Die Reform der Erbschaftsteuer –
Der Referentenentwurf des Bundesfinanzministeriums

Bekanntlich hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) mit Urteil vom 17.12.2014 Teile des Erbschaftsteuerrechts für verfassungswidrig erklärt. Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat nun am 2.6.2015 einen Referentenentwurf zur Anpassung des geltenden Rechts an die Vorgaben des BVerfG vorgelegt (ErbStG-E). Der Referentenentwurf orientiert sich stark an dem Eckpunktepapier von Bundesfinanzminister Schäuble vom Februar 2015 (vgl. GLNS Newsletter 1/2015 Beitrag 3). Der Gesetzesentwurf bringt zum Teil erhebliche nachteilige Änderungen mit sich. Das gilt nicht nur für Übertragungen von Betriebsvermögen mit einem Wert von über EUR 20 Mio., sondern auch für Kleinbetriebe mit bis zu 20 Arbeitnehmern, die nunmehr (erstmals) unter die Lohnsummenregel fallen sollen.

I. Grundkonzeption und Anpassungen

Die Grundkonzeption zur Vorschonung von betrieblichem Vermögen (§§ 13a, 13b ErbStG) bleibt erhalten. Der Erwerb von begünstigtem Betriebsvermögen ist weiterhin zu 85 % (Regelverschonung) bzw. zu 100 % (Optionsverschonung) steuerfrei, sofern die Anforderungen der Lohnsummenregelung und der Behaltensfristen erfüllt sind. Die bestehenden Regelungen sollen jedoch zur Schaffung eines verfassungsgemäßen Zustands insbesondere durch folgende Neuregelungen angepasst werden:

- Verschärfung bei der Lohnsummenregelung für Kleinstbetriebe;

- Neudefinition von begünstigtem und nicht begünstigtem Betriebsvermögen;

- Verschonungsprüfung für den Erwerb von großen Betrieben; sowie

- Abschmelzmodell als Option beim Erwerb großer Betriebe.

Durch die vorgeschlagenen Neuregelungen erhöht sich die Komplexität des Erbschaftsteuerrechts, insbesondere im Hinblick auf Bewertungsfragen, deutlich.

II. Einzelheiten des Gesetzentwurfs

1. Verschärfung der Lohnsummenregelung für Kleinbetriebe

Nach der sog. Lohnsummenregelung wird der Versorgungsabschlag nur gewährt, soweit die Lohnsumme des übertragenden Betriebs in den fünf Jahren nach Erwerb insgesamt 400 % der Ausgangslohnsumme (Regelverschonung) bzw. in den sieben Jahren nach Vermögensübergang 700 % der Ausgangslohnsumme (Optionsverschonung) nicht unterschreitet. Künftig sollen nur noch Kleinstbetriebe mit nicht mehr als drei Beschäftigten (bislang 20 Beschäftigte) von der sog. Lohnsummenregelung befreit sein (§ 13a Abs. 3 ErbStG-E).

Bei Betrieben mit vier bis zehn Beschäftigten soll eine verminderte Lohnsumme von 250 % der Ausgangslohnsumme (Regelverschonung) bzw. 500 % (Optionsverschonung) zur Anwendung kommen. Bislang waren Betriebe dieser Größe nicht von der Lohnsummenregelung erfasst.

2. Abgrenzung von begünstigtem und nicht begünstigtem Betriebsvermögen

Der bisherige Verwaltungsvermögenstest soll abgeschafft werden und durch eine Neukonzeption des begünstigen Betriebsvermögens (§ 13b ErbStG-E) ersetzt werden.

Danach soll künftig nur noch solches Vermögen begünstigt sein, das jeweils überwiegend dem originär land- und forstwirtschaftlichen, gewerblichen oder freiberuflichen Hauptzweck des Unternehmens dient. Diese Abgrenzung muss für jedes einzelne Wirtschaftsgut vorgenommen werden. Finanzmittel (bspw. Zahlungsmittel, (Geld-)Forderungen, Geschäftsguthaben) sollen nach Maßgabe des sog. Finanzmitteltests – wie bisher – (ggf. teilweise) zu dem begünstigen Vermögen gehören. Schulden sind quotal beim begünstigten und nicht begünstigten Vermögen abzuziehen.

Zur Schaffung eines gewissen Finanzierungspuffers soll nicht begünstigtes Vermögen in Höhe von bis zu 10 % des begünstigten Betriebsvermögens pauschal wie be¬günstigtes Betriebsvermögen behandelt werden (§ 13a Abs. 6 ErbStG-E).

Bei mehrstöckigen Gesellschaftsstrukturen soll – zur Vermeidung von sog. Kaskadeneffekten und den daraus resultierenden Gestaltungsspielräumen – künftig das begünstigte Vermögen auf Grundlage einer konsolidierten Betrachtung ermittelt werden (§ 13a Abs. 7 ErbStG-E).

3. Verschonungsprüfung für den Erwerb großer Betriebe / Einbeziehung des Privatvermögens des Erwerbers

Mit besonderer Spannung wurde erwartet, wie die Vorgaben des BVerfG hinsichtlich einer Bedürfnisprüfung beim Erwerb von Großunternehmen umgesetzt würden.

Nach dem Referentenentwurf soll eine Prüfung des Verschonungsbedürfnisses erfolgen, wenn der Wert des begünstigt erworbenen Betriebsvermögens – nicht der Wert des Betriebs selbst – die Freigrenze von EUR 20 Mio. je Schenker/Erblasser übersteigt (§ 13a Abs. 9 ErbStG-E). Diese Freigrenze erhöht sich auf EUR 40 Mio. wenn der Gesellschaftsvertrag für Familienunternehmen typische Beschränkungen hinsichtlich Entnahme und Ausschüttung, Anteilsverfügung und Abfindung bei Ausscheiden enthält, wobei diese gesellschaftsvertraglichen Regelungen zehn Jahre vor und 30 Jahre (!) nach dem Erwerb bestehen müssen. Für die Ermittlung der Freigrenze sind die Erwerbe der letzten zehn Jahre zusammenzufassen.

Bei Überschreiten der Freigrenze kann der Erwerber zwischen der Verschonungsbedarfsprüfung mit ggf. anteiligem Erlass der Steuer und einem reduzierten Verschonungsabschlag (sog. Abschmelzmodell) wählen.

a) Verschonungsbedarfsprüfung und ggf. Steuererlass

Wird die Verschonungsbedarfsprüfung gewählt, so wird auf Antrag Steuer erlassen, soweit der Erwerber nachweist, dass er persönlich nicht in der Lage ist, die Steuer aus seinem „verfügbaren Vermögen“ zu begleichen (§ 28a ErbStG-E). Das „verfügbare Vermögen“ ist unter Einbeziehung von 50 % des übergangenen nicht begünstigten Vermögens sowie 50 % des bereits bestehenden Privatvermögens des Erwerbers zu ermitteln. Im Rahmen der Verschonungsbedarfsprüfung muss der Erwerber seine gesamten Vermögensverhältnisse offen legen und entsprechend bewerten, die gilt bspw. auch für Immobilien und Beteiligungen.

b) Abschmelzmodell als Option beim Erwerb von großen Betriebsvermögen

Alternativ zu der Verschonungsbedarfsprüfung kann der Erwerber eines großen Betriebsvermögens einen abschmelzenden Verschonungsabschlag wählen (§ 13c ErbStG-E). Danach verringert sich der Verschonungsabschlag um jeweils einen Prozentpunkt für jede volle EUR 1,5 Mio., die der Wert des begünstigten Vermögens den Betrag von EUR 20 Mio. übersteigt. Übersteigt der Wert des begünstigten Betriebsvermögens EUR 110 Mio., wird auf Antrag ein Mindest-Verschonungsabschlag von 25 % (Regelverschonung) bzw. 40 % (Optionsverschonung) gewährt.

Der Erwerber hat sowohl bei der Anwendung der Verschonungsbedarfsprüfung als auch beim Abschmelzmodell die Lohnsummenregelung bzw. die Behaltensfristen zu beachten.

III. Ausblick

Ob der ursprüngliche Zeitplan, das Gesetzgebungsverfahren bis Ende 2015 abzuschließen, eingehalten werden kann, ist angesichts der politischen Diskussionen zweifelhaft. Spätestens bis zum 30.6.2016 muss der Gesetzgeber nach den Vorgaben des BVerfG eine verfassungskonforme Neuregelung schaffen.

Nach dem derzeitig vorliegenden Gesetzentwurf sollen die Änderungen mit der Verkündung des Gesetzes in Kraft treten; die befürchtete rückwirkende Neufassung des ErbStG für „exzessive Gestaltung“ ist erst einmal vom Tisch. Grundsätzlich können Vermögensübertragungen daher bis zum Inkrafttreten der Neuregelung noch unter der bisher bestehenden Rechtslage erfolgen, wobei hinsichtlich exzessiver Gestaltungen weiterhin Vorsicht geboten ist. Aufgrund der dargestellten Verschärfungen sollte geprüft werden, ob eine vorgezogene Übertragung unter Ausnutzung der bisherigen Rechtslage in Betracht kommt. Ein entsprechender Handlungsbedarf besteht insbesondere für die Übertragung von großen Betriebsvermögen mit einem Wert von über EUR 20 Mio., Unternehmen mit großem Verwaltungsvermögen aber auch bei kleineren Unternehmen mit weniger als 20 Beschäftigten.