Anfechtungsrisiken bei der Abtretung von Gesellschafterdarlehen

In einem vielbeachteten Urteil hat der Bundesgerichtshof (BGH) jüngst wichtige Aussagen zur Behandlung von abgetretenen Gesellschafterdarlehen in der Insolvenz der Gesellschaft getroffen. Konkret äußerte er sich sowohl zu der Frage, wem gegenüber der Insolvenzverwalter zur Anfechtung berechtigt ist (nur Forderungsempfänger oder auch abtretendem Gesellschafter), als auch der Erstreckung der Anfechtung auf verbundene Unternehmen. Bei beiden Aspekten knüpft der BGH an seine frühere Rechtsprechung zu den so genannten kapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen an, die durch das MoMiG eine gesetzliche Modifikation erfahren hatten.

1. Überblick

Seit langem versuchen Gesetzgeber, Rechtsprechung und juristische Wissenschaft sachgerechte Antworten darauf zu finden, wie mit Gesellschafterdarlehen in der Krise des Unternehmens bzw. nach Insolvenzeintritt umgegangen werden soll. Nach geltendem Recht sind dabei zwei Grundregeln für die Fremdfinanzierung durch die Gesellschafter zu beachten, nämlich (i) die Nachrangigkeit von Gesellschafterdarlehen gegenüber anderen Insolvenzforderungen sowie (ii) die Insolvenzanfechtung von Tilgungen, die innerhalb eines Jahres vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt sind. Diese Parameter fußen letztlich auf dem Umstand, dass der Gesellschafter als Fremdkapitalgeber aufgrund seines wirtschaftlichen Interesses, seiner Nähe zur Gesellschaft und seines Informationsvorsprunges eine besondere Stellung und Verantwortung hat (was meist unter dem Begriff der so genannten Finanzierungsfolgenverantwortung diskutiert wird).

Konkret bestimmt § 39 Abs. 1 Nr. 5 Insolvenzordnung (InsO), dass Forderungen auf Rückgewähr eines Gesellschafterdarlehens (oder einer einem solchen wirtschaftlich entsprechenden Rechtshandlung) in der Insolvenz der Gesellschaft nur nachrangig befriedigt werden. Die Regelung gilt für alle Gesellschaften, in denen keine natürliche Person (zumindest mittelbar) persönlich haftet, d.h. für die AG, GmbH oder – wie in der hier besprochenen Entscheidung – eine GmbH & Co. KG. Zweitens können nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO Rechtshandlungen angefochten werden, die für eine Forderung des Gesellschafters auf Rückzahlung des Darlehens (oder eine gleichgestellte Forderung) Befriedigung gewährt haben, sofern sie im letzten Jahr vor dem Eröffnungsantrag oder danach vorgenommen worden sind.

Die Nachrangigkeit, und damit die Anfechtbarkeit, werden nur in zwei gesetzlich bestimmten Ausnahmefällen durchbrochen, nämlich bei der Kleinbeteiligung (Beteiligung des nicht geschäftsführenden Gesellschafters von 10 % oder weniger des Stamm- bzw. Grundkapitals) oder einer Sanierung (Erwerb von Anteilen an der Gesellschaft durch einen Gläubiger zur Abwendung der Krise auf Grundlage eines Sanierungskonzeptes).

Ob und inwieweit die Darlehensgewährung durch ein konzernverbundenes Unternehmen bzw. die Abtretung eines Gesellschafterdarlehens an einen Dritten, der nicht Gesellschafter ist, ein „Ausweg“ aus diesen strengen Regeln darstellt, war Gegenstand der vorliegenden Entscheidung.

2. Die Entscheidung des BGH

a) Sachverhalt

Die beklagte AG ist über eine von ihr allein gehaltene GmbH alleinige Gesellschafterin einer KG, über deren Vermögen Anfang November 2010 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, nachdem diese zuvor im August 2010 den entsprechenden Antrag gestellt hatte.

Die Beklagte gewährte der KG im November 2009 ein Darlehen über EUR 500.000. Im März 2010 verkaufte sie das Darlehen für EUR 375.000 unter vollständigem Haftungsausschluss an einen Dritten und trat die Forderung ab. Im Juni 2010 zahlte die KG das Darlehen nach Fälligkeit zzgl. Zinsen i.H.v. EUR 528.500 an den Dritten zurück.

Der Insolvenzverwalter der KG verklagte die AG auf Erstattung des von der KG an den Dritten gezahlten Betrages gestützt auf § 135 Abs. 1 Nr. InsO. Mit der Klage war er in erster Instanz erfolgreich, das Berufungsgericht wies die Klage jedoch ab. Der BGH stellte in der Revision das stattgebende erstinstanzliche Urteil wieder her.

b) Entscheidungsgründe

Der BGH nimmt wie erwähnt im Wesentlichen zu zwei Aspekten Stellung, nämlich der Frage, ob sich ein Gesellschafter der Anwendung des § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO durch Abtretung der Forderung an einen Dritten entziehen kann (nein), sowie der Frage, ob die Anfechtbarkeit auch für Darlehensforderungen von mittelbaren Gesellschaftern gilt (ja).

aa) Kein Ausschluss der Anfechtbarkeit durch Abtretung an Dritten

Nach der Entscheidung des BGH kann eine Anfechtung gemäß § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO grundsätzlich nicht nur gegenüber dem Erwerber der Forderung, sondern auch gegenüber dem abtretenden Gesellschafter erfolgen. Er begründet dies im Ausgangspunkt damit, dass der Gesetzgeber zur Vermeidung von Schutzlücken die Anfechtungsregeln als Ausgleich für den Verzicht auf das Rechtsinstitut des Kapitalersatzes bewusst verschärft hat. Nur so könnten Missbrauchsgestaltungen vermieden werden, da andernfalls jedes Gesellschafterdarlehen durch Abtretung vor Stellung des Insolvenzantrages dem Nachrang (und damit der Anfechtbarkeit) entzogen werden könne. Aufgrund der den Gesellschafter treffenden Finanzierungsfolgenverantwortung dürften die Rechtsfolgen des zwingenden Anfechtungsrechts nicht durch die Wahl bestimmter rechtlicher Konstruktionen unterlaufen werden können.

Vor dem Hintergrund der „schier unerschöpflichen Gestaltungsfantasie der Gesellschafter und ihrer Berater“ könne der für Gesellschafterdarlehen angeordnete Nachrang deshalb nicht dadurch außer Kraft gesetzt werden, dass der Gesellschafter die Darlehensforderung an einen Nichtgesellschafter abtritt (oder seine Beteiligung an der Gesellschaft aufgibt). Das Nachrangrisiko müsse der Erwerber der Forderung (Zessionar) mangels der Möglichkeit eines gutgläubigen einredefreien Forderungserwerbs gem. § 404 BGB gegen sich gelten lassen.

Weil in der vorliegenden Sachverhaltskonstellation das Darlehen innerhalb eines Jahres vor Stellung des Insolvenzantrages abgetreten wurde und die Rückzahlung an den Zessionar von der Gesellschaft in dieser Frist stattfand, war es nachrangig und damit gegenüber dem Zessionar anfechtbar. Unter diesen Umständen soll nach Auffassung des BGH aber auch eine Anfechtung gegenüber dem Gesellschafter möglich sein, so dass beide – Gesellschafter und Zessionar – als Gesamtschuldner haften. Der Gesellschafter sei haftbar, so der BGH, weil er den Forderungsverkauf und die Abtretung veranlasst habe. Wegen der im Rahmen von § 135 InsO anzustellenden wirtschaftlichen Betrachtungsweise sei die im Wege einer Abtretung bewirkte Zahlung an einen Dritten als Leistung an den Gesellschafter zu behandeln.

bb) Anfechtbarkeit der Darlehensforderungen auch von mittelbaren Gesellschaftern

Auch für den zweiten Aspekt der Entscheidung fällt die Antwort des BGH klar aus. Dass die beklagte AG im Zeitpunkt der Darlehensgewährung nicht selbst unmittelbare Gesellschafterin war hindert nach Aussage des BGH nicht an der Gleichstellung des Darlehens mit einem Gesellschafterdarlehen für Zwecke der Anfechtungsregeln. Denn § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO erfasse tatbestandlich auch die einem Gesellschafterdarlehen wirtschaftlich entsprechenden Forderungen, namentlich – wie unter der Geltung des Kapitalersatzrechts – Darlehen an verbundene Unternehmen.

Versuchen einer einschränkenden Auslegung der Norm erteilt der BGH eine klare Absage. Sie wäre, so der BGH, mit der tatbestandlichen Verschärfung des § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO unvereinbar, der abweichend vom früheren Recht krisenunabhängig die Rückzahlung aller Gesellschafterdarlehen im Interesse einer Gleichbehandlung aller solcher Darlehen anordnet. Die ausdrückliche Bezugnahme des Gesetzgebers auf die früheren Regeln zeige zudem, dass die „Legitimationsgrundlage des früheren Rechts im Sinne einer Finanzierungsfolgenverantwortung“ mit der neuen Rechtslage in Einklang stehe. Das Darlehen eines Dritten sei deshalb als Gesellschafterdarlehen zu bewerten, wenn, wie hier, der Dritte bei wirtschaftlicher Betrachtung einem Gesellschafter gleichsteht. Wie der BGH insoweit konkretisiert, gelte dies jedenfalls für den so genannten Gesellschafter-Gesellschafter, d.h. einen mittelbar beteiligten Gesellschafter, der auf Grund einer qualifizierten Anteilsmehrheit einen beherrschenden Einfluss auf die Gesellschaft ausüben kann. Im vorliegenden Fall bejahte der BGH eine solche Stellung.

3. Fazit und praktische Folgen

Dogmatisch bedeutet die besprochene Entscheidung eine weitgehende Fortsetzung der unter der früheren Rechtslage zum Eigenkapitalersatzrecht entwickelten Grundsätze, insbesondere der Leitgedanke der Finanzierungsfolgenverantwortung. Praktisch schafft die Entscheidung Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit beim personellen Anwendungsbereich von Gesellschafterdarlehen der in der Praxis regelmäßig vorkommenden Konstellationen. So deutlich der BGH bei der zweiten Thematik des Anfechtungsgegners Position bezogen hat, so sehr ist die Festlegung in der juristischen Literatur zum Teil auch auf Widerspruch gestoßen. Ob der vom BGH primär herangezogene Missbrauchsgedanke zur Rechtfertigung der Einbeziehung aller Abtretungskonstellationen geeignet ist, erscheint zumindest fraglich und lässt eine weitere intensive Diskussion zu dieser Thematik erwarten. Einstweilen muss sich die Praxis aber darauf einstellen, dass der veräußernde Gesellschafter beim Eintritt der Insolvenz binnen Jahresfrist für Rückzahlungen haftet, auch wenn nicht er, sondern der Zessionar die Zahlungen erhalten hat.