FG Münster: Nicht jedes Näheverhältnis schließt Abgeltung­steuer aus

Die Anwendung des Abgeltungsteuersatzes in Höhe von 25 % u.a. auf Zinseinkünfte ist grundsätzlich ausgeschlossen, wenn Gläubiger und Schuldner der entsprechenden Kapitalerträge „einander nahe stehende Personen sind“. Das FG Münster hat nun entschieden, dass nicht jedes Näheverhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner die Anwendung des Abgeltungsteuersatzes ausschließt, sondern der im Gesetz verwendete Begriff des „Nahestehens“ eng am Gesetzeszweck auszulegen ist (Urteil vom 20.09.2013 – 4 K 718/13 E). 

Auf Kapitaleinkünfte im privaten Bereich kommt grundsätzlich ein pauschaler Einkommensteuersatz in Höhe von 25 % zur Anwendung (sog. Abgeltungsteuer). Insbesondere im Zusammenhang mit Zinseinkünften ist jedoch ausnahmsweise der Abgeltungsteuersatz nicht anwendbar, wenn – vereinfacht – Gläubiger und Schuldner „einander nahe stehende Personen“ sind (§ 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a) EStG); insoweit kommt es zu einer Besteuerung dieser Einkünfte mit dem – üblicherweise höheren – persönlichen Steuersatz des Gläubigers. Diese Regelung soll nach der Gesetzesbegründung missbräuchliche Gestaltungen vermeiden, in denen Einkünfte, die dem normalen Steuersatz unterliegen, durch Darlehenszinsen reduziert werden und korrespondierende Zinseinnahmen mit dem reduzierten Steuersatz in Höhe von 25 % besteuert werden.

Wann Gläubiger und Schuldner der Kapitalerträge „einander nahe stehende Personen“ sind, ist in der entsprechenden Vorschrift selbst nicht definiert; auch existiert zu dieser Frage noch keine Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes. Auch in der Literatur sind die Anforderungen für ein solches Näheverhältnis umstritten. Nach Auffassung der Finanzverwaltung soll in Anlehnung an die Gesetzesbegründung ein solches Näheverhältnis gegeben sein, wenn (a) der Gläubiger auf den Schuldner (oder umgekehrt) bzw. (b) ein Dritter auf Gläubiger und Schuldner beherrschenden Einfluss ausüben kann, (c) einer der Beteiligten auf den jeweils anderen einen außerhalb der Geschäftsbeziehung begründeten Einfluss ausüben kann, oder (d) einer der Beteiligten ein eigenes wirtschaftliches Interesse an der Erzielung der Einkünfte durch den anderen hat. Darüber hinaus geht die Finanzverwaltung von einem Nahestehen aus, wenn Gläubiger und Schuldner der Kapitalerträge Angehörige (§ 15 AO) sind oder die Darlehensbedingungen einem Fremdvergleich nicht standhalten.

Im Urteilsfall gewährte der Kläger, ein Steuerberater und Wirtschaftsprüfer, einem Berufskollegen privat ein Darlehen, das dieser zur Finanzierung seines Einstieges in die Steuerberatungsgesellschaft des Klägers verwendete. Die Finanzverwaltung sah in diesem Fall den Kläger und den Berufskollegen als einander nahe stehende Personen im Sinne von § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a) EStG an, verweigerte die Anwendung des Abgeltungsteuersatzes in Höhe von 25 % und unterwarf die daraus resultierenden Zinseinnahmen dem höheren progressiven Steuersatz des Klägers.

Das FG Münster hat in seinem Urteil vom 20.09.2013 (Az. 4 K 718/13 E) zugunsten des Klägers den Abgeltungsteuersatz für anwendbar erklärt. Der Begriff des „Nahestehens“ im Sinne des § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a) EStG sei eng am Gesetzeszweck, missbräuchliche Gestaltungen zu vermeiden, auszulegen. Daher dürfe nicht jedes Näheverhältnis zwischen Darlehensgeber und Darlehensnehmer zu einer Besteuerung der Zinseinkünfte mit dem progressiven Steuersatz führen. Soweit die beteiligten Personen und die näheren Umstände des Darlehensverhältnisses nicht den sicheren Schluss zulassen, das Motiv der Darlehensgewährung läge vordergründig in der Ausnutzung des Gefälles zwischen dem normalen Steuersatz und dem Abgeltungsteuersatz, sollen nach dem FG Münster Darlehensgeber und Darlehensnehmer keine nahe stehenden Personen im Sinne des § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a) EStG sein.

Im konkreten Fall sah das Gericht keine hinreichenden Anhaltspunkte für ein den Abgeltungsteuersatz ausschließendes Näheverhältnis zwischen dem Kläger und seinem gesellschaftsrechtlich und beruflich verbundenen Darlehensnehmer. Es sei zwischen der gemeinsamen Berufsausübung in einer Gesellschaft einerseits und der Darlehensgewährung andererseits zu unterscheiden. Auch wenn der Kläger in der gemeinsamen Steuerberatungsgesellschaft eine beherrschende Stellung innehat, bestünden vorliegend keine Anhaltspunkte, dass diese Konstellation Auswirkungen auf den Abschluss und die Ausgestaltung des Darlehensvertrages gehabt habe. Im Rahmen der Darlehensgewährung seien sich die Parteien wirtschaftlich gleichberechtigt gegenübergestanden.

Das FG Münster hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung und zur Fortbildung des Rechts zugelassen. Beim Bundesfinanzhof sind bereits mehrere Revisionsverfahren zur Frage anhängig, wann ein den Abgeltungsteuersatz ausschließendes Näheverhältnis vorliegt. Insbesondere wird dabei vom Bundesfinanzhof zu klären sein, ob der Abgeltungsteuersatz ausgeschlossen ist, wenn der Nachweis der Fremdüblichkeit der Darlehensgewährung geführt werden kann, oder lediglich zwischen Darlehensgeber und Darlehensnehmer ein Verwandtschaftsverhältnis besteht. Jedenfalls bis zur höchstrichterlichen Klärung dieser Fragen sollte ein Vorgehen gegen Steuerfestsetzungen erwogen werden, bei denen die Anwendung des Abgeltungsteuersatzes wegen eines Näheverhältnisses im Sinne von § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a) EStG von der Finanzverwaltung verweigert wird.