Deutscher Corporate Governance Kodex 2013
Am 5. Februar 2013 hat die Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex ihre Vorschläge für die diesjährigen Änderungen des Kodex für börsennotierte deutsche Aktiengesellschaften veröffentlicht und erläutert (abrufbar unter www.corporate-governancecode.de). Die interessierte Öffentlichkeit war bis zum 15. März 2013 eingeladen, die vorgeschlagenen Kodexanpassungen zu kommentieren. Die Eingaben sollen in die abschließende Beratung der Regierungskommission am 24. Mai 2013 einfließen, und die Neufassung des Kodex wird dann wie üblich im Sommer im Bundesanzeiger veröffentlicht und damit verbindlich werden. Nachfolgend soll ein erster Überblick über die wichtigsten geplanten Änderungen gegeben werden, damit Emittenten frühzeitig die Möglichkeit haben, sich auf etwaigen Handlungsbedarf einzustellen.
1. Einleitung
Nachdem die Regierungskommission im Jahr 2011 eine Pause bei der Überarbeitung des Deutschen Corporate Governance Kodex eingelegt hatte, stehen ebenso wie im letzten Jahr auch dieses Jahr wieder Änderungen an. Schwerpunkt ist das derzeit nicht nur durch die „Abzocke“-Volksabstimmung in der Schweiz hochaktuelle Thema der Vorstandsvergütung. Diesbezüglich bleibt abzuwarten, wie sich die politischen Ambitionen zu weiteren gesetzlichen Regelungen der Vorstandsvergütung bis zur geplanten Veröffentlichung der Neufassung des Kodex entwickeln. Denn sollte tatsächlich in Anlehnung an die neue Schweizer Regelung der Hauptversammlung die grundsätzliche Kompetenz über Vergütungsfragen des Vorstands zugewiesen werden, würde dies zu einer grundlegenden Änderung des Aktienrechts (und damit auch des Corporate Governance Kodex) führen. Dem Aufsichtsrat wäre nämlich hierdurch ein wesentlicher Teil seiner Personalkompetenz genommen. Ob es jedoch so weit kommt, ist derzeit schwer abzuschätzen. Sicher ist demgegenüber, dass der Kodex neue Regelungen zur Vorstandsvergütung enthalten wird.
2. Die geplanten Änderungen im Überblick
a) Vorstandsvergütung
Wie bereits angesprochen, betreffen die wichtigsten geplanten Änderungen des Kodex das Kapitel 4.2 „Vorstand: Zusammensetzung und Vergütung“. Die nunmehr vorliegenden neuen Empfehlungen und Anregung sollen nach Auffassung der Regierungskommission, ohne in die unternehmensspezifisch festzulegenden Methoden und Systeme der Vorstandsvergütungen einzugreifen, vor allem zu mehr Transparenz und einer besseren Vergleichbarkeit bereits heute verfügbarer Angaben führen.
Im Einzelnen schlägt die Kommission hierzu vor, zu empfehlen, dass die individuellen Vergütungen sowohl in ihrem Gesamtbetrag als auch in ihren einzelnen Vergütungsteilen nach oben begrenzt sein sollen (Ziffer 4.2.3 Abs. 2 Satz 6).
Für den Aufsichtsrat selbst soll die Transparenz und Nachvollziehbarkeit seiner Entscheidung durch eine Ergänzung der bereits heute aufgeführten und zu berücksichtigenden Kriterien erhöht werden. So wird vorgeschlagen, dass der Aufsichtsrat bei der Festlegung der Struktur der Vorstandsvergütung die Relation zwischen der Vorstandsvergütung und der Vergütung des oberen Führungskreises und der Gesamtbelegschaft auch in ihrer zeitlichen Entwicklung berücksichtigen soll (Ziffer 4.2.2 Abs. 2 Satz 3). In diesem Zusammenhang soll ebenfalls die neue Empfehlung aufgenommen werden, dass der Aufsichtsrat das jeweils angestrebte Altersversorgungsniveau für den Vorstand definiert und den daraus abgeleiteten jährlichen sowie den langfristigen Aufwand für das Unternehmen berücksichtigt (Ziffer 4.2.3 Abs. 3).
Um die Vergleichbarkeit im Zeitvergleich und zu anderen Unternehmen für den Aufsichtsrat, aber auch für die breite Öffentlichkeit zu verbessern, regt die Kommission an, die wichtigsten zahlenmäßigen Informationen zur Vorstandsvergütung einheitlich aufzubereiten. Hierzu wird angeregt, die von ihr vorgeschlagenen und im Rahmen des Konsultationsverfahrens zu diskutierenden Tabellen zu verwenden (Ziffer 4.2.5 Abs. 3 Satz 2), die in der Anlage dem Entwurf der Kodexneufassung beigefügt sind. Die in die vorgeschlagenen Tabellen aufzunehmenden Daten sind nach Auffassung der Regierungskommission bereits heute in den Unternehmen verfügbar und werden in der einen oder anderen Form überwiegend auch schon veröffentlicht. Die Zusammenführung und Vereinheitlichung der Darstellung der Daten sollen einen besseren Überblick und eine bessere Vergleichbarkeit gewährleisten. Da der Regelungsvorschlag als bloße Anregung („sollte“) vorgesehen ist, wäre eine Abweichung hiervon vom Emittenten nicht offen zu legen und auch nicht zu erläutern. Auch eine Anfechtung von Hauptversammlungsbeschlüssen wäre für mögliche Fehler des Emittenten in diesem Zusammenhang ausgeschlossen, da eine Gesetzesverletzung bei bloßer Anregung ausgeschlossen ist.
Mit Blick auf einen möglichen organisatorischen Umstellungsaufwand sieht der Entwurf vor, die Empfehlung zu Angaben im Vergütungsbericht und die Anregung zur Verwendung der Tabellen bei den Unternehmen erst ab 2014 in Kraft zu setzen.
b) Übernahmehauptversammlung
Von den weiteren Änderungsvorschlägen ist von besonderem Interesse, dass der Kodex nunmehr in Ziffer 3.7 Abs. 3 anregt, dass im Fall eines Übernahmeangebots eine außerordentliche Hauptversammlung einberufen werden sollte, in der die Aktionäre über das Übernahmeangebot beraten und gegebenenfalls über gesellschaftsrechtliche Maßnahmen beschließen. Nach der aktuellen Fassung des Kodex sollte dies nur in angezeigten Fällen erfolgen, was überzeugender ist. Denn nicht in jedem Fall eines Übernahmeangebots ist die Einberufung einer Hauptversammlung bei der Zielgesellschaft sinnvoll. Im Gegenteil wird dies vielmehr die Ausnahme sein. So ist die Einberufung einer Hauptversammlung im Fall eines freundlichen (also grundsätzlich mit dem Bieter abgestimmten) Übernahmeangebots kaum sinnvoll und kommt in der Praxis auch nicht vor. Die Aktionäre, an die sich das Übernahmeangebot richtet, stimmen nach der gesetzlichen Konzeption nicht in der Hauptversammlung über das Angebot ab, sondern tun dies durch ihre Entscheidung zur Annahme oder Nichtannahme des Angebots. Eine hinreichende Informationsgrundlage schaffen dabei auf der einen Seite die Angebotsunterlage und auf der anderen Seite die Stellungnahme von Vorstand und Aufsichtsrat der Gesellschaft nach § 27 WpÜG. Sinn macht die Einberufung einer außerordentlichen Hauptversammlung vor allem dann, wenn es sich um ein sog. feindliches Übernahmeangebot handelt, um auf der einen Seite die Angebotsfrist und damit den Zeitraum für mögliche Verteidigungsmaßnahmen zu verlängern (vgl. § 16 Abs. 3 WpÜG) und um in der Hauptversammlung ggf. über Verteidigungsmaßnahmen zu beschließen. Dies sind aber Ausnahmefälle. Wer den mit der Einberufung und Durchführung einer außerordentlichen Hauptversammlung einer börsennotierten Gesellschaft verbundenen Aufwand sowie die Praxis in Übernahmesachverhalten kennt, wird sich deswegen über diesen Änderungsvorschlag wundern.
c) Aufräumarbeiten
Auch wenn die Regierungskommission mit dem Argument, der Kodex müsse aus sich selbst heraus als eigenständiges Dokument verständlich bleiben, die vielfach vorgeschlagene Bereinigung des Kodex von sämtlichen Passagen, die lediglich geltendes Recht wiedergegen, ablehnt, hat sich die Kommission bemüht, den Kodex zumindest teilweise zu verschlanken. So sollen einige lediglich deskriptive Abschnitte (bspw. unter Ziff. 6.1 zur Veröffentlichung von Insiderinformationen) ebenso wie einige noch in der aktuellen Kodexfassung enthaltene Empfehlungen gestrichen werden. Teilweise ist dies darauf zurückzuführen, dass der Gesetzgeber entsprechende Empfehlungen zwischenzeitlich legislativ umgesetzt hat (so z.B. die Empfehlung in der aktuellen Ziffer 4.2.2 Abs. 1, nach der ein bestehender Personalausschuss dem Aufsichtsratsplenum seine Vorschläge zur Vorstandsvergütung unterbreiten soll – ein Vorgehen, dass nach dem VorstAG ohnehin bereits gesetzlich angezeigt ist).
3. Ausblick
Die weiteren Entwicklungen bis zur Veröffentlichung einer Neufassung des Kodex im Sommer bleiben spannend. Dies gilt vor allem für das Thema der Vorstandsvergütung. Hier bleibt insbesondere auch abzuwarten, ob sich auch der Gesetzgeber noch kurzfristig diesem Themenkomplex im Wege einer weiteren gesetzlichen Regelung annimmt.
Aber auch der Abschluss des Konsultationsverfahrens und die abschließende Beratung der Regierungskommission bleiben genau zu beobachten. Im letzten Jahr wich die letztlich veröffentlichte Neufassung des Kodex noch in erheblichen Teilen von den ursprünglichen Vorschlägen der Regierungskommission ab. Hiermit ist auch dieses Jahr zu rechnen, und hinsichtlich mancher der vorgeschlagenen Änderungen (Stichwort: „Übernahmehauptversammlung“) bleibt dies ausdrücklich zu hoffen.