Gerichtliche Kontrolle von verbindlichen Auskünften / Gesellschafterdarlehen mit Rangrücktritt in der Liquidationsbilanz

Mit Urteil vom 5. Februar 2014 (I R 34/12) hat der BFH entschieden, dass verbindliche Auskünfte keiner uneingeschränkten materiell-rechtlichen Prüfung durch die Finanzgerichte unterliegen, sondern die gerichtliche Überprüfung sich darauf beschränkt, ob die rechtliche Einordnung des angefragten Sachverhalts in sich schlüssig und nicht evident rechtsfehlerhaft ist. Aufgrund dieser eingeschränkten Überprüfbarkeit hat der BFH die praxisrelevante und umstrittene Frage, wie Verbindlichkeiten aus Gesellschafterdarlehen in der Liquidationsbilanz der Gesellschaft steuerlich zu behandeln sind, offen gelassen.

Sachverhalt (vereinfacht)

Die Klägerin war eine in Liquidation befindliche GmbH. Ende 2007 valutierten die Gesellschafterdarlehen, die der Klägerin gewährt wurden, auf über EUR 18 Mio. Im Mai 2009 beschloss die Gesellschafterversammlung die Auflösung der Klägerin. Zur Vermeidung einer Überschuldung wurde eine Rangrücktrittsvereinbarung bzgl. der Gesellschafterdarlehen geschlossen. Da die Klägerin nur noch über geringfügiges Restvermögen verfügte, beabsichtigte der Liquidator, die noch offenen Gesellschafterdarlehen nicht mehr zurückzuzahlen. Die Klägerin beantragte beim Finanzamt eine verbindliche Auskunft dahingehend, dass weder während noch bei Beendigung der Liquidation ein steuerpflichtiger Gewinn erzielt werde, wenn die Gesellschafterdarlehen in der Liquidation nicht zurückgezahlt würden. Das Finanzamt teilte diese Rechtsauffassung nicht (sog. Negativauskunft), sondern vertrat vielmehr die Auffassung, dass die bestehenden Verbindlichkeiten gewinnwirksam aufzulösen seien, da die zukünftige Erfüllung der Forderung im Zeitpunkt der Aufstellung der Liquidationsschlussbilanz unwahrscheinlich sei. Die Klage auf Verpflichtung des Finanzamts zur Erteilung der entsprechenden verbindlichen Auskunft hatte in der ersten Instanz insoweit Erfolg, als dass das Finanzgericht Köln das Finanzamt verpflichtete, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zum Ausweis der Verbindlichkeit erneut zu bescheiden. Nach Ansicht des FG Köln sind die Verbindlichkeiten aus den Gesellschafterdarlehen – vorbehaltlich eines ausdrücklichen Verzichts des Gläubigers – unabhängig von der Leistungsfähigkeit des Schuldners weiter in der Liquidationsbilanz auszuweisen und – entgegen der Auffassung des Finanzamts – nicht erfolgswirksam auszubuchen.

Entscheidung des BFH

Verfahrensrechtlich geht es im Kern um die Frage, in welchem Umfang verbindliche Aus-künfte einer gerichtlichen Überprüfung unterliegen. Der BFH bestätigte seine bisherige Rechtsprechung, wonach verbindliche Auskünfte im Hinblick auf ihre materiell-rechtliche Richtigkeit keiner uneingeschränkten Überprüfung unterliegen. Die Überprüfbarkeit beschränkt sich darauf, ob das Finanzamt den zu beurteilenden Sachverhalt zutreffend erfasst hat und die rechtliche Einordnung schlüssig und nicht evident rechtsfehlerhaft ist. Nach der Rechtsprechung des BFH hat der Steuerpflichtige keinen Anspruch auf Erteilung einer bestimmten, für zutreffend erachteten verbindlichen Auskunft. Ausgehend von der eingeschränkten Überprüfbarkeit von verbindlichen Auskünften bezieht der BFH zu der materiell-rechtlichen Frage der steuerlichen Behandlung von Verbindlichkeiten in der Liquidationsbilanz kaum Stellung. Der BFH belässt es bei der Feststellung, dass die vom Finanzamt „erteilte Auskunft rechtlich vertretbar und nicht evident rechtsfehlerhaft“ sei. Verbindlichkeiten seien im Abwicklungs-Endvermögen grundsätzlich mit dem Nennwert an-zusetzen. Jedoch seien Ausnahmefälle denkbar, in denen Verbindlichkeiten beim Schuldner keine wirtschaftliche Belastung mehr darstellen und deshalb außer Ansatz bleiben. Ob die bevorstehende Existenzbeendigung des Schuldners durch Liquidation – wie im Besprechungsfall – ein solcher Ausnahmefall ist, hält der BFH zumindest für diskussionswürdig.

Stellungnahme

Die in der (Sanierungs-)Praxis relevante Frage, wie (subordinierte) Gesellschafterdarlehen mit Rangrücktritt in der Liquidationsbilanz einer überschuldeten Kapitalgesellschaft steuerlich zu behandeln sind, hat der BFH leider offen gelassen. Grundsätzlich ist eine Verbindlichkeit zu passivieren, wenn der Schuldner zu einer bestimmten Leistung an einen Dritten, die von dem Gläubiger erzwungen werden kann, verpflichtet ist und diese Verbindlichkeit eine wirtschaftliche Belastung für den Schuldner darstellt. Dies gilt unabhängig davon, ob der Schuldner leistungsfähig ist oder nicht. Im Rahmen der Liquidation geht es um die Frage, ob die Eröffnung des Liquidationsverfahrens durch die Gesellschafter wie ein (konkludenter) Verzicht auf die Geltendmachung der (subordinierten) Forderung zu behandeln ist. Der Forderungsverzicht eines Gesellschafters stellt nur in Höhe des werthaltigen Teils der Forderung (Teilwert) eine steuerneutrale verdeckte Einlage dar. Soweit die Forderung hingegen nicht werthaltig ist, führt der Verzicht bei der Gesellschaft zu einem steuerpflichtigen Ertrag. Das FG Köln hatte angenommen, dass die Verbindlichkeit – unabhängig von der fehlenden Leistungsfähigkeit der Gesellschaft – bis zur Löschung der Gesellschaft im Handelsregister in der Bilanz der Gesellschaft auszuweisen sei, solange nicht ausdrücklich ein Verzicht durch die Gläubiger erklärt wurde. Mit dem Erlöschen der Gesellschaft erlöschen auch die Verbindlichkeiten und die Gesellschaft höre auf als Körperschaftsteuersubjekt zu existieren. Solange eine höchstrichterliche Klärung dieser Frage (bzw. eine eindeutige Stellungnahme der Finanzverwaltung) aussteht, besteht hinsichtlich der steuerlichen Folgen der Liquidation überschuldeter Kapitalgesellschaften weiterhin Rechtsunsicherheit. Diese Unsicherheit kann der Steuerpflichtige nur durch den Antrag auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft beseitigen. Allerdings ist ein entsprechender (kostenpflichtiger) Antrag mit dem Risiko behaftet, dass die Erteilung der Auskunft – wie im Besprechungsfall – versagt wird. Dennoch sollte diese Möglichkeit in Betracht gezogen werden, da dem Vernehmen nach innerhalb der Finanzverwaltung unterschiedliche Rechtsauffassungen zu dieser Frage vertreten werden und einzelne Finanzbehörden – wie auch das FG Köln – eine gewinnwirksame Auflösung der Verbindlichkeiten in der Liquidationsschlussbilanz ablehnen. Um den Anfall einer ggf. unnötigen Auskunftsgebühr zu vermeiden, kann vorab mit dem zuständigen Finanzamt regelmäßig auf informellem Weg abgeklärt werden, wie die Chancen für die Erteilung der gewünschten Auskunft stehen.