Drohende Änderung: Besteuerung von Veräußerungsgewinnen von Beteiligungen unter 10 %

Die derzeitige Steuerfreiheit von Gewinnen aus der Veräußerung von Beteiligungen an Kapitalgesellschaften, die Körperschaften unabhängig von der Beteiligungshöhe gewährt wird, steht weiterhin auf dem Prüfstand. Nachdem bereits die Steuerfreiheit von sog. Streubesitzdividenden aufgehoben wurde, droht nun auch die Besteuerung von Veräußerungsgewinnen aus Beteiligungen von unter 10 %. Dies ist nicht nur steuersystematisch fragwürdig, sondern hat auch erhebliche negative Auswirkungen auf die Bereitschaft zur Verfügungstellung von Venture Capital.

Derzeit sind Gewinne aus der Veräußerung von Beteiligungen an anderen Kapitalgesellschaften nach § 8b KStG im Ergebnis zu 95 % steuerfrei, unabhängig davon, wie hoch die Beteiligung an der Gesellschaft ist. Bis vor kurzem waren auch Dividenden aus Beteiligungen an anderen Kapitalgesellschaften nach § 8b KStG grundsätzlich steuerfrei, ohne dass es auf die Höhe der Beteiligung angekommen wäre. Durch die Neuregelung des § 8b Abs. 4 KStG durch das EuGHDivUmsG gilt die Steuerfreiheit für Dividenden nach dem 28.02.2013 aber nur noch, wenn die Beteiligung an der ausschüttenden Kapitalgesellschaft – vereinfacht – mindestens 10 % beträgt (siehe hierzu auch unseren Newsletter 2/2013).

Bereits im damaligen Gesetzgebungsverfahren zum EuGHDivUmsG wurde auch die Einschränkung der Veräußerungsgewinnbefreiung für sog. Streubesitzbeteiligungen unter 10 % vor allem von Seiten der Bundesländer vorgeschlagen und diskutiert. Eine entsprechende Regelung hat jedoch keinen Eingang in das Gesetz gefunden. Die Bundesregierung behielt sich jedoch vor, die Steuerfreiheit der Veräußerungsgewinne aus Streubesitzbeteiligungen „ergebnisoffen“ zu prüfen.

Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zum Zollkodex-Anpassungsgesetz (JStG 2015) wurde von Seiten der Bundesländer erneut der Versuch unternommen, die Steuerfreiheit von Veräußerungsgewinnen aus Streubesitzbeteiligungen abzuschaffen. Auch wenn eine entsprechende Regelung im Ergebnis nicht umgesetzt wurde, ist das entsprechende Vorhaben nicht gänzlich von der Agenda des Gesetzgebers verschwunden. Es muss derzeit wohl damit gerechnet werden, dass in den nächsten Monaten ein entsprechender Gesetzesentwurf präsentiert wird, der die Veräußerungsgewinnbefreiung nach § 8b KStG dahingehend einschränkt, dass diese nur dann Anwendung findet, wenn eine Beteiligung an einer anderen Kapitalgesellschaft in Höhe von mindestens 10 % besteht. Würde sich die Neuregelung an den Regelungen zu den Streubesitzdividenden nach § 8b Abs. 4 KStG orientieren, wäre entscheidend, ob zum Zeitpunkt des Beginns des jeweiligen Kalenderjahres eine entsprechende unmittelbare Beteiligung in Höhe von 10 % oder mehr vorliegt. Unterjährige Hinzuerwerbe von Beteiligungen wären dann in der Systematik des derzeitigen § 8b Abs. 4 KStG für die Ermittlung der Beteiligungshöhe mit einzubeziehen.

Wie schon die Regelung des § 8b Abs. 4 KStG zu Streubesitzdividenden, wäre auch eine Begrenzung der Steuerfreiheit von Veräußerungsgewinnen auf Beteiligung von 10 % oder mehr steuersystematisch verfehlt. Darüber hinaus stellen sich Folgefragen hinsichtlich bereits zum Zeitpunkt der möglichen Gesetzesänderung bestehenden stillen Reserven in den Streubesitzbeteiligungen. Im Hinblick auf die zu ähnlichen Fallkonstellationen ergangene Rechtsprechung, wäre es geboten, stille Reserven, die bis zum Zeitpunkt der entsprechenden Gesetzesänderung entstanden sind, unabhängig von der Beteiligungshöhe nach dem alten Regime des § 8b KStG im Ergebnis als zu 95 % steuerfrei zu behandeln (sog. grandfathering). Lediglich zeitlich nach dem Inkrafttreten der Gesetzesänderung entstehende stille Reserven sollten von der möglichen Gesetzesänderung bzw. dann von der Einschränkung des § 8b KStG betroffen sein. Es bleibt abzuwarten, ob die Finanzverwaltung diese dogmatisch gebotene Unterscheidung bereits in ihren Gesetzesentwurf aufnehmen wird, oder ob die betroffenen Steuerpflichtigen auf langwierigem Rechtsweg diese gebotene Unterscheidung erst erstreiten müssen.

Aus unserer Sicht wäre eine Besteuerung von Veräußerungsgewinnen aus Steuerbesitzbeteiligungen steuersystematisch verfehlt und hätte zudem erhebliche Auswirkungen insbesondere auf Venture Capital-Gesellschaften und Start-Ups. Gerade in diesen Bereichen ist es essentiell, dass Investoren, die in nachfolgenden Finanzierungsrunden teilweise erheblich verwässert werden, von der grundsätzlichen Steuerfreiheit von Veräußerungsgewinnen aus Beteiligungen an Kapitalgesellschaften auch dann profitieren, wenn ihre Beteiligung unter 10 % absinkt. Andernfalls könnten betroffene Gesellschafter könnten versuchen, weitere gebotene Finanzierungsrunden zum Nachteil der Gesellschaft zu blockieren, um eine Verwässerung unter die 10 %-Grenze zu verhindern. Der Gesetzgeber hat zwar an verschiedenen Stellen bereits darauf hingewiesen, dass Venture Capital und Start-Ups ggf. von einer Sonderregelung profitieren könnten. Es bleibt aber abzuwarten, ob es dazu kommt und wie eine solche Sonderregelung ausgestaltet wäre.

Sollte sich der Gesetzgeber tatsächlich dazu entschließen, Veräußerungsgewinne aus Streubesitzbeteiligungen der normalen Besteuerung zu unterwerfen, sollten mögliche Gestaltungsoptionen hinsichtlich bestehender Beteiligungen und bei geplanten Erwerben von Beteiligungen geprüft werden.