Insolvenzabhängige Lösungsklauseln sind unwirksam

Insolvenzabhängige Lösungsklauseln sind in einer Vielzahl von Verträgen enthalten. Solche Bestimmungen geben einer Vertragspartei das Recht, den Vertrag im Falle der Insolvenz der Gegenseite außerordentlich zu kündigen, oder sehen sogar vor, dass das Vertragsverhältnis im Insolvenzfall automatisch endet. Die Wirksamkeit solcher Klauseln war bislang in Rechtsprechung und Literatur umstritten. Der BGH hat nunmehr entschieden, dass entsprechende Abreden zumindest in Verträgen über die fortlaufende Lieferung von Waren oder Energie unwirksam sind. Dieser Beitrag erläutert die Hintergründe der Entscheidung und gibt Hinweise für die Vertragspraxis.

1. Rechtlicher Hintergrund

Im Rahmen von Dauerschuldverhältnissen werden oftmals insolvenzabhängige Lösungsklauseln vereinbart. Diese Regelungen dienen dem Schutz der Vertragsparteien vor einer Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Vertragspartners, die sich im Insolvenzfall manifestiert. Die Parteien bezwecken, nicht dauerhaft vertraglich an einen Schuldner gebunden zu sein, der seine Verpflichtungen womöglich nicht mehr erfüllen kann.

Dementsprechend sehen entsprechende Klauseln meist vor, dass eine Vertragspartei im Fall der Insolvenz der Gegenpartei zur außerordentlichen Kündigung des Vertrags aus wichtigem Grund berechtigt ist. Mitunter sehen die Verträge sogar vor, dass das Vertragsverhältnis im Insolvenzfall automatisch endet. Zum Teil knüpfen die Verträge an die Stellung des Insolvenzantrags durch den Schuldner an, teilweise wird daneben oder anstatt dessen die Eröffnung des Insolvenzverfahrens als maßgebliches Ereignis definiert. Insolvenzabhängige Lösungsklauseln finden in der Praxis in einer Vielzahl von unterschiedlichen Vertragstypen Verwendung, beispielsweise in der Baubranche, bei Verträgen über die fortlaufende Lieferung von Waren oder Energie, gewerblichen Mietverträgen, Rahmenverträgen und dergleichen.

Die Wirksamkeit von insolvenzabhängigen Lösungsklauseln war trotz ihrer häufigen Verwendung bislang umstritten. Während beispielsweise das OLG München insolvenzabhängige Lösungsklauseln für zulässig erachtete, ging das OLG Düsseldorf von einer Unwirksamkeit entsprechender Abreden aus.

Von den Gegnern insolvenzabhängiger Lösungsklauseln wurde insbesondere geltend gemacht, dass sie das Wahlrecht des Insolvenzverwalters nach § 103 InsO in gesetzeswidriger Weise ausschlössen, und daher gemäß § 119 InsO unwirksam seien. § 103 InsO gibt dem Insolvenzverwalter bei gegenseitigen Verträgen, die zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch nicht vollständig erfüllt sind, die Wahl, anstelle des Insolvenzschuldners den Vertrag zu erfüllen (und dementsprechend Erfüllung vom anderen Teil zu verlangen), oder die Erfüllung abzulehnen. § 119 InsO sieht vor, dass Vereinbarungen, durch die (neben anderen Rechten) das Erfüllungswahlrecht des Insolvenzverwalters ausgeschlossen oder beschränkt wird, unwirksam sind.

Die Befürworter insolvenzabhängiger Lösungsklauseln konnten sich demgegenüber nicht nur darauf berufen, dass diese den praktischen Bedürfnissen des Geschäftsverkehrs entsprechen. Auch eine Auslegung von § 103 InsO nach Wortlaut und Entstehungsgeschichte streitet für ihren Standpunkt. Denn § 103 InsO betrifft nur die Abwicklung von bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch bestehenden Vertragsverhältnissen, regelt aber nicht, unter welchen Voraussetzungen Vertragsverhältnisse bis zum Zeitpunkt der Eröffnung beendigt werden können. Zudem hatte der Gesetzgeber erwogen, ein Verbot insolvenzabhängiger Lösungsklauseln in die InsO aufzunehmen, sich seinerzeit aber aufgrund der unerwünschten Folgen eines solchen Verbots für den geschäftlichen Verkehr dagegen entschieden.

2. Die Entscheidung des BGH

Auf dem Boden einer normzweckorientierten Auslegung von § 103 InsO hat sich der BGH (Urteil vom 15. November 2011 – IX ZR 169/11; NZI 2013, 178) nunmehr den Befürwortern der Unwirksamkeit insolvenzabhängiger Lösungsklauseln angeschlossen.

Im Streitfall sah der Vertrag zwischen einem Energieversorgungsunternehmen und dem Kunden eine automatische Beendigung im Falle der Stellung eines Insolvenzantrags durch den Kunden oder der Einleitung oder Eröffnung des vorläufigen Insolvenzverfahrens aufgrund eines Gläubigerantrags vor. Das Energieversorgungsunternehmen berief sich, als das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Kunden eröffnet wurde, gegenüber dem Insolvenzverwalter auf die Beendigung, und bot diesem gleichzeitig einen neuen Vertrag zu ungünstigeren Bedingungen an. Der BGH entschied, dass das Vertragsverhältnis aufgrund der Unwirksamkeit der streitgegenständlichen Klausel fortbestanden hatte. Damit das Wahlrecht des Insolvenzverwalters gemäß § 103 InsO nicht leerlaufe, müsse der Vorschrift des § 119 InsO, der die Unwirksamkeit von Vereinbarungen anordnet, die das Wahlrecht beschränken, eine gewisse zeitliche Vorwirkung zuerkannt werden.

Der BGH beschränkte sich dabei nicht darauf, lediglich über die Unwirksamkeit von Klauseln zu entscheiden, die eine automatische Beendigung des Vertragsverhältnisses im Insolvenzfall vorsehen, sondern entschied auch über die Unwirksamkeit von Regelungen, die einer Partei das Recht einräumen, den Vertrag im Insolvenzfall außerordentlich aus wichtigem Grund zu kündigen. Das wäre nicht zwingend gewesen, ist aber rechtlich konsequent und im Übrigen auch aus Gründen der Rechtssicherheit zu begrüßen.

Bemerkenswert ist, dass der BGH seine Entscheidung auf Verträge über die fortlaufende Lieferung von Waren und Energie beschränkt. Dies zieht die Frage nach sich, ob bezüglich anderer Dauerschuldverhältnisse aufgrund eines Umkehrschlusses von einer Wirksamkeit insolvenzabhängiger Lösungsklauseln ausgegangen werden kann, oder ob der BGH dies für andere Vertragsarten offen lassen wollte. Viel spricht für Letzteres. Denn insbesondere bei den praktisch überaus bedeutsamen Verträgen im Bausektor gewährt die werkvertragliche Regelung des § 649 BGB dem Besteller das Recht, den Vertrag bis zur Fertigstellung des Werkes jederzeit zu kündigen. Wenn sich der Besteller aber ohnehin jederzeit vom Vertrag lösen kann, spricht viel dafür, insolvenzabhängige Lösungsklauseln auch zuzulassen, weil sie kein Lösungsrecht gewähren, das über das gesetzlich bestehende hinausgehen würde. Allerdings stellt sich in diesem Fall die Frage, ob die Rechtsfolgen einer Kündigung aufgrund einer insolvenzabhängigen Lösungsklausel unterschiedlich von denen einer Kündigung nach § 649 BGB bestimmt werden könnten. Das OLG Schleswig (Urteil vom 9. Dezember 2011 – 1 U 72/11; NJW 2012, 1967) hat dies in einer aktuellen Entscheidung auf der Grundlage einer relativ formalistischen Argumentation bejaht, Rechtssicherheit wird aber auch insofern nur eine Entscheidung des BGH bringen können.

Offen bleibt aufgrund der Entscheidung des BGH, ob der Vertrag bezüglich der Kündigungsmöglichkeiten anstelle der Insolvenz an andere Umstände anknüpfen könnte. Nicht zulässig dürfte dies aufgrund der expliziten Erwähnung im Urteil des BGH für den Fall der Zahlungseinstellung des Vertragspartners sein. Denkbar wäre demgegenüber ein Anknüpfen des Kündigungsrechts an Umstände wie etwa die Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Vertragspartners (unabhängig von der Zahlungseinstellung). Erste Stellungnahmen gehen davon aus, dass auch solche Klauseln aufgrund der Aushöhlung des Wahlrechts des Insolvenzverwalters unwirksam sein dürften (was uns fraglich erscheint).

3. Folgerungen für die Vertragspraxis

Von einer weiteren Verwendung insolvenzabhängiger Lösungsklauseln muss jedenfalls für Verträge, die die fortlaufende Lieferung von Waren oder Energie zum Gegenstand haben, abgeraten werden. Aber auch bei anderen Vertragstypen ist Vorsicht geboten. Die Geltendmachung eines etwaigen vertraglichen Kündigungsrechts könnte hier ebenfalls erfolglos sein.

Auch durch Bestimmungen, nach denen das Recht zur Kündigung beispielsweise durch eine Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Schuldners ausgelöst wird, kann womöglich kein effektiver Schutz erzielt werden, davon abgesehen, dass es schwierig sein dürfte, eine solche Verschlechterung rechtssicher zu definieren und ggf. die Vermögensverhältnisse des Vertragspartners effektiv zu überwachen.

Weiterhin zulässig sind Lösungsklauseln, die an andere Umstände anknüpfen, die mit einer bevorstehenden Insolvenz in Zusammenhang stehen könnten. So könnte der Vertrag Kündigungsrechte etwa für den Fall des Verzugs oder anderer Vertragsverletzungen vorsehen. Freilich kann auch hierdurch kein Schutzniveau erzielt werden, das dem bei angenommener Wirksamkeit von insolvenzabhängigen Lösungsklauseln entsprechen würde. Demnach wird die Praxis im Bedarfsfall, d.h. wenn die Insolvenz des Vertragspartners kein ganz unwahrscheinliches Szenario ist und die wirtschaftlichen Auswirkungen einer Insolvenz erheblich sind, nicht umhinkommen, alternative Schutzmechanismen zu vereinbaren, wie etwa Sicherungsrechte oder kürzere Fristen für ordentliche Kündigungen, sofern dies im Einzelfall durchsetzbar und praxisgerecht ist.