Plötzlich im Rampenlicht: Investitionsschutz und Investitions­schiedsgerichtsbarkeit (in a nutshell)

Es geht um Schattenjustiz hinter verschlossenen Türen, um erkaufte Urteile und die Aushöhlung von Demokratie und Rechtsstaat. In diese Richtung zielt jedenfalls ein Großteil der gängigen Berichterstattung über das zwischen der EU und den USA ausgehandelte Freihandelsabkommen TTIP und insbesondere über den hierin vorgesehenen Investorenschutz. Die EU-Bürger scheinen diese Vorbehalte zu teilen: In einer aktuell im Januar veröffentlichten Umfrage der EU-Kommission lehnten 97% der Befragten die im TTIP geplante Investorenschutzklausel komplett ab (http://europa.eu/rapid/press-release_IP-15-3201_de.htm). Spektakuläre aktuelle Rechtsstreitigkeiten wie beispielsweise die Schadensersatzklage des Unternehmens Vattenfall gegen die Bundesrepublik Deutschland wegen der Stilllegung der Kernkraftwerke Brunsbüttel und Kümmel befeuern diese Skepsis. Dagegen wird in der juristischen Fachpresse nach einer Versachlichung der Diskussion und nach mehr Unterstützung durch die mit Schiedsverfahren vertrauten Juristen gerufen. Kurz: Selten gibt es ein solches Thema, das Juristen wie Nichtjuristen gleichermaßen bewegt. Dieser Beitrag soll eine kurze Einführung in Historie und Grundzüge des Investitionsschutzes und -schiedsgerichtsbarkeit liefern.

Historie

Investitionsschutz ist kein unbekanntes Phänomen: Allein Deutschland hat seit über 50 Jahren mit aktuellem Stand knapp 150 Investitionsschutzabkommen abgeschlossen, meist so genannte „Bilateral Investment Treaties“ („BITs“) (http://investmentpolicyhub.unctad.org/IIA/CountryBits/78#iiaInnerMenu). BITs sind völkerrechtliche Verträge zwischen dem Heimatstaat eines Unternehmens und demjenigen Staat, in dem die Investition getätigt wird („Gaststaat“). In diesen Verträgen verpflichten sich die vertragsschließenden Staaten den Unternehmen („Investor“) des jeweils anderen Staates bestimmte Schutzstandards zu gewähren. Zur Durchsetzung dieses Schutzes hat der betroffene Investor die Möglichkeit, etwaige Ansprüche gegen den Gaststaat vor internationalen Schiedsgerichten geltend zu machen. Zweck dieser Verträge ist es, international agierende Unternehmen vor willkürlicher Behandlung der Regierungen ihrer Gastländer zu schützen. Daneben erhoffen sich die Vertragsstaaten natürlich auch einen zusätzlichen Investitionsanreiz. Geschätzt existieren weltweit über 2.000 BITs. Daneben existiert auch eine Vielzahl von multilateralen Abkommen wie beispielsweise das Energy Charter Treaty zur Regelung internationaler Energiebeziehungen.

Ausgestaltung des Investitionsschutzes

Inhaltlich verpflichten Investitionsschutzabkommen die Vertragsstaaten gegenüber den Investoren zur Einhaltung bestimmter festgelegter Schutzstandards. Zu den üblicherweise vereinbarten Schutzstandards gehören insbesondere der Schutz vor unrechtmäßiger Enteignung durch den Gaststaat, die Zusicherung gerechter und billiger Behandlung sowie Inländergleichbehandlung. Eindeutiges Beispiel für eine unrechtmäßige Enteignung ist die unberechtigte Rücknahme von Lizenzen zur Stromversorgung. Sehr viel umstrittener und schwieriger einzuordnen sind legitime Regulierungsinteressen der Staaten und legislative Maßnahmen wie beispielsweise die Beurteilung der Konsequenz des deutschen Atomausstieges für Stromkonzerne. Die meisten Investitionsschiedsverfahren werden durch das International Center for Settlement of Investment Disputes (ICSID), ein bei der Weltbank angehängtes unabhängiges Institut für Investitionsschiedsverfahren mit Sitz in Washington D.C., durchgeführt. Das Verfahren ist in seinen wesentlichen Grundzügen durch die ICSID-Convention und weitere ICSID Vorschriften festgelegt. Mit Vereinbarung eines ICSID Schiedsverfahrens ist die Anrufung nationaler Gerichte ausgeschlossen. Geregelt ist unter anderem die Besetzung der Schiedsgerichte: Können sich die Parteien nicht auf die Zahl der Schiedsrichter einigen, besteht das Schiedsgericht aus drei Schiedsrichtern, wobei jede Partei einen Schiedsrichter ernennt und der vorsitzende Schiedsrichter im gegenseitigen Einvernehmen von den Parteien bestimmt wird. Die Benennung eines Schiedsrichters der eigenen Nationalität ist dabei nur zulässig, wenn die andere Partei zustimmt. Fehlenden Schiedsrichter werden durch das ICSID anhand eines Schiedsrichterverzeichnisses bestellt, für das jeder Vertragsstaat vier Personen benennen kann, die bestimmte fachliche Qualifikationen und ihre Unabhängigkeit nachweisen müssen (diese Pflicht treffen auch die von den Parteien benannten Schiedsrichter). Mündliche Verhandlungen finden nicht öffentlich statt, Schiedssprüche werden grundsätzlich nur mit Zustimmung der Parteien veröffentlicht. Allerdings wirkt das ICSID regelmäßig auf eine solche Zustimmung hin, zudem werden Auszüge aus den rechtlichen Ausführungen des Schiedsgerichts zu veröffentlichen. Zu Beginn eines jeden Verfahrens werden zudem die Parteien, die Prozessbevollmächtigten und die Besetzung des Schiedsgerichts veröffentlicht, im weiteren Verlauf dann der jeweilige Verfahrensstand. Die Verhandlungen über Art und Umfang des Investorenschutzes im Rahmen des TTIP sind momentan ausgesetzt, es sollen zunächst die Ergebnisse der EU-Studie ausgewertet werden. Anhaltspunkte für eine mögliche Richtung gibt jedoch der Entwurf des zwischen der EU und Kanada verhandelten Freihandelsabkommens (CETA): Unter anderem werden dort die gewährten Schutzstandards konkreter als bisher definiert, bzw. bestimmte Sachverhalte vom Schutz generell ausgenommen (Maßnahmen zum Schutz von Gesundheit, Sicherheit oder Ordnung) sowie die Öffentlichkeit der Verhandlungen und die Veröffentlichung aller Schiedssprüche vorgeschrieben.

Resümee

Über völkerrechtlich statuierten gesonderten Schutz für Investoren lässt sich wohl diskutieren; die Gefahr missbräuchlicher Inanspruchnahme von Investitionsschutz ist real, der volkswirtschaftliche Nutzen umstritten. Die Durchsetzung eines etwaigen Investitionsschutzes durch Schiedsgerichte ist allerdings sachgerecht. Von einem Richter kann nur schwer eine neutrale Entscheidung über ein Verfahren gegen seinen Heimatstaat verlangt werden. Internationale Schiedsgerichte sind keine willkürlich agierenden Privatgerichte, die sich ihre Urteile von der meistbietenden Partei erkaufen lassen sondern sind an bestehende Regeln und Gesetze gebunden. Es bleibt abzuwarten, inwieweit das TTIP diesem Vorurteil entgegenwirken wird.