Die persönliche Haftung von GmbH-Gesellschaftern
Der BGH hat vor Kurzem entschieden, dass die Gesellschafter einer GmbH, die einen Beschluss über die Einziehung von Geschäftsanteilen gefasst haben, dem ausscheidenden Gesellschafter persönlich haften, wenn sie nicht dafür sorgen, dass die Abfindung aus dem freien Vermögen der Gesellschaft geleistet werden kann (vgl. hierzu Gubitz/Nikoleyczik, NZG 2013, 727). Hier kann es daher zu einer Durchbrechung des Prinzips der beschränkten Gesellschafterhaftung kommen. Die Entscheidung gibt Anlass dazu, sich die wichtigsten Konstellationen in Erinnerung zu rufen, in denen GmbH-Gesellschafter mit ihrem Privatvermögen haften.
1. Überblick
Die GmbH ist nicht, wie teilweise von juristischen Laien angenommen wird, eine Gesellschaftsform ohne persönliche, sondern (wie der Name schon sagt), mit beschränkter Haftung. Die Haftung der Gesellschafter gegenüber der GmbH ist dabei im Ausgangspunkt nach § 14 GmbHG auf die die Leistung der gesellschaftsvertraglich festgesetzten Einlage begrenzt. Den Gläubigern der Gesellschaft haftet dagegen nach § 13 Abs. 2 GmbHG nur das Gesellschaftsvermögen.
Von dem Grundsatz, dass den Gläubigern nur das Gesellschaftsvermögen haftet, existieren jedoch einige wichtige Ausnahmen, in denen es zu einem Durchgriff auf das Vermögen der Gesellschafter kommt. Dies wird im angloamerikanischen Rechtskreis bildhaft als „piercing the corporate veil“ bezeichnet. Zudem gilt die Beschränkung der Haftung nicht in Bezug auf (Innen-)Ansprüche der GmbH gegen ihre Gesellschafter. Diese Fälle sind äußerst praxisrelevant. Insbesondere gehört die Prüfung von Ansprüchen der insolvent gewordenen GmbH gegen ihre Gesellschafter zum Standardrepertoire von Insolvenzverwaltern. Zudem können sich die Gläubiger der GmbH vollstreckungshalber Ansprüche der Gesellschaft gegen ihre Gesellschafter nach den Vorschriften der §§ 829, 835 ff. ZPO pfänden und überweisen lassen, so dass auch hier die Gefahr eines Zugriffs von Gesellschaftsfremden auf das Privatvermögen von Gesellschaftern eröffnet ist.
Mit Urteil vom 24.1.2012 (Az. II ZR 109/11, NZG 2012, 259) hat der BGH entschieden, dass der Beschluss über die Einziehung von GmbH-Geschäftsanteilen sofort mit der Mitteilung des Beschlusses an den betroffenen Gesellschafter wirksam wird, und damit einen langjährigen Meinungsstreit entschieden. Um die Vermögensinteressen des ausscheidenden Gesellschafters zu schützen, nimmt der BGH eine anteilige Haftung der Gesellschafter, die den Einziehungsbeschluss gefasst haben, in Bezug auf den Abfindungsanspruch des ausscheidenden Gesellschafters an, wenn sie nicht dafür sorgen, dass die Abfindung aus dem ungebundenen Vermögen der Gesellschaft geleistet werden kann, oder sie die Gesellschaft nicht auflösen.
Damit hat der BGH eine weitere Fallgruppe kreiert, in der es zu einer persönlichen Inanspruchnahme von GmbH-Gesellschaftern kommt. Die Entscheidung gibt uns Anlass, in diesem Newsletter auf die wichtigsten Fälle, in denen ein Zugriff auf das Privatvermögen der Gesellschafter stattfinden kann, aufzuzeigen. Zunächst werden dabei die (selteneren) Fälle der direkten Außenhaftung von Gesellschaftern behandelt. Im Anschluss erörtern wir diejenigen praktisch bedeutsamen Konstellationen der Innenhaftung gegenüber der Gesellschaft, in denen es über eine Pfändung und Überweisung der Ansprüche der GmbH gegenüber den Gesellschaftern zu einer Haftung von Gesellschaftern gegenüber Dritten kommen kann.
2. Außenhaftung gegenüber Dritten
Die wichtigsten Fallgruppen, in denen eine Haftung von GmbH-Gesellschaftern gegenüber Dritten in der Diskussion steht, sind die Folgenden:
a) Vermögens- und Sphärenvermischung („Waschkorblagen“)
Eine persönliche Haftung gegenüber Gesellschaftsgläubigern kommt nach der Rechtsprechung in Betracht, wenn eine klare Zuordnung von Vermögensgegenständen zum Vermögen der GmbH oder zum Privatvermögen nicht möglich ist. Auf die beschränkte Gesellschafterhaftung kann sich der Gesellschafter daher nur berufen, wenn er durch eine entsprechende Buchführung und Bilanzierung ein selbständiges Gesellschaftsvermögen nachweisen kann und das Gesellschaftsvermögen umfangmäßig vom Privatvermögen abgegrenzt hat. Eine Vermögensvermischung liegt allerdings nicht schon bei einzelnen unberechtigten Entnahmen des Gesellschafters vor.
b) Materielle Unterkapitalisierung und „Aschenputtel“-Konstellationen
In der Vergangenheit immer wieder diskutiert wurde eine Durchgriffshaftung in den Fällen, in denen die Eigenkapitalausstattung der Gesellschaft nicht in einem angemessenen Verhältnis zu der von ihr ausgeübten Geschäftstätigkeit steht. Allerdings dürfte diese Fallgruppe durch die neuere Rechtsentwicklung überholt sein. Der BGH hat sich nämlich entschieden, den Durchgriff auf das Gesellschaftervermögen lediglich in den Fällen der „Existenzvernichtung“ zuzulassen. Diese Existenzvernichtungshaftung stellt jedoch technisch keine direkte Außenhaftung, sondern eine Innenhaftung gegenüber der Gesellschaft dar, so dass sie weiter unten noch thematisiert wird (siehe unten 3.d).
Sogenannte „Aschenputtel“-Konstellationen stellen jedoch nach wie vor einen Anwendungsbereich der Außenhaftung der Gesellschafter dar. Unter dem Gesichtspunkt der vorsätzlichen sittenwidrigen Gläubigerschädigung kommt eine Haftung nach § 826 BGB in Betracht, wenn die Rechtsbeziehungen zwischen dem Gesellschafter und der GmbH so ausgestaltet sind, dass die Nachteile aus der Geschäftstätigkeit notwendigerweise die Gläubiger der Gesellschaft treffen müssen. Dies kommt beispielsweise im Falle der Vorenthaltung von Geschäftschancen für die GmbH in Betracht. Allerdings hat die Rechtsprechung hier absolute Extremfälle im Blick (Stichwort Gläubigerschädigung als Geschäftsmodell). Die Tatsache allein, dass sich die Gesellschafter hinter ihrer Gesellschaft „verstecken“, ist angesichts der Existenz der GmbH als Rechtsform mit beschränkter Haftung per se nicht zu beanstanden. Der BGH formuliert dies so, dass über die Rechtsform einer juristischen Person nicht leichtfertig und schrankenlos hinweggegangen werden dürfe.
c) Andere Formen des Rechtsformmissbrauchs und Verstöße gegen Treu und Glauben
Eine Haftung der GmbH-Gesellschafter wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung kommt daneben noch in anderen Fallkonstellationen in Betracht, beispielsweise wenn ein Gesellschafter Forderungen der GmbH für sich vereinnahmt und diese infolgedessen insolvent wird, oder er den Geschäftsführer zur Insolvenzverschleppung anstiftet oder ihn dabei unterstützt. Diese Haftungstatbestände spielen allerdings im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nur in außergewöhnlich gelagerten Fällen eine Rolle.
d) Haftung für Abfindungszahlungen bei Einziehung
Bereits erwähnt wurde (siehe oben 1.) die kürzlich vom BGH entschiedene Konstellation, in der im Rahmen der Einziehung von Geschäftsanteilen nach § 34 Abs. 1 GmbHG die dem von der Einziehung betroffenen Gesellschafter zustehende Abfindung nicht aus dem freien Vermögen der Gesellschaft geleistet werden kann. Eine gleichwohl erfolgende Leistung der Abfindung stellte dann gemäß § 34 Abs. 3 in Verbindung mit § 30 Abs. 1 GmbHG einen Verstoß gegen den Grundsatz der Kapitalerhaltung dar.
Früher wurde diskutiert, ob das Ausscheiden des von der Einziehung betroffenen Gesellschafters aus der Gesellschaft erst mit der Zahlung der Abfindung wirksam wird. Die Rechtsprechung nimmt nunmehr allerdings ein sofortiges Ausscheiden bei Mitteilung der Beschlussfassung über die Einziehung an, auch in den Fällen, in denen die Abfindung wie vorstehend beschrieben nicht aus dem freien Gesellschaftsvermögen geleistet werden kann. Um den ausscheidenden Gesellschafter zu schützen, hat der BGH entschieden, dass in solchen Fällen die den Beschluss fassenden Gesellschafter im Verhältnis ihrer Geschäftsanteile für die Zahlung des Einziehungsentgelts mit ihrem Privatvermögen haften.
Offen gelassen hat der BGH, ob diese Haftung auch solche Gesellschafter trifft, die bei der Beschlussfassung nicht für die Einziehung gestimmt haben. Anwälte von GLNS haben sich kürzlich gegen eine solche Haftung ausgesprochen (vgl. Gubitz/Nikoleyczik, NZG 2013, 727). Allerdings gibt es in der juristischen Literatur auch bedeutende Gegenstimmen. Diese Frage ist derzeit daher offen.
Festzuhalten bleibt in jedem Fall, dass sich die Gesellschafter zur Haftungsvermeidung vor Fassung eines Einziehungsbeschlusses eingehend darüber informieren sollten, ob das freie Vermögen der GmbH zur Zahlung der Abfindung ausreicht. Ist dies nicht der Fall, sollte über Alternativen zur Einziehung nachgedacht werden. Viele Satzungen sehen beispielsweise vor, dass anstelle der Einziehung die Abtretung der Geschäftsanteile des ausscheidenden Gesellschafters an einen Dritten beschlossen werden darf. Idealerweise sollte dieser Aspekt schon bei der Satzungsgestaltung berücksichtigt werden.
3. Innenhaftung gegenüber der Gesellschaft
Zu einer Innenhaftung von GmbH-Gesellschaftern gegenüber der GmbH (mit der Möglichkeit der Pfändung und Überweisung solcher Ansprüche durch Gläubiger der Gesellschaft) kommt es insbesondere in den nachfolgend dargestellten Konstellationen:
a) Verlustdeckungs- bzw. Unterbilanzhaftung
Die GmbH entsteht nicht bereits durch die Gründung, sondern erst durch die konstitutiv wirkende Eintragung ins Handelsregister. Im Zeitraum zwischen Gründung und Eintragung existiert sie als sogenannte „Vor-GmbH“.
Die Gesellschafter haften nach der Rechtsprechung im Falle der Eintragung für Vorbelastungen, die das Gesellschaftsvermögen zum Zeitpunkt der Eintragung unter den Betrag des Stammkapitals mindern (sogenannte „Unterbilanzhaftung“). Bei Scheitern der Eintragung wird der Haftungstatbestand als „Verlustdeckungshaftung“ bezeichnet. Die Haftung besteht in Bezug auf die Differenz zwischen dem statuarischen Stammkapital und dem Wert des Gesellschaftsvermögens (das insbesondere auch negativ sein kann). Bei Mehrpersonengesellschaften ist die Unterbilanzhaftung als anteilige Innenhaftung gegenüber der Gesellschaft ausgestaltet. Aber auch bei der Ein-Personen-Gesellschaft wird überwiegend von einer Innenhaftung gegenüber der GmbH ausgegangen (die dann den alleinigen Gesellschafter trifft).
Um eine entsprechende Haftung zu vermeiden, ist den Gesellschaftern zu empfehlen, die Geschäftstätigkeit erst nach Eintragung aufzunehmen. Angesichts der immer kürzer werdenden Zeiträume zwischen Anmeldung der Gründung und Eintragung der Gesellschaft ist dies in den meisten Fällen auch nicht mit erheblichen Nachteilen verbunden.
b) Ausfallhaftung für Aufbringung des Stammkapitals
Wenn der Betrag einer Stammeinlage im Rahmen der Gründung oder einer Kapitalerhöhung weder vom zahlungspflichtigen Gesellschafter eingezogen werden, noch (was ohnehin selten sein dürfte) durch den Verkauf des betreffenden Geschäftsanteils gedeckt werden kann, haften die übrigen Gesellschafter nach § 24 S. 1 GmbHG für den Fehlbetrag im Verhältnis ihrer Geschäftsanteile. Wenn von den nach § 24 S. 1 GmbH verpflichteten Gesellschaftern einer ausfällt, werden die Fehlbeträge gemäß § 24 S. 2 GmbHG unter den übrigen Gesellschaftern nach dem Verhältnis ihrer Geschäftsanteile aufgeteilt.
Dieser Haftungstatbestand wird oftmals übersehen. Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund brisant, dass teilweise in der juristischen Literatur (unseres Erachtens unzutreffend) vertreten wird, dass die Haftung nicht nur in der Höhe des Betrags der Stammeinlage des ausgefallenen Gesellschafters besteht, sondern bei Einbringung eines altlastenverseuchten Grundstücks oder eines überschuldeten Unternehmens im Wege der Sacheinlage sogar die Differenz zwischen dem (negativen) Wert des Einlagegenstands und dem Nennbetrag der Geschäftsanteile erfassen soll.
Die Haftung sollte dringend durch Vornahme geeigneter Maßnahmen vermieden werden, insbesondere durch fristgerechte Einzahlungen und die korrekte Bewertung von Sacheinlagen.
c) Ausfallhaftung bei Verstößen gegen das Prinzip der Kapitalerhaltung
Nach § 30 Abs. 1 S. 1 GmbHG darf das zur Erhaltung des Stammkapitals erforderliche Vermögen der Gesellschaft nicht an die Gesellschafter ausgezahlt werden. Verstöße gegen dieses Prinzip der Kapitalerhaltung kommen häufig vor, insbesondere weil die Gesellschafter für die schwierigen Fragen, die sich in diesem Zusammenhang stellen, nicht ausreichend sensibilisiert sind. Rechtsfolge ist gemäß § 31 Abs. 1 GmbHG ein Anspruch der Gesellschaft auf Rückerstattung der geleisteten Zahlungen.
Nach § 31 Abs. 3 GmbHG haften, soweit dies zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger erforderlich ist, für den Erstattungsbetrag die übrigen Gesellschafter persönlich, wenn dieser von dem Gesellschafter, der die Zahlung erhalten hat, nicht zu erlangen ist. Die Haftung trifft die Gesellschafter nach dem Verhältnis ihrer Beteiligung an der Gesellschaft; fallen hierbei weitere Gesellschafter aus, müssen die übrigen auch deren Zahlungsverpflichtungen im Verhältnis der verbleibenden Geschäftsanteile übernehmen.
Die Gesellschafter können sich vor der beschriebenen Haftung nur schützen, indem sie selbst die Einhaltung der Kapitalerhaltungsgrundsätze durch die Geschäftsführung und die anderen Gesellschafter stets eingehend überprüfen. Hierzu ist erforderlich, dass sie sich mit den Grundzügen der Regelungen zur Kapitalerhaltung vertraut machen. Insbesondere sollten jegliche Leistungsbeziehungen zwischen der Gesellschaft und den (direkten und indirekten) Gesellschaftern bzw. diesen nahe stehenden Personen beobachtet werden.
d) Existenzvernichtungshaftung
Eine praktisch wichtige Fallgruppe der Gesellschafterhaftung ist auch die sogenannte Existenzvernichtungshaftung. Durch diese sollen Konstellationen erfasst werden, in denen die Gesellschafter das im Gläubigerinteresse zweckgebundene Gesellschaftsvermögen missbräuchlich schädigen. Rechtstechnisch ist diese Figur seit der „Trihotel“-Entscheidung des BGH als eine Innenhaftung der schädigenden Gesellschafter gegenüber der GmbH aus § 826 BGB (also als deliktische Haftung – vorsätzliche sittenwidrige Schädigung) ausgestaltet.
Voraussetzungen für die Haftung sind (neben dem erforderlichen Schädigungsvorsatz und dem Fehlen von Rechtfertigungsgründen) (i) ein kompensationsloser Eingriff in das Gesellschaftsvermögen durch den Gesellschafter, der zur Insolvenz führt oder diese vertieft (ii) die Verletzung einer Verhaltenspflicht durch den Gesellschafter, die insbesondere gegeben ist, wenn die Entnahmen aus dem Gesellschaftsvermögen zu betriebsfremden Zwecken erfolgen, und (iii) Sittenwidrigkeit, die erst bei besonderer Schwere des Eingriffs gegeben ist, beispielsweise bei planmäßigem Handeln zum Schaden der Gesellschaft und damit der Gläubiger.
Es muss jedoch betont werden, dass die Gesellschafter zur Haftungsvermeidung nicht verpflichtet sind, die Gesellschaft mit einem angemessenen Eigenkapital auszustatten. Eine Haftung folgt auch nicht daraus, dass eine GmbH ihre Verbindlichkeiten nicht erfüllen kann. Dies dürfte die Haftungsgefahren in den meisten Fällen, in denen sich eine GmbH in Schwierigkeiten befindet, minimieren. Durch die Figur der Existenzvernichtungshaftung sollen Extremfälle der vorsätzlichen Gläubigerschädigung erfasst werden, die im gewöhnlichen Geschäftsgang in aller Regel nicht passieren sollten (in der Praxis allerdings immer wieder vorkommen).
4. Fazit
Die beschriebenen Fälle verdeutlichen, dass sich die persönliche Gesellschafterhaftung nicht durch die Verwendung der Rechtsform der GmbH erledigt. Vielmehr kommt dem Durchgriff auf das Vermögen des Gesellschafters, dem „piercing of the corporate veil“, in der Praxis eine überaus bedeutsame Funktion zum Schutz des Gesellschaftsvermögens und der Gesellschaftsgläubiger zu. Die oben dargestellten Fallgruppen sollten daher von den Gesellschaftern einer GmbH zur Vermeidung einer persönlichen Inanspruchnahme stets im Blick behalten werden.