Geänderte Meldepflichten – Erhebliche Änderungen des Wertpapierhandels­gesetzes (WpHG)

Der Bundesrat hat am 6. November 2015 das am 1. Oktober 2015 durch den Bundestag beschlossene Gesetz zur Umsetzung der Transparenzrichtlinie-Änderungsrichtlinie gebilligt. Hierdurch wird die Richtlinie 2013/50/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2013 zur Änderung der Europäischen Transparenzrichtlinie (Richtlinie 2004/109/EG des Europäischen Parlaments und des Rates) in nationales Recht umgesetzt. Das Gesetz ist am 26. November 2015 in Kraft getreten.

Mit dem Umsetzungsgesetz sind teils weitreichende Konsequenzen für sämtliche Kapitalmarktteilnehmer – Emittenten wie Investoren – verbunden. Die nachfolgenden Ausführungen geben einen Überblick über die wesentlichen Änderungen:

1. Wesentliche Änderungen bei den Mitteilungspflichten für bedeutende Stimmrechtsanteile

Die Mitteilungspflichten für bedeutende Stimmrechtsanteile an börsennotierten Aktiengesellschaften, §§ 21 ff. WpHG, haben sich durch das Umsetzungsgesetz inhaltlich weitreichend verändert. Bisher enthielten die Regelungen drei separate Meldetatbestände, namentlich Meldepflichten für das Halten stimmberechtigter Aktien (§§ 21, 22 WpHG), bestimmter Finanzinstrumente und sonstiger Instrumente (§ 25 WpHG) sowie weiterer Finanzinstrumente und sonstiger Instrumente (§ 25a WpHG). Mit Inkrafttreten des Umsetzungsgesetzes wurden die Meldetatbestände vollständig neu strukturiert und inhaltlich neu ausgestaltet:

  • Unverändert ist zunächst der Grundmeldetatbestand für das Halten stimmberechtigter Aktien: Wer durch Erwerb, Veräußerung oder auf sonstige Weise 3%, 5%, 10%, 15%, 20%, 25%, 30%, 50% oder 75% der Stimmrechte aus ihm gehörenden Aktien an einem Emittenten, für den die Bundesrepublik Deutschland der Herkunftsstaat ist, erreicht, überschreitet oder unterschreitet, hat dies unverzüglich dem Emittenten und gleichzeitig der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), spätestens innerhalb von vier Handelstagen mitzuteilen (§ 21 Abs. 1 Satz 1 WpHG).
  • Allerdings wurde durch das Umsetzungsgesetz die Mitteilungspflicht zeitlich nach vorne verlagert. Der relevante Aktienbesitz besteht nach der Neuregelung bereits dann, wenn ein „auf die Übertragung von Aktien gerichteter unbedingter und ohne zeitliche Verzögerung zu erfüllender Anspruch oder eine entsprechende Verpflichtung“ besteht. Dies hat maßgebliche Bedeutung für den Erwerb oder die Veräußerung von Aktien über die Börse, weil diese Geschäfte nicht sofort („t“), sondern aufgrund entsprechender Börsenusance erst am zweiten Handelstag nach Geschäftsabschluss („t+2“) abgewickelt werden. Bislang wurde die Mitteilungspflicht erst am Tag der Erfüllung des Geschäfts („t+2“) durch die dingliche Übertragung der Aktien ausgelöst. Nach der Neuregelung entsteht die Mitteilungspflicht bereits bei Geschäftsabschluss („t“) und nicht erst – wie bisher – bei Erfüllung.
  • Auch die Form von Stimmrechtsmitteilungen wurde im Rahmen des Umsetzungsgesetzes verbindlich geregelt. Die insoweit neugefasste Wertpapierhandelsanzeige- und Insiderverzeichnisverordnung (WpAIV) enthält als Anlage ein verbindliches Meldeformular, das bei sämtlichen Mitteilungen (§§ 21, 22 WpHG, § 25 WpHG sowie § 25a WpHG – hierzu sogleich) zu verwenden ist. Hierdurch soll ein einheitlicher Standard bei Stimmrechtsmitteilungen geschaffen werden.
  • Ebenso wurde im Rahmen des Umsetzungsgesetzes die Regelung betreffend die Frist für die Abgabe von Stimmrechtsmitteilungen angepasst. Wie erwähnt – und insoweit unverändert zur bisherigen Rechtslage –, muss die Mitteilung unverzüglich, spätestens innerhalb von vier Handelstagen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, zu dem der Meldepflichtige Kenntnis davon hat oder nach den Umständen haben musste, dass sein Stimmrechtsanteil die maßgeblichen Schwellen erreicht, überschritten oder unterschritten hat. Neu ist jedoch, dass nunmehr unwiderleglich vermutet wird, dass der Meldepflichtige spätestens zwei Handelstage nach dem Erreichen, Überschreiten oder Unterschreiten der genannten Schwellen von der Schwellenberührung Kenntnis hat.
  • Die Regelung in § 22 WpHG, wonach dem Meldepflichtigen bestimmte Stimmrechte zugerechnet werden und diese insofern bei der Berechnung der Meldeschwellen nach § 21 Abs. 1 WpHG zu berücksichtigen sind, wurde um zwei weitere Zurechnungstatbestände ergänzt: Zum einen werden dem Meldepflichtigen nun auch Stimmrechte zugerechnet, die der Meldepflichtige auf Grund einer Vereinbarung ausüben kann, die eine zeitweilige Übertragung der Stimmrechte ohne die damit verbundenen Aktien gegen Gegenleistung vorsieht, sowie Stimmrechte aus Aktien, die bei dem Meldepflichtigen als Sicherheit verwahrt werden, sofern der Meldepflichtige die Stimmrechte hält und die Absicht bekundet, diese Stimmrechte auszuüben. Allerdings dürften die hiermit verbundenen praktischen Auswirkungen gering sein: Eine separate Übertragung von Stimmrechten ohne die zugrundeliegenden Aktien ist nach deutschem Recht aufgrund des Abspaltungsverbots unzulässig; Sicherungsrechte über Aktien werden regelmäßig im Wege der Verpfändung, nicht im Wege der Sicherungsübereignung begründet, sodass das rechtliche Eigentum an den Aktien und insofern auch die damit verbundenen Stimmrechte beim Sicherungsgeber verbleiben.
  • Die neugefasste Vorschrift des § 25 WpHG („Mitteilungspflichten beim Halten von Instrumenten“) führt im Wesentlichen die bislang geltenden Mitteilungspflichten gemäß § 25 WpHG (a.F.) und § 25a WpHG (a.F.) zusammen. § 25 WpHG beinhaltet nunmehr eine Meldepflicht für (i) Instrumente, die dem Inhaber das Recht auf den Erwerb stimmberechtigter Aktien verleihen (etwa Optionen oder Swaps), sowie (ii) sonstige Instrumente, die sich auf stimmberechtigte Aktien beziehen und die eine vergleichbare wirtschaftliche Wirkung haben wie die vorstehend unter (i) genannten Instrumente, unabhängig davon, ob sie einen Anspruch auf physische Lieferung einräumen oder nicht. Die Meldepflicht wird ausgelöst, wenn der Gesamtbestand der den Instrumenten zugrundeliegenden Aktien eine Meldeschwelle des § 21 Abs. 1 Satz 1 WpHG, mit Ausnahme der Schwelle von 3%, erreicht, überschreitet oder unterschreitet.
  • Die Vorschrift des § 25a WpHG („Mitteilungspflichten bei Zusammenrechnung“) regelt in ihrer neuen Fassung eine Mitteilungspflicht, die ausgelöst wird, wenn der Gesamtbestand aus Stimmrechtsanteilen (§§ 21, 22 WpHG) und Instrumenten (§ 25 WpHG) eine relevante Meldeschwelle – mit Ausnahme der Schwelle von 3% – erreicht, überschreitet oder unterschreitet, unabhängig davon, ob jeweils einzeln nach §§ 21, 22 WpHG oder § 25 WpHG eine Mitteilungspflicht besteht. Sofern der aggregierte Gesamtbestand einen der relevanten Schwellenwerte berührt, ist eine Mitteilung erforderlich, selbst wenn keine eigene Mitteilungspflicht gemäß §§ 21, 22 WpHG oder § 25 WpHG ausgelöst wird.
  • Gemäß § 23 Abs. 1a WpHG bleiben bei der Berechnung des Stimmrechtsanteils Stimmrechte aus Aktien, die gemäß der Verordnung (EG) Nr. 2273/2003 zu Stabilisierungszwecken erworben wurden, unberücksichtigt, wenn die Stimmrechte aus den betreffenden Aktien nicht ausgeübt und nicht anderweitig genutzt werden, um auf die Geschäftsführung des Emittenten Einfluss zu nehmen. In diesem Zusammenhang ist davon auszugehen, dass die BaFin ihre Verwaltungspraxis bei der Zeichnung von Aktien durch ein Emissionsunternehmen oder Emissionskonsortium – auch im Rahmen von Börsengängen – dahingehend ändern wird, dass insoweit keine Mitteilungspflichten bestehen, wenn die betreffenden Aktien ausschließlich für den Zweck der Abrechnung und Abwicklung von Geschäften für höchstens drei Handelstage gehalten werden (§ 23 Abs. 2 Nr. 1 WpHG n.F.).
  • Mit dem Umsetzungsgesetz wurden die Sanktionen für Verstöße gegen die Mitteilungspflichten teilweise drastisch verschärft. Die neugefasste Regelung des § 28 WpHG, wonach ein Verstoß gegen die Meldepflichten zum Verlust von Stimm- und Dividendenrechten führt, erfasst künftig sämtliche Zurechnungstatbestände gemäß § 22 WpHG, namentlich auch die Zurechnung von Stimmrechten aufgrund eines abgestimmten Verhaltens („acting in concert“). Im letzteren Fall betrifft der Rechtsverlust nicht nur die Aktien, die von dem die Mitteilungspflicht verletzenden Aktionär selbst gehalten werden, sondern auch die Aktien des Dritten, die dem Meldepflichtigen aufgrund eines acting in concert zugerechnet werden. Daneben führt auch ein Verstoß gegen die Mitteilungspflichten gemäß § 25 WpHG (Halten von Instrumenten) und § 25a WpHG (Zusammenrechnung) zu einem Rechtsverlust im Hinblick auf die von dem Meldepflichtigen an dem betreffenden Emittenten gehaltenen Aktien.
  • Zudem wurde der Bußgeldrahmen für Verstöße gegen die Mitteilungspflichten deutlich erhöht. Konnten bislang für Verstöße Bußgelder in Höhe von bis zu EUR 1 Million verhängt werden, kann die BaFin nunmehr gegen natürliche Personen Bußgelder in Höhe von bis zu EUR 2 Millionen verhängen; gegen juristische Personen können Bußgelder von bis zu EUR 10 Millionen oder – sofern dies höher ist – 5% des konsolidierten Gesamtumsatzes der betreffenden Unternehmensgruppe verhängt werden. Daneben kann die Ordnungswidrigkeit mit einer Geldbuße bis zum Zweifachen des aus dem Verstoß gezogenen wirtschaftlichen Vorteils geahndet werden, wobei der wirtschaftliche Vorteil erzielte Gewinne und vermiedene Verluste umfasst und geschätzt werden kann.
  • Schließlich wird die BaFin künftig Entscheidungen über Maßnahmen und Sanktionen, die wegen Verstößen gegen die Mitteilungspflichten ergangen sind, unverzüglich auf ihrer Internetseite veröffentlichen („naming and shaming“). In der Bekanntmachung benennt die BaFin die Vorschrift, gegen die verstoßen wurde, und die für den Verstoß verantwortliche natürliche oder juristische Person oder Personenvereinigung.

2. Weitere Änderungen

Neben den Änderungen bei den Mitteilungspflichten für bedeutende Stimmrechtsanteile ergeben sich durch das Umsetzungsgesetz weitere Änderungen:

  • Inlandsemittenten sind verpflichtet, nach jeder Zu- oder Abnahme von Stimmrechten die Gesamtzahl der Stimmrechte und das Datum der Wirksamkeit der Zu- oder Abnahme zu veröffentlichen. Bislang musste die Veröffentlichung erst am Ende desjenigen Kalendermonats erfolgen, in dem es zu der Zu- oder Abnahme der Stimmrechte gekommen ist, wohingegen die Veröffentlichung nunmehr unverzüglich, spätestens innerhalb von zwei Handelstagen zu erfolgen hat. Eine Ausnahme besteht insoweit für die Ausgabe von Bezugsaktien nach der Ausnutzung eines bedingten Kapitals (§ 192 AktG): Hier muss Veröffentlichung der Gesamtzahl der Stimmrechte nur im Zusammenhang mit einer ohnehin erforderlichen Veröffentlichung wegen der Zu- oder Abnahme von Stimmrechten erfolgen, spätestens jedoch am Ende des Kalendermonats, in dem es zu einer Zu- oder Abnahme von Stimmrechten gekommen ist. Der Veröffentlichung des Datums der Wirksamkeit der Zu- oder Abnahme bedarf es hier nicht.
  • Die frühere Pflicht zur Veröffentlichung von Zwischenmitteilungen (§ 37x WpHG a.F.) ist entfallen; allerdings bleiben hiervon Anforderungen an die Zwischenberichterstattung nach den jeweils anwendbaren Börsenregularien unberührt.
  • Die Frist für die Veröffentlichung von Halbjahresfinanzberichten (§ 37w WpHG) wurde von zwei auf drei Monate verlängert.
  • Das Enforcement-Verfahren durch die BaFin gemäß § 37n WpHG (Prüfung von Unternehmensabschlüssen und -berichten) wurde gestärkt.