Änderungen im Aktienrecht – Aktienrechtsnovelle 2016 in Kraft getreten
Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 18. Dezember 2015 das vom Bundestag am 12. November 2015 beschlossene Gesetz zur Änderung des Aktiengesetzes („Aktienrechtsnovelle 2016“) gebilligt. Durch das Gesetz sollen die Beteiligungsverhältnisse bei Aktiengesellschaften transparenter gemacht sowie die Finanzierung von Aktiengesellschaften flexibilisiert werden. Daneben enthält das Gesetz einige weitere Neuerungen im Detail sowie Regelungen, die bestehende Streitfragen in der Praxis klären oder frühere Redaktionsversehen bereinigen. Das Gesetz ist – mit Ausnahme der neuen Regelung zur Fälligkeit des Dividendenanspruchs, hierzu unten, Ziffer 6. – am 31. Dezember 2015 in Kraft getreten.
Die nachfolgenden Ausführungen geben einen Überblick über die wesentlichen Änderungen:
1. Aufhebung der generellen Dreiteilbarkeit der Anzahl der Mitglieder des Aufsichtsrats
Die Anzahl der Mitglieder des Aufsichtsrats muss nach Inkrafttreten der Aktienrechtsnovelle 2016 grundsätzlich nicht mehr durch drei teilbar sein. Vielmehr kann die Anzahl der Aufsichtsratsmitglieder künftig frei in der Satzung bestimmt werden. Allerdings gilt die Dreiteilbarkeit der Anzahl der Aufsichtsratsmitglieder weiterhin, wenn mitbestimmungsrechtliche Vorgaben dies erfordern; in der Praxis ist dies (nur) dann der Fall, wenn auf die Gesellschaft das Drittelbeteiligungsgesetz (DrittelBG) Anwendung findet. Nicht geändert wurde hingegen die Mindestanzahl von Aufsichtsratsmitgliedern; der Aufsichtsrat muss also weiterhin aus mindestens drei Mitgliedern bestehen.
Ziel der Regelung ist es, die Flexibilität bei der Ausgestaltung des Aufsichtsrats, insbesondere bei kleinen Aktiengesellschaften, zu erhöhen.
2. „Umgekehrte“ Wandelanleihe
Wandelschuldverschreibungen konnten bislang nur in der Form ausgegeben werden, dass sie dem Gläubiger ein Recht gewährten, die Wandlung der Anleihe, d.h. den Umtausch in Aktien, zu verlangen. Aufgrund der Neuregelung durch die Aktienrechtsnovelle 2016 können künftig auch Wandelschuldverschreibungen ausgegeben werden, bei denen – gleichsam „umgekehrt“ – der Schuldnerin, mithin der Gesellschaft, ein Recht eingeräumt wird, den Umtausch der Anleihe in Aktien zu verlangen. Um die Bedienung der Wandelanleihe durch die Gewährung von Aktien zu ermöglichen, kann bedingtes Kapital geschaffen werden. Die bisher bestehende Begrenzung bei der Schaffung bedingten Kapitals von 50% des vorhandenen Grundkapitals gilt künftig nicht mehr, wenn die bedingte Kapitalerhöhung nur zu dem Zweck beschlossen wird, der Gesellschaft einen Umtausch zu ermöglichen, um hierdurch eine drohende Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung abzuwenden.
Ziel der Regelung ist es, Aktiengesellschaften eine größere Flexibilität bei der Finanzierung, insbesondere in Notsituationen, einzuräumen.
3. Beschränkungen für die Ausgabe von Inhaberaktien
Der Regelfall für Aktien ist künftig die Namensaktie; das bislang bestehende Wahlrecht zwischen Inhaber- und Namensaktien wurde mit der Aktienrechtsnovelle 2016 aufgegeben. Uneingeschränkt zulässig ist die Ausgabe von Inhaberaktien nur noch bei börsennotierten Aktiengesellschaften. Nicht börsennotierte Aktiengesellschaften können Inhaberaktien nur noch dann ausgeben, wenn der Anspruch des Aktionärs auf Einzelverbriefung seiner Aktien ausgeschlossen ist und die Inhaberaktien in einer Sammelurkunde verbrieft sind, die wiederum bei einer Wertpapiersammelbank oder einem Zentralverwahrer hinterlegt werden muss. Solange die Hinterlegung nicht erfolgt ist, muss für die Inhaberaktien ein Aktienregister geführt werden und die Aktionäre müssen so behandelt werden, wie wenn die Aktien auf den Namen lauten würden.
Für bereits errichtete Gesellschaften gilt weitreichender Bestandsschutz: Die Beschränkungen gelten nicht für Aktiengesellschaften, deren Satzung vor Inkrafttreten der Aktienrechtsnovelle 2016 durch notarielle Beurkundung festgestellt wurde; für sie bleibt es zeitlich unbeschränkt bei der freien Wählbarkeit zwischen Inhaber- und Namensaktien.
Ziel der Regelung ist es, die Beteiligungsverhältnisse bei nicht börsennotierten Aktiengesellschaften transparenter zu machen; dies soll insbesondere verhindern, dass die Beteiligung an der Gesellschaft für Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung missbraucht wird. Börsennotierte Gesellschaften sind von der Neuregelung ausgenommen, weil die erforderliche Transparenz nach Ansicht des Gesetzgebers bereits durch die kapitalmarktrechtlichen Publizitätspflichten hinreichend gewährleistet ist.
4. Stimmrechtslose Vorzugsaktien ohne Anspruch auf Nachzahlung
Stimmrechtslose Vorzugsaktien können künftig ohne zwingend nachzuzahlenden Vorzug ausgegeben werden. Bis zum Inkrafttreten der Aktienrechtsnovelle 2016 war die Ausgabe stimmrechtsloser Vorzugsaktien nur in der Form möglich, dass den Inhabern ein Anspruch auf Nachzahlung bei der Gewinnverteilung eingeräumt wurde; wurde die Vorzugsdividende nicht gezahlt, hatten die Vorzugsaktionäre zwingend einen Nachzahlungsanspruch. Nach neuer Rechtslage ist der Nachzahlungsanspruch nicht mehr zwingendes Ausstattungsmerkmal stimmrechtsloser Vorzugsaktien. Vielmehr kann die Satzung vorsehen, dass die Nachzahlung ausgeschlossen ist. Den Gesellschaften steht es daher frei, Vorzugsaktien mit oder ohne Nachzahlungsrecht zu schaffen.
Wird der Vorzug nicht gezahlt, steht den Vorzugsaktionären in beiden Fällen als Kompensation ein Stimmrecht zu. Sind die Vorzugsaktien dahingehend ausgestaltet, dass der Vorzug nicht nachzuzahlen ist – beinhalten also die Aktien kein Nachzahlungsrecht zugunsten der Vorzugsaktionäre –, so entsteht das Stimmrecht bereits dann, wenn der Vorzug in einem Jahr nicht oder nicht vollständig gezahlt wird; das Stimmrecht erlischt, sobald der Vorzug in einem Jahr vollständig gezahlt wird. Sind hingegen die Vorzugsaktien mit einem Nachzahlungsanspruch ausgestattet, so entsteht das Stimmrecht, wenn der Vorzugsbetrag in einem Jahr nicht oder nicht vollständig gezahlt wird und im nächsten Jahr nicht neben dem vollen Vorzug für dieses Jahr nachgezahlt wird; das Stimmrecht besteht in diesem Fall solange, bis die Rückstände gezahlt sind.
5. Ermittlung der Vorbesitzzeit und Haltefrist bei Einberufungs- und Tagesordnungsergänzungsverlangen
Die Aktienrechtsnovelle 2016 enthält unter anderem auch eine Klarstellung zur Frage der Vorbesitzzeit von Aktien bei einem Verlangen von Minderheitsaktionären auf Einberufung der Hauptversammlung oder auf Ergänzung der Tagesordnung einer bereits einberufenen Hauptversammlung. Die Neuregelung stellt klar, dass für die Ermittlung der Vorbesitzzeit – 90 Tage – der Tag des Zugangs des Verlangens bei der Gesellschaft maßgeblich ist, nicht hingegen der Tag der Hauptversammlung; Antragsteller müssen somit künftig nachweisen, dass sie seit mindestens 90 Tagen vor dem Tag des Zugangs des Verlangens bei der Gesellschaft Inhaber der Aktien sind, und nicht seit mindestens 90 Tagen vom Zeitpunkt der Hauptversammlung aus zurückgerechnet. Die Frage des Fristbeginns für die Bestimmung der Vorbesitzzeit war bislang aufgrund des nicht eindeutigen Gesetzeswortlauts umstritten.
Zudem stellt die Aktienrechtsnovelle 2016 in Bezug auf die Haltefrist der Aktien klar, dass das Quorum von 5% des Grundkapitals bis zur Entscheidung des Vorstands über das Einberufungs- oder Ergänzungsverlangen erfüllt werden muss. Lehnt der Vorstand das Verlangen ab und stellen die Aktionäre, die das Verlangen gestellt haben, einen Antrag an das Gericht auf Ermächtigung zur Einberufung der Hauptversammlung oder Bekanntmachung der Ergänzung der Tagesordnung, so müssen die Antragsteller ihre Aktien bis zur Entscheidung des Gerichts halten; das Quorum muss also bis zur letztinstanzlichen Entscheidung des Gerichts fortbestehen.
6. Fälligkeit des Dividendenanspruchs
Nach bisheriger Rechtslage ist der Anspruch des Aktionärs auf Auszahlung der Dividende sofort nach der Beschlussfassung der Hauptversammlung über die Gewinnverwendung fällig. Demgegenüber sieht die Aktienrechtsnovelle 2016 vor, dass der Dividendenanspruch erst am dritten auf den Hauptversammlungsbeschluss folgenden Geschäftstag fällig ist, sofern nicht in dem Beschluss oder in der Satzung eine spätere Fälligkeit festgelegt wird. Die Regelung soll zur Etablierung eines einheitlichen europäischen Marktstandards und damit zu einer Harmonisierung der Wertpapierabwicklung in Europa beitragen. Allerdings treten die maßgeblichen Regelungen erst am 1. Januar 2017 in Kraft und sind damit erst für die Hauptversammlungssaison 2017 maßgeblich. Dies ermöglicht es den Kreditinstituten, die Dividendensaison 2015 – im Jahr 2016 – noch vollumfänglich nach der derzeitigen Rechtslage abzuwickeln und die Neuregelung dann einheitlich auf die Dividendensaison 2016 – im Jahr 2017 – anzuwenden.
7. Weitere Regelungen: Berichtspflichten von Aufsichtsratsmitgliedern in öffentlichen Unternehmen, Klarstellung zur Hauptversammlungsniederschrift
Daneben enthält die Aktienrechtsnovelle 2016 weitere Regelungen zu Berichtspflichten von Aufsichtsratsmitgliedern bei öffentlich-rechtlichen Unternehmen sowie eine Klarstellung zur Hauptversammlungsniederschrift.
Aufsichtsratsmitglieder, die auf Veranlassung einer Gebietskörperschaft in den Aufsichtsrat gewählt oder entsandt worden sind, unterliegen hinsichtlich der Berichte, die sie der Gebietskörperschaft zu erstatten haben, grundsätzlich keiner Verschwiegenheitspflicht. Die Aktienrechtsnovelle 2016 hat diese bereits bislang bestehende Regelung um eine Klarstellung ergänzt, wonach die Berichtspflicht auf Gesetz, auf Satzung oder auf Rechtsgeschäft beruhen kann; da jedoch rechtsgeschäftliche Vereinbarungen dem Aufsichtsrat nicht ohne Weiteres erkennbar sind, muss das betreffende Aufsichtsratsmitglied dem Aufsichtsrat in Textform mitteilen, dass ein entsprechendes Rechtsgeschäft besteht.
Durch die Aktienrechtsnovelle 2016 wird auch klargestellt, dass in der Hauptversammlungsniederschrift einer börsennotierten Aktiengesellschaft für jeden Beschluss auch der Anteil des durch die gültigen Stimmen vertretenen Grundkapitals am eingetragenen Grundkapital – und nicht: an dem in der Hauptversammlung vertretenen Grundkapital – anzugeben ist. In diesem Zusammenhang war es in den vergangenen Jahren zu Unklarheiten gekommen.
8. Kein einheitlicher Nachweisstichtag, keine relative Befristung der Nichtigkeitsklage
Anders als die Vorentwürfe enthält die Aktienrechtsnovelle 2016 keinen einheitlichen Nachweisstichtag („Record Date“) für Namens- und Inhaberaktien börsennotierter Aktiengesellschaften. Stattdessen soll, so die Ausführungen des Gesetzgebers, auf ein einheitliches „Record Date“ in der Europäischen Union hingewirkt werden.
Ebenfalls nicht aus den Vorentwürfen übernommen wurden die Regelungen zu einer relativen Befristung der Nichtigkeitsklage, die einer missbräuchlich nachgeschobenen Nichtigkeitsklage gegen Hauptversammlungsbeschlüsse entgegenwirken sollen. Anstatt der Vornahme punktueller Änderungen soll das Beschlussmängelrecht insgesamt einer geschlossenen Reform zugeführt werden.