Einziehung von GmbH-Geschäftsanteilen – BGH zur Nichtigkeit des Einziehungsbeschlusses auch bei Vorhandensein ausreichend stiller Reserven

1. Einleitung

Die (zwangsweise) Einziehung von GmbH-Geschäftsanteilen führt zu einem Abfindungsanspruch des ausscheidenden Gesellschafters gegenüber der Gesellschaft. Steht der Gesellschaft bei Fassung des Einziehungsbeschlusses nicht ausreichend ungebundenes Vermögen zur Zahlung der Abfindung zur Verfügung, ist der Einziehungsbeschluss nichtig. Der Bundesgerichtshof hatte nun jüngst darüber zu entscheiden, ob dies auch gilt, wenn die Gesellschaft bei Beschlussfassung zwar nicht über ausreichend ungebundenes Vermögen, wohl aber über erhebliche stille Reserven verfügt (BGH, Urteil vom 26.6.2018, Az. II ZR 65/16).

2. Grundsätzliches zur Einziehung von GmbH-Geschäftsanteilen und der Abfindungszahlung aus ungebundenem Vermögen

Gemäß § 34 Abs. 1 GmbH ist die Einziehung von GmbH-Geschäftsanteilen möglich, wenn dies im Gesellschaftsvertrag zugelassen ist. Enthält die Satzung entsprechende Vorgaben, erfolgt die Einziehung der Geschäftsanteile durch Gesellschafterbeschluss. Gegenüber dem betroffenen Gesellschafter wird die Einziehung mit Mitteilung des Einziehungsbeschlusses wirksam.

Folge der Einziehung ist der Untergang des jeweiligen Geschäftsanteils und die Entstehung eines Abfindungsanspruchs des ausscheidenden Gesellschafters gegen die Gesellschaft. Ist nichts anderes bestimmt, bemisst sich der Abfindungsanspruch nach der Höhe des Verkehrswertes des betroffenen Geschäftsanteils.

Übersehen wird häufig, dass auch bei der Zahlung der Abfindung die strengen Regelungen zum Kapitalschutz greifen. Zur Kapitalerhaltung ist es der Gesellschaft gemäß §§ 34 Abs. 3, 30 Abs. 1 GmbHG untersagt, Abfindungen aus dem zur Erhaltung des Stammkapitals erforderlichen Vermögen der Gesellschaft zu zahlen. Durch die Abfindungszahlung darf also keine Unterbilanz entstehen. Abfindungszahlungen dürfen daher nur aus ungebundenem Vermögen, d.h. aus dem die Stammkapitalziffer übersteigenden Reinvermögen der Gesellschaft, erfolgen. Maßgeblich ist insoweit eine bilanzielle Betrachtungsweise, ausgehend von den Buchwerten einer stichtagsbezogenen Handelsbilanz.

Die Missachtung des Kapitalerhaltungsgrundsatzes hat erhebliche Konsequenzen für die Einziehung von GmbH-Geschäftsanteilen: Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Einziehungsbeschluss entsprechend § 241 Nr. 3 AktG nichtig, wenn bereits bei Beschlussfassung feststeht, dass die Abfindung bei Fälligkeit nicht aus ungebundenem Vermögen der Gesellschaft gezahlt werden kann (vgl. nur BGH, Urteil vom 24.01.2012, Az. II ZR 109/11; BGH, Urteil vom 10.5.2016, Az. II ZR 342/14).

Zeigt sich erst im Nachhinein, dass der Gesellschaft nicht ausreichend ungebundenes Vermögen zur Zahlung der Abfindung zur Verfügung steht (etwa weil die Gesellschaft die Abfindung in Raten zahlen kann und sich zwischenzeitlich die finanzielle Situation der Gesellschaft verändert), ist der Gesellschaft die Zahlung der Abfindung zwar aufgrund der Kapitalerhaltungsvorschriften untersagt. Der Einziehungsbeschluss ist allerdings in diesen Fällen nicht nichtig. Der Bundesgerichtshof hat in diesen Fällen eine persönliche Ausfallhaftung der verbleibenden Gesellschafter entwickelt, wenn diese sich einerseits den Wert der eingezogenen Geschäftsanteile „einverleiben“, es aber andererseits unterlassen, für ausreichend ungebundenes Vermögen der Gesellschaft zu sorgen (bspw. durch die Aufdeckung stiller Reserven) um den Abfindungsanspruch des ausgeschiedenen Gesellschafters zu erfüllen (vgl. etwa BGH, Urteil vom 24.01.2012, Az. II ZR 109/11; BGH, Urteil vom 10.05.2016, Az. II ZR 342/14).

3. Entscheidung des BGH zur Auflösung stiller Reserven

Der Bundesgerichtshof hat nun jüngst entschieden, dass ein Einziehungsbeschluss auch dann mangels ausreichend ungebundenen Vermögens der Gesellschaft nichtig ist, wenn die Gesellschaft bei Beschlussfassung in erheblichem Umfang über stille Reserven verfügt (BGH, Urteil vom 26.6.2018, Az. II ZR 65/16).

Die Vorinstanz hatte hierzu die Ansicht vertreten, ein Einziehungsbeschluss sei in diesen Fällen nicht nichtig, da die Gesellschaft verpflichtet sei, die vorhandenen stillen Reserven aufzudecken. Zur Begründung hatte die Vorinstanz auf die vorstehend erläuterte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Verpflichtung der Mitgesellschafter zur Auflösung stiller Reserven verwiesen und diese auf die Gesellschaft übertragen.

Der Bundesgerichtshof hat dieser Argumentation eine Absage erteilt: Die Gesellschaft sei an einer Abfindungszahlung an einen Gesellschafter gemäß §§ 34 Abs. 3, 30 Abs. 1 GmbHG gehindert, wenn diese Zahlung zu einer Unterbilanz führe. Deren Vorliegen bestimme sich nicht nach dem Verkehrswert, sondern nach dem Buchwert. Hiernach seien stille Reserven aber nicht zu berücksichtigen. Die bloße Möglichkeit der Auflösung stiller Reserven stehe einer hinreichenden Ausstattung der Gesellschaft mit ungebundenem Vermögen nicht gleich. Zwischen den durch §§ 30 Abs. 1,  34 Abs. 3 GmbHG begrenzten Zahlungspflichten der Gesellschaft gegenüber einem ausgeschiedenen Gesellschafter und den auf dem Gesellschaftsverhältnis beruhenden Pflichten der Mitgesellschafter, die das Kapitalerhaltungsgebot nicht berühren, sei strikt zu unterscheiden. Der Einziehungsbeschluss sei daher nichtig.

4. Praxishinweise

Es sollte im Vorfeld der Einziehung von GmbH-Geschäftsanteilen stets genau geprüft werden, ob die Gesellschaft bei Fassung des Einziehungsbeschlusses über ausreichend ungebundenes Vermögen zur Zahlung der Abfindung bei Fälligkeit verfügt. Andernfalls sollte ungebundenes Vermögen geschaffen werden, beispielsweise durch Zahlungen in die Kapitalrücklage oder die Auflösung von stillen Reserven (wohlgemerkt: vor Fassung des Einziehungsbeschlusses). Möglich ist auch die Abgabe einer Garantie der übrigen Gesellschafter zum Ausgleich eines etwaigen Fehlbetrags.