Neues im Aktienrecht – Änderungen zur Qualifikation von Aufsichtsratsmitgliedern und zu den Aufgaben des Prüfungsausschusses
Der Bundestag hat in seiner Sitzung vom 17. März 2016 das Gesetz zur Umsetzung der prüfungsbezogenen Regelungen der Richtlinie 2014/56/EU sowie zur Ausführung der entsprechenden Vorgaben der Verordnung (EU) Nr. 537/2014 im Hinblick auf die Abschlussprüfung bei Unternehmen von öffentlichem Interesse („Abschlussprüfungsreformgesetz“) verabschiedet. Das Gesetz enthält wichtige Neuerungen zur Qualifikation von Aufsichtsratsmitgliedern und zu den Aufgaben des Prüfungsausschusses.
Die folgende Darstellung gibt einen Überblick über die wesentlichen Regelungen:
1. Neuerungen im Hinblick auf den unabhängigen Finanzexperten
Nach bisheriger Rechtslage muss bei kapitalmarktorientierten Aktiengesellschaften, insbesondere also bei börsennotierten Aktiengesellschaften, mindestens ein unabhängiges Mitglied des Aufsichtsrats über Sachverstand auf den Gebieten der Rechnungslegung oder Abschlussprüfung verfügen. Durch das Abschlussprüfungsreformgesetz wird das Unabhängigkeitserfordernis für den Finanzexperten im Aufsichtsrat gestrichen. Hintergrund ist eine Regelung der überarbeiteten EU-Abschlussprüferrichtlinie, wonach die Mitgliedstaaten auf spezifische Unabhängigkeitsanforderungen für die Mitglieder des Prüfungsausschusses verzichten können. Vor diesem Hintergrund hat der deutsche Gesetzgeber auf das Unabhängigkeitserfordernis des Finanzexperten im Aufsichtsrat insgesamt verzichtet. Zukünftig können damit auch die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat den sachverständigen Finanzexperten stellen; bislang war umstritten, ob die Arbeitnehmervertreter spezifische Unabhängigkeitsanforderungen erfüllen. Allerdings bleiben die weiterreichenden Unabhängigkeitsanforderungen des Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK), wonach dem Aufsichtsrat eine nach seiner Einschätzung angemessene Anzahl unabhängiger Mitglieder angehören und der Vorsitzende des Prüfungsausschusses unabhängig sein soll, bestehen.
Gleichzeitig wird der Kreis der Gesellschaften, die über einen sachverständigen Finanzexperten im Aufsichtsrat verfügen müssen, erweitert. In Umsetzung der EU-Abschlussprüferrichtlinie muss zukünftig auch bei bestimmten nicht-kapitalmarktorientierten Unternehmen von öffentlichem Interesse, namentlich bei bestimmten Kreditinstituten und Versicherungsunternehmen, ein Mitglied des Aufsichtsrats sachverständig auf den Gebieten der Rechnungslegung oder Abschlussprüfung sein.
2. Strengere Anforderungen an die Qualifikation von Aufsichtsratsmitgliedern
Mit dem Abschlussprüfungsreformgesetz werden die Anforderungen an die fachliche Qualifikation von Aufsichtsratsmitgliedern und von Mitgliedern des Prüfungsausschusses verschärft. Zukünftig ist erforderlich, dass sowohl die Mitglieder des Aufsichtsrats, wie auch die Mitglieder des Prüfungsausschusses jeweils in ihrer Gesamtheit mit dem Sektor, in dem die Gesellschaft tätig ist, vertraut sind.
Allerdings bedeutet dies nicht, dass jedes Mitglied des Aufsichtsrats im Vorfeld seiner Bestellung praktische Erfahrungen oder Kenntnisse in dem Sektor gesammelt haben muss, in dem das Unternehmen tätig ist. Vielmehr kann eine entsprechende Vertrautheit im Einzelfall etwa auch dann gegeben sein, wenn einzelne Mitglieder des Aufsichtsrats oder des Prüfungsausschusses durch intensive Weiterbildungen die erforderlichen Sektorkenntnisse erworben haben oder sie im Beteiligungsmanagement oder als langjährige Angehörige der beratenden Berufe einen tiefgehenden Einblick in den entsprechenden Sektor gewonnen haben.
3. Erweiterung der Aufgaben des Prüfungsausschusses
Das Abschlussprüfungsreformgesetz führt darüber hinaus zu einer Erweiterung der Aufgaben des Prüfungsausschusses. Bei kapitalmarktorientierten Aktiengesellschaften hat sich der Vorschlag des Aufsichtsrats an die Hauptversammlung zur Wahl des Abschlussprüfers auf die Empfehlung des Prüfungsausschusses zu stützen. Nach bisheriger Rechtslage befasst sich der Prüfungsausschuss insbesondere mit der Unabhängigkeit des Abschlussprüfers und der Überwachung seiner Tätigkeit; neu geregelt ist nunmehr die ausdrückliche gesetzliche Aufgabe des Prüfungsausschusses, sich auch mit der Auswahl des Abschlussprüfers zu befassen, namentlich also gegenüber dem Aufsichtsrat Wahlempfehlungen abzugeben.
Der Prüfungsausschuss kann außerdem zukünftig Empfehlungen und Vorschläge zur Gewährleistung der Integrität des Rechnungslegungsprozesses unterbreiten. Auch muss der Prüfungsausschuss – oder, falls die Gesellschaft keinen Prüfungsausschuss eingerichtet hat, der Aufsichtsrat – in Zukunft vorab seine Zustimmung erteilen, wenn der Abschlussprüfer bestimmte zulässige Steuerberatungsleistungen erbringen soll.
4. Anzahl der Mitglieder des Aufsichtsrats einer (dualistischen) SE
Bereits mit dem Gesetz zur Änderung des Aktiengesetzes vom 22. Dezember 2015 („Aktienrechtsnovelle 2016“, hierzu GLNS-Newsletter 1/2016) wurde der Grundsatz abgeschafft, wonach die Anzahl der Mitglieder des Aufsichtsrats einer Aktiengesellschaft generell durch drei teilbar sein muss. Nach der Neuregelung im Aktienrecht muss die Anzahl der Aufsichtsratsmitglieder nur dann durch drei teilbar sein, wenn dies zur Erfüllung mitbestimmungsrechtlicher Vorgaben, namentlich des Drittelbeteiligungsgesetzes, erforderlich ist.
Nach den Erwägungen des Gesetzgebers zur Einführung der Europäischen Aktiengesellschaft (Societas Europaea, SE) darf die SE grundsätzlich nur aufgrund sachlicher Rechtfertigungsgründe anders behandelt werden als Aktiengesellschaften nach dem nationalen Recht der Mitgliedstaaten. Vor diesem Hintergrund war seit Inkrafttreten der Aktienrechtsnovelle 2016 umstritten, ob die Abschaffung der generellen Dreiteilbarkeit der Mitgliederzahl im Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft auch auf die SE anzuwenden ist. Eine der Neuregelung des Aktiengesetzes entsprechende Vorschrift wird nunmehr auch für die SE eingeführt und damit der entsprechende Gleichlauf hergestellt; zukünftig muss die Anzahl der Mitglieder des Aufsichtsrats einer (dualistischen) SE nur dann durch drei teilbar sein, wenn dies für die Beteiligung der Arbeitnehmer aufgrund des SE-Beteiligungsgesetzes erforderlich ist. Erfasst sind damit die Fälle, in denen aufgrund einer Vereinbarung über die Beteiligung der Arbeitnehmer in der Europäischen Aktiengesellschaft (sog. Arbeitnehmerbeteiligungsvereinbarung) oder aufgrund der Anwendung der gesetzlichen Auffangregelung eine Dreiteilbarkeit des Aufsichtsrats erforderlich ist.
5. Inkrafttreten
Das Abschlussprüfungsreformgesetz tritt am 17. Juni 2016 in Kraft. Damit müssen insbesondere die Neuregelungen zur Besetzung des Aufsichtsrats verpflichtend erst für solche Aufsichtsratsmitglieder angewendet werden, die nach dem 17. Juni 2016 bestellt werden. Die Neuregelung zur Mitgliederzahl des Aufsichtsrats einer dualistischen SE tritt hingegen bereits am Tag nach der Verkündung im Bundesgesetzblatt in Kraft.