Neues BMF-Schreiben zur umsatzsteuer­lichen Behandlung des Erwerbs zahlungs­gestörter Forderungen
(Non-Performing Loans)

Die Finanzverwaltung hat ihre Auffassung betreffend die umsatzsteuerliche Behandlung des Erwerbs zahlungsgestörter Forderungen mit BMF-Schreiben vom 2.12.2015 revidiert und sieht in der Übertragung der Forderung nunmehr ausschließlich eine umsatzsteuerfreie Leistung des Verkäufers an den Käufer (§ 4 Nr. 8 Buchst. c UStG). Die Einziehung der Forderung durch den Käufer soll hingegen umsatzsteuerlich keine eigenständige Leistung mehr darstellen, selbst wenn die Parteien hierfür ausdrücklich ein gesondertes Entgelt oder einen Bewertungsabschlag vereinbaren. Sowohl für den Verkäufer als auch für den Käufer wird es damit in Zukunft schwierig, die Vorsteuer auf Eingangsleistungen im Zusammenhang mit der Übertragung bzw. der Einziehung der Forderungen abzuziehen.

1. Bisherige Verwaltungsauffassung

Die Finanzverwaltung behandelte den Erwerb zahlungsgestörter Forderungen (sog. Non-Performing Loans, „NPL“) bisher nach den gleichen umsatzsteuerlichen Grundsätzen wie das Factoring: Der Factor erbringt mit der Einziehung der Forderung eine umsatzsteuerpflichtige Leistung gegenüber dem Forderungsverkäufer (sog. Anschlusskunde). Die Abtretung der Forderung durch den Anschlusskunden an den Factor vollzieht sich als nicht umsatzsteuerbare Leistungsbeistellung. Für Eingangsleistungen im Zusammenhang mit der Einziehung der Forderung ist der Factor demzufolge vorsteuerabzugsberechtigt. Auch der Anschlusskunde ist bezüglich Eingangsleistungen im Zusammenhang mit der Übertragung vorsteuerabzugsberechtigt, soweit die übertragenen Forderungen aus einem umsatzsteuerpflichtigen Geschäft stammen.

Nach dem Regel-Ausnahme-Prinzip oblag es dem Käufer zahlungsgestörter Forderungen nachzuweisen, inwieweit der Bewertungsabschlag nicht allein durch die Factoringleistungen (Verwaltung und Einziehung der Forderungen), sondern durch die (teilweise) Uneinbringlichkeit der Forderungen bedingt war. Derartige Abschläge minderten dann die umsatzsteuerliche Bemessungsgrundlage entsprechend. Sollte im Einzelfall eine Belastung mit Umsatzsteuer ganz vermieden werden, standen in der Praxis verschiedene Gestaltungsoptionen zu Verfügung. Eine gängige Vorgehensweise war beispielsweise, die Forderung nicht direkt an den Käufer zu verkaufen, sondern im Wege einer nicht umsatzsteuerbaren verdeckten Einlage in eine Tochtergesellschaft einzubringen und im Anschluss daran die Anteile an dieser Tochtergesellschaft an den Käufer zu verkaufen.

2. BMF-Schreiben vom 2.12.2015

Mit dem BMF-Schreiben vom 2.12.2015 zur umsatzsteuerlichen Behandlung des Erwerbs zahlungsgestörter Forderungen vollzieht die Finanzverwaltung eine 180 Grad-Wende gegenüber der bisherigen Verwaltungsauffassung. Auslöser dieser Änderung sind das EuGH-Urteil vom 27.10.2011, C 93/10 (GFKL) und die hierzu ergangenen Folgeurteile des Bundesfinanzhofs (Urt. v. 26.01.2012, V R 18/08; Urt. v. 04.07.2013, V R 8/10). Danach erbringt der Erwerber zahlungsgestörter Forderungen umsatzsteuerlich keine Leistung an den Verkäufer, wenn er die zahlungsgestörten Forderungen für einen Kaufpreis unterhalb des Nennwerts erwirbt. Umsatzsteuerlich liegt vielmehr ausschließlich eine nach § 4 Nr. 8 Buchst. c UStG umsatzsteuerfreie Leistung des Verkäufers an den Käufer vor.

Dies soll im Anschluss an die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs selbst dann gelten, wenn die Parteien für die Einziehung der Forderung durch den Käufer eine gesonderte Vergütung bzw. einen Abschlag vereinbart haben. Dem BMF-Schreiben zufolge soll generell davon auszugehen sein, dass bei der Übertragung zahlungsgestörter Forderungen unter Übernahme des Ausfallrisikos durch den Erwerber der vereinbarte Kaufpreis dem tatsächlichen wirtschaftlichen Wert dieser Forderungen entspricht. Auch zum Begriff der Zahlungsstörung nimmt das BMF-Schreiben Stellung. Eine Forderung (bestehend aus Rückzahlungs- und Zinsanspruch) ist danach insgesamt zahlungsgestört, wenn sie (i), soweit sie fällig ist, ganz oder zu einem nicht nur geringfügigen Teil seit mehr als 90 Tagen nicht ausgeglichen wurde, (ii) wenn die Kündigung erfolgt ist oder (iii) die Voraussetzungen für eine Kündigung vorliegen.

Der Käufer ist in Bezug auf Eingangsleistungen für den Erwerb sowie den Einzug zahlungsgestörter Forderungen nach der neuen Verwaltungsauffassung nicht mehr zum Vorsteuerabzug nach § 15 UStG berechtigt. Auch der Verkäufer ist infolge der Umsatzsteuerfreiheit der Übertragung nicht mehr zum Abzug der Vorsteuer für Eingangsleistungen im Zusammenhang mit der Veräußerung der Forderungen berechtigt.

Alles beim Alten bleibt laut BMF-Schreiben in Fällen der Übertragung einer zahlungsgestörten Forderung ohne Übernahme des Ausfallrisikos durch den Erwerber. Hierauf sind also weiterhin die umsatzsteuerlichen Grundsätze des Factorings anzuwenden.

3. Praktische Konsequenzen

Die bisherige Verwaltungsauffassung ermöglichte in der Praxis eine weitreichende Flexibilität hinsichtlich der umsatzsteuerlichen Ausgestaltung des konkreten Sachverhalts. Diese Flexibilität ist nach dem BMF-Schreiben vom 2.12.2015 nicht mehr gegeben. Gleichwohl dürfte sich auch in Zukunft der Vorsteuerabzug sowohl für den Verkäufer als auch für den Käufer erreichen lassen, indem man etwa ausländische Zwischengesellschaften so in den Erwerbsvorgang einschaltet, dass der Leistungsort der Übertragung in einem Drittstaat bzw. der Leistungsort des Forderungsservicings im Ausland liegen. Kommt die Einschaltung derartiger Zwischengesellschaften im konkreten Fall nicht in Betracht, erscheint es für den Forderungskäufer unter Kostenaspekten ratsam, im Wege des „Insourcings“ möglichst viele Leistungen betreffend die Verwaltung und Einziehung der Forderung selbst zu erbringen.

4. Übergangsregelung

Die neuen Regelungen des BMF-Schreibens vom 2.12.2015 gelten grundsätzlich für alle offenen Fälle. Es wird jedoch für vor dem 1.7.2016 ausgeführte Forderungsübertragungen nicht beanstandet, wenn die Beteiligten übereinstimmend entsprechend der alten Verwaltungsauffassung (siehe oben 1.) verfahren. Für Übertragungen, die auf der Grundlage eines vor dem 1.7.2016 abgeschlossenen Kaufvertrages über den regelmäßigen Erwerb zahlungsgestörter Forderungen erfolgen und vor dem 1.1.2019 ausgeführt werden, gilt dies entsprechend.