenannte erga omnes Wirkung). Ausschließlich für alle Streitigkeiten zuständig ist das Gericht am Sitz der Gesellschaft.

In „Schiedsfähigkeit II“ (BGH-Urteil vom 6. April 2009 - II ZR 255/08) bejahte der Bundesgerichtshof dagegen die grundsätzliche „Schiedsfähigkeit“ von GmbH Beschlussmängelstreitigkeiten, sofern die Ausgestaltung der Schiedsvereinbarung und des Schiedsverfahrens bestimmten rechtsstaatlichen Mindeststandards, insbesondere im Hinblick auf die Mitwirkungsrechte der Gesellschafter, genügen.

In seiner Entscheidung „Schiedsfähigkeit III“ übertrug der Bundesgerichtshof diese Anforderungen zunächst grundsätzlich auch auf Beschlussmängelstreitigkeiten bei Personengesellschaften (BGH-Beschluss vom 6. April 2017 - I ZB 23/16), korrigierte diese Entscheidung zuletzt aber teilweise in „Schiedsfähigkeit IV“ (BGH-Beschluss vom 23. September 2021 - I ZB 13/21).

Anforderungen an Schiedsklauseln in Gesellschaftsverträgen verschiedener Gesellschaftsformen

a) Gesellschaft mit beschränkter Haftung

In der GmbH können Schiedsklauseln wirksam in Satzungen aufgenommen werden, sofern hierzu sämtliche zum Zeitpunkt der Änderung beteiligten Gesellschafter zustimmen. Für zukünftige Gesellschafter gilt die Schiedsklausel dann automatisch. Bei einer Schiedsabrede, also einer außerhalb der Satzung zwischen den Gesellschaftern getroffenen Schiedsvereinbarung, müssen neu hinzukommende Gesellschafter dagegen auch der Schiedsvereinbarung beitreten und die GmbH muss auch selbst Partei der Schiedsvereinbarung sein. Ein klagestattgebender Schiedsspruch bindet dann neben der Gesellschaft und dem klagenden Gesellschafter auch sämtliche weiteren Gesellschafter. Eine wirksame Schiedsvereinbarung muss allerdings Regelungen beinhalten, durch die sichergestellt wird, dass die nachfolgenden Anforderungen erfüllt sind:

  • Sämtliche Gesellschafter müssen von der Einleitung des schiedsgerichtlichen Verfahrens in Kenntnis gesetzt und in die Lage versetzt werden, dem Verfahren zumindest als Nebenintervenient beizutreten.
  • Sämtliche Gesellschafter müssen die Möglichkeit haben, an der Auswahl und Bestellung der Schiedsrichter mitzuwirken, sofern nicht die Auswahl über eine neutrale Stelle erfolgt. Bei Beteiligung mehrerer Gesellschafter auf Kläger- oder Beklagtenseite kann dabei grundsätzlich das Mehrheitsprinzip zur Anwendung kommen.
  • Alle denselben Streitgegenstand betreffende Beschlussmängelstreitigkeiten müssen bei einem Schiedsgericht konzentriert werden.

Schiedsvereinbarungen, die diesen Vorgaben nicht entsprechen, können auf Beschlussmängelstreitigkeiten keine Anwendung finden und sind unter Umständen sogar in Gänze nichtig (Letzteres hat der Bundesgerichtshof in „Schiedsfähigkeit II“ ausdrücklich offen gelassen).

Um diesem Risiko zu entgehen empfiehlt es sich, die Musterschiedsklausel der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit („DIS“) zu verwenden und die Anwendung der ergänzenden Regelungen für gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten der DIS zu vereinbaren (welche die vorgenannten Vorgaben berücksichtigen).  

b) Aktiengesellschaft

Ob auch Hauptversammlungsbeschlüsse „schiedsfähig“ sind, hat der Bundesgerichtshof bislang nicht ausdrücklich entschieden. In der „Schiedsfähigkeit I“ Entscheidung klingt jedoch an, dass der Bundesgerichtshof wegen des bei der AG zu berücksichtigenden Grundsatzes der Satzungsstrenge die Zuständigkeit des staatlichen Gerichts am Sitz der Gesellschaft für Beschlussmängelstreitigkeiten für zwingend und damit Schiedsverfahren über Beschlussmängelstreitigkeiten einer AG für unzulässig hält.

c) Personengesellschaften

Beschlussmängelstreitigkeiten bei Personengesellschaften unterscheiden sich strukturell von kapitalgesellschaftlichen Beschlussmängelstreitigkeiten. Die vorerläuterten kapitalgesellschaftsrechtlichen Regelungen für Beschlussmängelstreitigkeiten (d.h. insbesondere eine Unterscheidung zwischen Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage) finden keine Anwendung. Vielmehr sind fehlerhafte Beschlüsse (außer bei bestimmten Verfahrensmängeln) grundsätzlich nichtig und mit der Nichtigkeitsfeststellungsklage anzugreifen.

Bei Fehlen abweichender gesellschaftsvertraglicher Regelungen ist eine solche Klage gegen die dissentierenden Gesellschafter zu richten. Das Urteil wirkt nur zwischen den Parteien (inter partes).

Im Gesellschaftsvertrag kann allerdings eine Annäherung an die kapitalgesellschaftlichen Regelungen vorgesehen werden. Insbesondere kann vereinbart werden, dass Beschlussmängelklagen gegen die Gesellschaft zu richten sind. Ein hierauf ergehendes Urteil entfaltet zwar keine Rechtskrafterstreckung gegenüber den am Beschlussmängelrechtsstreit nicht beteiligten Gesellschaftern; diese sind aber aufgrund gesellschaftlicher Treuepflichten verpflichtet, sich an das Urteil zu halten.

Diese Differenzierung und ihre Konsequenzen wirken sich auch auf die Anforderungen an eine Schiedsvereinbarung aus:

  • Gesellschaftsvertrag enthält Regelungen, die dem kapitalgesellschaftsrechtlichen System angeglichen sind: In diesem Fall gelten die unter a) genannten Grundsätze für eine GmbH entsprechend.
  • Gesellschaftsvertrag enthält keine Regelungen für Beschlussmängelstreitigkeiten: In diesem Fall gelten die vorgenannten für eine GmbH entwickelten Anforderungen nicht. Vielmehr sind Beschlussmängelstreitigkeiten in diesen Fällen ohne weiteres „schiedsfähig“.

Der Bundesgerichtshof und auch die Instanzgerichte tendieren dazu, Gesellschaftsverträge von Personengesellschaften dahingehend auszulegen, dass die Gesellschafter (wenn auch ggf. nur konkludent) als Klagegegner die Gesellschaft vereinbart haben. Letzteres soll bspw. bereits dann der Fall sein, wenn der Gesellschaftsvertrag ein dem AktG angenähertes Beschlussmängelverfahren vorsieht oder auch lediglich die vereinbarten Modalitäten der Beschlussfassung denen bei einer Kapitalgesellschaft entsprechen.

Ausblick: Was ändert sich durch das MoPeG?

Das am 1. Januar 2024 in Kraft tretende MoPeG wird erhebliche Neuerungen für Personenhandelsgesellschaften bringen, gerade auch im Hinblick auf die Durchführung von Beschlussmängelstreitigkeiten. In den §§ 110 ff. HGB n.F. ist – vorbehaltlich anderslautender gesellschaftsvertraglicher Regelungen – eine Angleichung an kapitalgesellschaftliche Beschlussmängelverfahren vorgesehen. Insbesondere ist künftig die Gesellschaft die richtige Klagegegnerin, und eine klagestattgebende Entscheidung bindet auch die übrigen Gesellschafter. Die vorgenannten Neuregelungen gelten nicht für Gesellschaften bürgerlichen Rechts und für Partnerschaftsgesellschaften. GbR-Gesellschafter können aber für das neue Regelungsmodell optieren.

Mit Inkrafttreten des MoPeG verkehrt sich daher bei den Personenhandelsgesellschaften das oben beschriebene Regel-Ausnahme-Verhältnis in sein Gegenteil: Enthält der Gesellschaftsvertrag keine Regelungen zu Beschlussmängelverfahren gelten die §§ 113 ff. HGB n.F. und im Gesellschaftsvertrag enthaltene Schiedsklauseln müssen die Vorgaben von „Schiedsfähigkeit II“ einhalten.

Um unliebsame Überraschungen zu vermeiden, sollten sowohl vor als auch nach Inkrafttreten des MoPeG bestehende Gesellschaftsverträge daraufhin überprüft werden, ob diese eine Schiedsklausel enthalten und ob auf der Grundlage dieser Schiedsklauseln nach den jeweils geltenden Anforderungen auch Beschlussmängelstreitigkeiten „schiedsfähig“ wären. Gleiches gilt natürlich für separat durch Gesellschaftervereinbarungen abgeschlossene Schiedsabreden.

Julia Klesse, LL.M.

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