Steuerpflicht für Streubesitzdividenden nach § 8b Abs. 4 KStG n.F.

Nach einer jüngsten Gesetzesänderung sind nunmehr Erträge aus Beteiligungen an Kapitalgesellschaften, an denen eine Kapitalgesellschaft zu weniger als 10 % beteiligt ist, (sog. Streubesitzdividenden) körperschaftsteuerpflichtig. Gewinne aus der Veräußerung von solchen Streubesitzbeteiligungen bleiben (vorerst) nach § 8b KStG (im Ergebnis zu 95 %) steuerfrei. Bei Beteiligungen an Kapitalgesellschaften von weniger als 10 % sollten ggf. Möglichkeiten der Gestaltung geprüft werden.

Mit Urteil vom 20.10.2011 (Rs. C-284/09) hatte der EuGH entschieden, dass die definitive Kapitalertragsteuerbelastung von an körperschaftsteuerpflichtige Anteilseigner im EU/EWR-Ausland gezahlte Streubesitzdividenden gemeinschaftsrechtswidrig ist. Entsprechende Dividenden an inländische Anteilseigner waren nach § 8b Abs. 1 und 5 KStG im Ergebnis zu 95 % steuerfrei und die einbehaltene Kapitalertragsteuer in Höhe von 25 % konnte im Rahmen der Veranlagung auf die Körperschaftsteuer angerechnet werden, so dass im Fall von Streubesitzdividenden eine Besserstellung der Steuerinländer gegeben war.

Nach einigen gesetzgeberischen Anläufen ist nun das „Gesetz zur Umsetzung des EuGH-Urteils vom 20.10.2011 in der Rechtssache C-284/09“ (EuGHDivUmsG) in Kraft.

Nach der Regelung des § 8b Abs. 4 KStG n.F. sind Beteiligungserträge nicht mehr nach § 8b Abs. 1 KStG steuerfrei, wenn die Beteiligung an der ausschüttenden Kapitalgesellschaft zu Beginn des Kalenderjahres unmittelbar weniger als 10 % des Grund- oder Stammkapitals betragen hat. Korrespondierend erfolgt in einer solchen Konstellation keine fiktive Hinzurechnung nicht abzugsfähiger Betriebsausgaben in Höhe von 5 % der entsprechenden Beteiligungserträge nach § 8b Abs. 5 KStG. Die Neuregelung zur Steuerpflicht von Streubesitzdividenden gilt für alle Beteiligungserträge, die nach dem 28.02.2013 gezahlt werden.

Maßgeblich für die Bestimmung, ob die Beteiligungsquote des § 8b Abs. 4 KStG n.F. erreicht wird, ist die am Beginn des Kalenderjahres bestehende Beteiligungshöhe. Wird unterjährig eine Beteiligung von mindestens 10 % erworben, gilt der Erwerb durch gesetzliche Fiktion als zum Beginn des Kalenderjahres erfolgt. Wird eine Beteiligung unterjährig durch Erwerb von weniger als 10 % über die Beteiligungsschwelle des § 8b Abs. 4 KStG aufgestockt, hat dies wohl keine Auswirkung auf die Körperschaftsteuerpflicht der Streubesitzdividende. Unterjährige Verkäufe, durch die die Beteiligungsquote auf unter 10 % absinkt, bleiben unberücksichtigt, da nur die Beteiligungshöhe zu Beginn des Kalenderjahres maßgeblich ist.

Für die Beteiligungsschwelle des § 8b Abs. 4 KStG n.F. sind grundsätzlich nur unmittelbar gehaltene Beteiligungen relevant. Beteiligungen eines Organträgers und dessen Organgesellschaften innerhalb des Organkreises werden nicht zusammengerechnet, sondern sind separat zu behandeln. Beteiligungen über (auch mehrstufige) Mitunternehmerschaften sind den einzelnen Mitunternehmern anteilig zuzurechnen und gelten als unmittelbare Beteiligungen (§ 8b Abs. 4 Sätze 4 und 5 KStG n.F.). Auch Beteiligungen über vermögensverwaltende Personengesellschaften und Treuhänder sind u.E. anteilig als unmittelbare Beteiligungen den Gesellschaftern bzw. dem Treugeber zuzurechnen.

Die gewerbesteuerliche Behandlung von Dividenden bleibt unverändert; die Änderungen des EuGHDivUmsG beziehen sich nur auf die Körperschaftsteuer. Nur soweit die Voraussetzungen des sog. gewerbesteuerlichen Schachtelprivilegs nach § 9 Nr. 2a bzw. Nr. 7 GewStG erfüllt sind, unterliegt eine Dividende grundsätzlich nicht der Gewerbesteuer.

Gewinne aus der Veräußerung von Beteiligungen an Kapitalgesellschaften bleiben – unabhängig von der jeweiligen Beteiligungshöhe – grundsätzlich nach § 8b Abs. 2 und 3 KStG im Ergebnis zu 95 % steuerfrei. Die Steuerpflichtigkeit von Veräußerungsgewinnen im Zusammenhang mit Streubesitzanteilen wurde jedoch im Gesetzgebungsverfahren vorgeschlagen und intensiv diskutiert. Ausweislich einer Stellungnahme der Bundesregierung soll die Besteuerung dieser Veräußerungsgewinne erneut „ergebnisoffen“ aufgegriffen werden. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass nach der derzeitigen Regelung bei Streubesitzanteilen Dividenden und Veräußerungsgewinne unterschiedlich behandelt werden (und insoweit Gestaltungspotential beispielsweise durch sog. Balooning vorhanden ist), kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Gesetzgeber hier noch einmal steuerverschärfend tätig wird.

Die neu eingeführte Steuerpflichtigkeit von Streubesitzdividenden ist nicht nur wegen ihrer Belastungswirkung für die Steuerpflichtigen kritisch zu sehen. Die Neuregelung ist u.E. insbesondere aus steuersystematischen Gründen missglückt. Mit der Abkehr vom Anrechnungssystem durch die Unternehmenssteuerreform 2001 stellt die Besteuerung von Dividenden im Rahmen der Körperschaftsteuer einen Fremdkörper dar.

Jedenfalls sollten bei bestehenden Beteiligungen und insbesondere bei geplanten Erwerben von Beteiligungen von weniger als 10 % mögliche Gestaltungsoptionen geprüft werden.