Aktuelles Urteil des englischen Court of Appeal zu Ansprüchen von Bankkunden im Zusammenhang mit LIBOR-Manipulationen

1. Einleitung

Verschiedene Großbanken mussten nach Ermittlungen der zuständigen Aufsichtsbehörden in den USA sowie in Europa in den vergangenen Jahren erhebliche Strafzahlungen wegen Manipulationen des LIBOR leisten. Dies betrifft u. a. Barclays Bank, die Deutsche Bank, Lloyds Bank, Rabobank, Royal Bank of Scotland und die UBS.

Beim LIBOR (London InterBank Offered Rate) handelt es sich um einen Referenzzinssatz im Interbankengeschäft, der an jedem Bankarbeitstag in London für verschiedene Laufzeiten für Darlehen in fünf Währungen (USD, CHF, EUR, GBP, YEN) durch die auf dem sogenannten LIBOR Panel vertretenen Banken ermittelt wird. Der LIBOR hat auch außerhalb des Interbankengeschäfts erhebliche Bedeutung, da er häufig als Referenzzinssatz in Kundenverträgen (z.B. in Zinsswapvereinbarungen) Verwendung findet. 

Schadensersatzklagen von Bankkunden, die durch LIBOR-Manipulationen geschädigt wurden, waren dennoch bislang eher selten. Nach einer im März 2018 ergangenen Entscheidung des englischen Court of Appeals könnte sich dies nun ändern.

 

2. Entscheidung des Court of Appeal im Rechtsstreit Property Alliance Group ./. Royal Bank of Scotland

Die Property Alliance Group (PAG) hatte im Jahr 2013 Schadensersatzklage gegen die Royal Bank of Scottland (RBS) erhoben. Die Klage gründete auf dem Vorwurf, dass PAG mit RBS Zinsswapverträge auf Basis des LIBOR abgeschlossen habe und RBS zu denjenigen Banken gehört, deren Mitarbeiter erwiesenermaßen an LIBOR-Manipulation beteiligt gewesen waren. RBS könne daher Schadensersatzansprüche bzw. Ansprüche auf Rückabwicklung der abgeschlossenen LIBOR-Zinsswapverträge geltend machen.

Aus der Entscheidung des Court of Appeal folgt, dass Schadensersatzansprüche von Kunden wegen Manipulationen des LIBOR durchaus in Betracht kommen. Im konkreten Fall hat der Court of Appeal die Klage von PAG abgewiesen. Grund hierfür war aber die Feststellung des Gerichts, dass RBS den LIBOR zwar für Darlehen in CHF und YEN, nicht jedoch auch den LIBOR für auf GBP lautende Darlehen manipuliert habe. Da PAG ihre Ansprüche auf Manipulationen des GBP-LIBOR gestützt hatte, wurde die Klage abgewiesen. Es spricht viel dafür, dass der Court of Appeal der Klage stattgegen hätte, wenn die von PAG abgeschlossenen Verträge auf CHF oder YEN gelautet hätten.

Die Entscheidung des Court of Appeal ist noch nicht rechtskräftig. PAG hat eine Entscheidung durch den englischen Supreme Court beantragt.

 

3. Folgen für durch LIBOR-Manipulationen geschädigte Bankkunden

Die Entscheidung des englischen Court of Appeal ruft in Erinnerung, dass Bankkunden, die mit einer auf dem LIBOR Panel vertretenen Bank LIBOR-basierte Zins-swapverträge abgeschlossen haben, unter bestimmte Voraussetzungen (sowohl in England als auch in Deutschland) mit Aussicht auf Erfolg Ansprüche gegen ihren jeweiligen Vertragspartner geltend machen können. Der Umstand, dass der Court of Appeal die Klage der PAG im konkreten Fall abgewiesen hat, ändert hieran nichts.

Voraussetzung für eine Erfolg versprechende Klage ist zunächst der Nachweis, dass die betreffende Bank an den LIBOR-Manipulationen beteiligt war. Dieser Nachweis  dürfte sich häufig auf der Grundlage der Ermittlungsergebnisse der zuständigen Aufsichtsbehörden erbringen lassen.

Ebenfalls belegen lassen dürfte sich eine konkludente Täuschung des Bankkunden bei Abschluss des Zins-Swap-Vertrags. Wie der Court of Appeal in seiner Entscheidung über die Klage der PAG ausdrücklich festgestellt hat, enthalten die von der Bank vor Vertragsschluss abgegebenen Erklärungen zumindest konkludent auch die Zusicherung, keine Manipulation des LIBOR vorzunehmen.

Die Erheblichkeit dieser Täuschungshandlung für die Entscheidung des Bankkunden, den Vertrag abzuschließen, kann in der Regel vermutet werden.

Als Konsequenz könnte der durch den Abschluss eines ungünstigen LIBOR-Zinsswap-vertrags geschädigte Bankkunde den Vertrag wegen arglistiger Täuschung anfechten und/oder im Wege des Schadensersatzes insbesondere eine Aufhebung des Vertrags und dessen Rückabwicklung verlangen.

In Anspruch genommene Banken dürften versuchen, sich insbesondere mit dem Einwand zu verteidigen, dass LIBOR-Manipulationen lediglich einzelner Mitarbeiter nicht der Bank als solcher zugerechnet werden können. Angesichts der Ermittlungsergebnisse der Aufsichtsbehörden scheint es jedoch sehr fraglich, ob die Bank hiermit im Einzelfall durchdringen kann.

Weiterhin stellen sich insbesondere diffizile Fragen im Hinblick auf eine mögliche Verjährung von Ansprüchen.

Etwaig geschädigte Bankkunden sollten vor diesem Hintergrund mögliche Ansprüche im Zusammenhang mit LIBOR-basierten Verträgen zeitnah prüfen lassen.