M&A-Praxis: Bilanzgarantien

Die Bilanzgarantie ist einer der wichtigsten Bestandteile des Garantiekatalogs bei M&A-Transaktionen und Unternehmensfinanzierungen. Aus Sicht des Garantiegebers (im Folgenden wird der Logik einer M&A-Transaktion folgend vom Verkäufer gesprochen) handelt es sich um die haftungsträchtigste Garantieerklärung, da sie eine Vielzahl an Lebenssachverhalten berührt. Die Bilanzgarantie ist auch die Klausel, auf die Garantieempfänger (bei einer M&A-Transaktion der Käufer) häufig Ansprüche stützen. Daher überrascht es nicht, dass um den genauen Inhalt der Bilanzgarantie in Verhandlungen heftig gerungen wird. Trotzdem sind zahlreiche Detailfragen umstritten oder unklar. Nachfolgend erläutern wir einige Grundzüge, die einen Einstieg in die Thematik erleichtern.

1. Bestandteile der Bilanzgarantie

Eine typische käuferfreundliche Bilanzgarantie lautet etwa wie folgt:

The annual financial statements of the Company for the business years ended on December 31, 2013 and ended on December 31, 2014, which each consist of a balance sheet (Bilanz) and a profit and loss account (Gewinn- und Verlustrechnung) together with the notes (Anhang) and which are attached hereto together with explanatory notes as Annex (the “Financial Statements”) have been prepared in accordance with German GAAP (Berücksichtigung der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung). Such accounting principles have been applied consistently and without change with respect to the preceding years (Bilanzkontinuität). The Financial Statements are audited and each contain an unqualified audit certificate by [___]. The Financial Statements are complete and correct as of their respective balance sheet dates and as of the state of knowledge at their respective dates of preparation (Aufstellung).All reserves, provisions and accruals contained in the Financial Statements have been made in accordance with German GAAP. Inventories and intangible assets were reported in accordance with German GAAP. The Financial Statements give a true and fair view of the result of operations and financial position of the Company within the meaning of Section 264 para. 2 of the German Commercial Code (HGB) as at the respective date thereof.

Stets Bestandteil der Bilanzgarantie sind die Bilanz und die Gewinn- und Verlustrechnung. Nicht denknotwendigerweise gehören auch Anhang und Lagebericht zur Bilanzgarantie. Dies ist allerdings üblich. Besteht das zu erwerbende Unternehmen aus mehreren Gesellschaften, wird die Garantie mindestens auf den Konzernabschluss bezogen. Ob dies auch für die Einzelabschlüsse gilt (woran der Käufer ein Interesse haben kann), ist Verhandlungssache.

Bezug genommen wird meist auf den Abschluss des letzten vollen Geschäftsjahres, in besonderen Situationen auch auf den des Vorjahres. Eine Garantie bezogen auf weiter zurückliegende Geschäftsjahre ist unüblich.

Wenn ein Unternehmensteil gekauft wird, der erst kurz zuvor aus dem Rest der Unternehmensgruppe ausgegliedert wurde, existiert möglicherweise kein (testierter) Abschluss, auf den Bezug genommen werden kann. Hier bietet es sich an, die Garantie auf pro forma Bilanzen zu beziehen. Dabei sollte der Verkäufer darauf achten, dass diese dieselbe Richtigkeitsgewähr bieten, um sich keiner Garantieverletzung schuldig zu machen.

Wenn der letzte Abschluss bei Vertragsschluss schon weiter zurückliegt, kommt es vor, dass der Käufer verlangt, dass der Verkäufer neben dem Jahresabschluss auch Garantien auf Management Accounts (etwas BWAs) abgibt. Aus Sicht des Verkäufers ist dies problematisch, weil solche Zahlenwerke nach anderen Standards erstellt werden und eine geringere Richtigkeitsgewähr bieten. Eine Kompromisslösung kann darstellen, dass die Garantie diesbezüglich weicher formuliert wird als in Bezug auf den Abschluss (beispielsweise durch eine Bezugnahme auf das „beste Wissen“ des Verkäufers qualifiziert wird).

Inhaltlich stellt sich die Frage, ob die Bilanzgarantie lediglich die Einhaltung der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung (GoB), also der „generally accepted accounting principles“ (GAAP) zusichert, ob daneben der Abschluss ein „den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild“ der Lage des Zielunternehmens vermittelt („true and fair view“), oder ob sie gar „Richtigkeit und Vollständigkeit“ des Zahlenwerks versichert. Ob und welchen Unterschied dies macht, wird unten stehend noch problematisiert.

Schließlich kommt es vor, dass neben der Richtigkeit des Abschlusses als solchem auch die Richtigkeit einzelner Bilanzpositionen („line items“) zugesichert werden soll. Teilweise finden sich insofern äußerst detaillierte Formulierungen, in denen nahezu jede (mögliche) Bilanzposition gesondert aufgeführt wird; sicherlich ein sehr käuferfreundlicher Ansatz.

2. „Harte“ und „weiche“ Bilanzgarantie

Im Rahmen der Verhandlungen besteht der Käufer häufig auf eine „harte“ Bilanzgarantie, während der Verkäufer nur eine „weiche“ Bilanzgarantie abgeben möchte. Diese Begriffe werden jedoch nicht einheitlich gebraucht. Unter einer harten Bilanzgarantie kann man verstehen, dass die Bilanz insofern tatsächlich richtig sein muss, als das auch wertaufhellende Tatsachen (also Umstände, die erst nach Bilanzerstellung bekannt werden) ggf. zu einer Verletzung der Bilanzgarantie führen. Andererseits wird der Begriff der harten Bilanzgarantie auch so gebraucht, dass die Bilanz auf den Zeitpunkt des Stichtags betrachtet einen „true and fair view“ bietet, während die weiche Bilanzgarantie nur die Einhaltung der GoB bestätigt. Hier ist wiederum streitig, ob die Darstellung eines „true and fair view“ nicht ohnehin schon vollumfänglich Gegenstand der GoB ist. Richtigerweise ist dies insbesondere vor dem Hintergrund der diversen Wahlrechte bei der Bilanzierung nicht der Fall, so dass der Schutz einer „true and fair view“-Formulierung weitergehender ist als nur die Zusage der Einhaltung der GoB.

Eines ist jedoch in diesem Zusammenhang unstrittig: Eine Bilanz wird nicht dadurch unrichtig, dass sich der hinter einer Position stehende Lebenssachverhalt anders darstellt als angenommen. Fällt etwa ein Schuldner später aus, von dessen Zahlungsfähigkeit und -willigkeit der Verkäufer zum Zeitpunkt der Bilanzerstellung ausgehen konnte, macht dies die Bilanz, die eine entsprechende Forderung ausweist, nicht unrichtig (zumindest wenn kein Fall der Wertaufhellung, der von einer harten Bilanzgarantie umfasst wird, vorliegt).

Eine umfassende objektive Richtigkeitsgewähr erhält der Käufer vielmehr nur dann, wenn er sich auch die einzelnen Bilanzpositionen zusichern lässt, etwa indem formuliert wird, dass alle bestehenden Verbindlichkeiten in der Bilanz reflektiert sind. Das ist die härteste (und eine streng „objektive“, siehe hierzu noch unten) Form der Bilanzgarantie.

Vor diesem Hintergrund ist auch fraglich, ob der Käufer etwas dadurch gewinnt, dass er sich neben dem „true and fair view“ auch zusichern lässt, dass die Bilanz „complete and correct“ ist. Denn wenn sie den Anforderungen des HGB an die Darstellung der tatsächlichen Verhältnisse entspricht, kann man sich auf den Standpunkt stellen, dass sie „richtig“ bzw. „correct“ diesem Sinne sei.

3. „Objektive“ und „subjektive“ Bilanzgarantie

Anstelle der Unterscheidung zwischen „harter“ und „weicher“ Bilanzgarantie ist in der rechtswissenschaftlichen Literatur häufig auch von „objektiver“ und „subjektiver“ Bilanzgarantie die Rede. Auch insofern sind die Begrifflichkeiten allerdings nicht vollständig klar.

Jedenfalls ist eine Bilanzgarantie dann subjektiv, wenn der Verkäufer lediglich versichert, dass der Abschluss „nach seiner Kenntnis“ oder „nach seinem besten Wissen“ ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild vermittelt. Die Bezugnahme auf Kenntnis bedeutet, dass der Käufer dem Verkäufer nachweisen muss, dass dieser wusste, dass die Bilanz unrichtig ist. Da dies in der Praxis oftmals Schwierigkeiten begegnet, stellt dies eine sehr verkäuferfreundliche Formulierung dar. Anders ist dies bei der Bezugnahme auf „bestes Wissen“. Was hierunter zu verstehen ist, ist nicht ganz eindeutig, wird aber meist im Vertrag ausdrücklich definiert. Entweder bedeutet es, dass der Verkäufer grob fahrlässig über die Unrichtigkeit in Unkenntnis war; oder aber es soll auch Fälle der einfachen Fahrlässigkeit umfassen.

Teilweise wird aber auch für die Unterscheidung der oben bei der Unterscheidung zwischen weicher und harter Bilanzgarantie bereits ausgeführte Aspekt herangezogen, ob (nur) alle Ereignisse relevant sind, die bis zum Bilanzstichtag eingetreten und bis zur Aufstellung berücksichtigt werden mussten, oder ob wertaufhellende Tatsachen ebenfalls von Bedeutung sind. Diese Unklarheiten über die richtige Bezeichnung sind für die Praxis allerdings im Ergebnis ohne Belang, da es ohnehin stets auf die konkrete Formulierung der Garantie ankommt.

4. Umfang des Schadensersatzes

Heftig umstritten ist, ob der Käufer bei Verletzung der Bilanzgarantie Zahlung des Betrags verlangen kann, um den die Bilanz fehlerhaft ist (so genannter „Bilanzauffüllungsschaden“). Ist beispielsweise das Eigenkapital des Zielunternehmens wegen unterbliebener Rückstellungsbildung zu hoch ausgewiesen, könnte der Garantieempfänger nach dieser Theorie den Differenzbetrag als Schadensersatz geltend machen.

Nach einer Auffassung ist dies nicht der Fall. Der Schaden soll vielmehr in dem Betrag bestehen, um den der Käufer den Kaufpreis gemindert hätte, wenn er eine korrekte Bilanz vorgelegt bekommen hätte. Das muss nicht der identische Betrag sein, und er ist es in der Tat häufig nicht, etwa wenn der Käufer den vereinbarten Kaufpreis auf der Grundlage eines Ertragswertverfahrens berechnet hat (wodurch sich der geltend gemachte Schaden erhöhen kann). Mit anderen Worten soll es nicht auf die Herstellung einer „richtigen“ bilanziellen Situation ankommen (die auch gar nicht erfolgen kann, denn die bestehende Bilanz wird weder geändert noch wäre dem Käufer mit einer derartigen Änderung finanziell geholfen), sondern auf die Veränderung des Unternehmenswertes, den die Parteien der Einigung über den Kaufpreis zugrunde gelegt haben.

Der Verkäufer wird hiergegen einwenden, dass diese Berechnungen keinen Eingang in den Vertrag gefunden haben und daher für die Bestimmung des zu ersetzenden Schadens irrelevant sind.

Um solche Diskussionen zu vermeiden, empfiehlt es sich, die Methodik der Kalkulation des Schadens ausdrücklich im Vertrag festzulegen. Die für Schadensersatz bei Garantieverletzungen übliche und mit dem Gesetzeswortlaut (§ 249 Absatz 1 BGB) in Einklang stehende Klausel, dass der Zustand herzustellen ist, der bestünde, wenn der zum Schaden verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre, hilft nicht weiter. Denn ob dieser Zustand die Bilanzauffüllung oder die Änderung des Unternehmenswertes wäre, ist ja gerade umstritten.

5. Abschließende Hinweise

Wie eine Bilanzgarantie im konkreten Fall ausgestaltet sein sollte, hängt selbstverständlich davon ab, auf welcher Seite des Verhandlungstisches man sich befindet. Angesichts der beschriebenen Unklarheiten in Bezug auf die gebräuchlichen Standardformulierungen empfiehlt es sich jedoch, die wichtigsten Streitpunkte im Vertrag ausdrücklich zu klären. Hierzu gehören unter anderem die folgenden Fragen:

  • Kommt es auf die Kenntnis oder bestes Wissen des Verkäufers an oder muss die Bilanz kenntnisunabhängig den „true and fair view“ vermitteln?
  • Sind wertaufhellende Tatsachen zu berücksichtigen?
  • Soll Schadensersatz als „Bilanzauffüllungsschaden“ gewährt werden und falls nein, auf welcher Grundlage erfolgt die Schadensberechnung?

Generell ist nach dem Vorgesagten klar, dass der Formulierung der Bilanzgarantie besonderes Augenmerk geschenkt werden sollte. Idealerweise wirken im Zuge dessen alle Beteiligten (Mandant, Rechtsanwälte, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer) zusammen, um ein optimales Ergebnis zu erzielen und Know-how-Verluste auszuschließen.