„Say-on-Pay“ - umfassende Neuregelung der Mitspracherechte von Aktionären

Die Forderung nach verbesserten Mitspracherechten der Aktionäre bei der Vorstands- und Aufsichtsratsvergütung („Say-on-Pay“) bei europäischen und deutschen börsennotierten Gesellschaften ist ein Thema, das den europäischen Gesetzgeber seit Jahren umtreibt. Nach einer Reihe an Empfehlungen sowie verbindlichen Vorgaben für Kreditinstitute und Wertpapierfirmen hat die Europäische Union (EU) im Mai 2017 zwingende Regelungen zum Say-on-Pay für sämtliche europäischen börsennotierten Gesellschaften verabschiedet. Diese Regelungen sind Teil der 2. Aktionärsrechterichtlinie (2. ARRL), die verschiedene Maßnahmen zur Verbesserung der Mitwirkungsrechte von Aktionären und zur Schaffung von mehr Transparenz vorsieht.

In Vorbereitung der Umsetzung der 2. ARRL in nationales Recht, die bis Mitte Juni 2019 zu erfolgen hat, hat das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) im Oktober 2018 einen Referentenentwurf für ein Gesetz zur Umsetzung der zweiten Aktionärsrechterichtlinie (ARUG II) veröffentlicht. Hiermit werden teilweise tiefgreifende Änderungen des deutschen Aktienrechts verbunden sein. Auch wenn das Gesetzgebungsverfahren noch nicht abgeschlossen ist, so stellt der Referentenentwurf dennoch bereits jetzt eine wichtige Indikation dar, wie die Vorgaben der EU im Rahmen der 2. ARRL voraussichtlich umgesetzt und in das deutsche Aktiengesetz und weitere Gesetze integriert werden sollen.

Eine weitere inhaltliche Ausgestaltung der Anforderungen an die Vorstands- und Aufsichtsratsvergütung enthält der Reformvorschlag für den Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK), der ebenfalls kürzlich veröffentlicht wurde und der in vielen Fällen optionale inhaltliche Anforderungen des zukünftigen Aktienrechts an die Vorstandsvergütung in Empfehlungen umgesetzt und konkretisiert hat. Die Themen ARUG II und neuer DCGK sind also aufs Engste miteinander verzahnt.

Die detaillierten Vorgaben der 2. ARRL und des Referentenentwurfs zum Thema Say-on-Pay sowie deren zu erwartende erhebliche Auswirkungen auf die künftige Hauptversammlungspraxis börsennotierter Gesellschaften sind Gegenstand dieses Newsletterbeitrags. 

1. Vorgaben der 2. ARRL zum Say-on-Pay

Um für eine bessere Überwachung der Vergütung von Mitgliedern der Unternehmensleitung durch die Aktionäre zu sorgen und die Rechenschaftspflicht der Mitglieder der Verwaltung zu erhöhen, hat der europäische Gesetzgeber den Aktionären in der Hauptversammlung mittels zweier Instrumente die Möglichkeit eingeräumt, ihre Ansichten zur Vergütungspolitik der Gesellschaft zu äußern:

  • In Zukunft wird die Hauptversammlung börsennotierter Gesellschaften das Recht haben, mindestens alle vier Jahre und bei jeder wesentlichen Änderung über die Rahmenregelungen der Vergütung von Vorstand und Aufsichtsrat abzustimmen (sogenannte Vergütungspolitik). Der europäische Gesetzgeber hat es dabei dem Gesetzgeber der einzelnen Mitgliedstaaten überlassen, zu entscheiden, ob dem Votum der Hauptversammlung über die Vergütungspolitik verbindlicher oder lediglich empfehlender Charakter zukommen soll.

  • Zudem werden Vorstand und Aufsichtsrat zukünftig der Hauptversammlung der börsennotierten Gesellschaft jährlich einen detaillierten Vergütungsbericht zur Abstimmung vorlegen müssen, in dem sie ausführlich über die Bezüge der Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder im letzten Geschäftsjahr informieren.

2. Vergütungspolitik und Vergütungsbericht im deutschen Aktienrecht

Während die Vergütungspolitik im Vorfeld, also für die Zukunft das Grundkonzept der Vorstands- und Aufsichtsratsvergütung abstecken soll, dient der der Hauptversammlung zur Abstimmung vorzulegende Vergütungsbericht als Kontrollinstrument der Hauptversammlung, um nachträglich die an Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats tatsächlich gewährte Vergütung zu überprüfen.

Die 2. ARRL sowie der Entwurf des insoweit neu in das deutsche Aktiengesetz einzufügenden § 87a AktG enthalten einen umfangreichen und äußerst detaillierten Katalog von Mindestangaben, die in die Vergütungspolitik für Vorstand und Aufsichtsrat aufzunehmen sind, soweit die betreffenden Vergütungsbestandteile jeweils tatsächlich vorgesehen sind. Zu den Mindestbestandteilen gehört unter anderem eine Darstellung des Verfahrens zur Fest- und Umsetzung der Vergütungspolitik sowie deren Überprüfung. Zudem hat der erwähnte Reformvorschlag des DCGK in vielen Fällen die gesetzlich vorgesehenen, optionalen inhaltlichen Anforderungen an die Vorstandsvergütung zu Empfehlungen ernannt, weshalb sich deutsche börsennotierte Gesellschaften zwingend mit den detaillierten Vorgaben an die Vergütungspolitik werden auseinandersetzen müssen.

Neben die Vergütungspolitik tritt die Pflicht der Verwaltung, einen umfassenden Vergütungsbericht zu erstellen, der ebenfalls der Hauptversammlung zur Abstimmung vorzulegen ist. Die Neuregelung der Offenlegung der Vorstands- und Aufsichtsratsvergütung in einem einheitlichen Vergütungsbericht stellt eine umfassende Reform der bestehenden Transparenz- und Publizitätspflichten dar, die derzeit überwiegend im Handelsgesetzbuch (HGB) und im DCGK geregelt sind. Der jährlich zu erstellende Vergütungsbericht muss spiegelbildlich zur Vergütungspolitik detaillierte Angaben zu den Bestandteilen und Regelungen der Vergütung eines jeden einzelnen Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieds enthalten sowie eine Rechtfertigung, inwiefern die gewährte Vergütung der Vergütungspolitik entspricht.

Der Vergütungsbericht wird aufgrund der umfangreichen inhaltlichen Vorgaben zukünftig eine zentrale Stellung im System der Regelpublizität börsennotierter Aktiengesellschaften einnehmen. Zudem unterliegt der Vergütungsbericht einer formellen Prüfungspflicht durch den Abschlussprüfer. 

3. Zwingendes Votum der Hauptversammlung mit empfehlendem Charakter

Der Referentenentwurf zum ARUG II hat von dem Umsetzungsspielraum, den die 2. ARRL den Mitgliedstaaten in Bezug auf die Frage einräumt, ob dem Votum der Hauptversammlung verbindlicher oder nur empfehlender Charakter zukommen soll, dahingehend Gebrauch gemacht, dass das Votum der Hauptversammlung über die Vorstandsvergütung lediglich eine Empfehlung an den Aufsichtsrat darstellt. Bei der Abstimmung der Hauptversammlung über die Aufsichtsratsvergütung stellt sich die Frage insofern nicht, als im deutschen Aktienrecht bereits jetzt die Zuständigkeit für die Vergütung des Aufsichtsrats bei der Hauptversammlung verankert ist. Der Referentenentwurf sieht daher vor, dass die Hauptversammlung in Zukunft über die Vergütungspolitik und die Festsetzung der Vergütung für die Mitglieder des Aufsichtsrats uno actu beschließen soll.

In Bezug auf die Vorstandsvergütung wird in Zukunft zwingend eine Entscheidung der Hauptversammlung über die Vergütungspolitik einzuholen sein. Zwar darf die eigentliche Festsetzung durch den Aufsichtsrat nach den Regelungen des Referentenentwurfs von dem Votum abweichen. Allerdings wird die faktische Bindungswirkung des Hauptversammlungsvotums nicht zu unterschätzen sein, da der Aufsichtsrat die Entscheidung der Aktionäre wohl nur in besonders gelagerten Fällen außer Acht lassen wird. 

Zudem gilt: Hat die Hauptversammlung die vom Aufsichtsrat vorgelegte Vergütungspolitik in einem Jahr abgelehnt, so ist der nächsten Hauptversammlung erneut eine Vergütungspolitik vorzulegen und der Aufsichtsrat hat das Abweichen der Vergütungspolitik zu rechtfertigen. Es ist daher davon auszugehen, dass dem Votum der Aktionäre zumindest eine mittelbare nachhaltige Verhaltenssteuerung des Aufsichtsrats zukommen wird.

4. Fazit  

In den umfassenden Neuregelungen zum Say-on-Pay der Aktionäre kommt deutlich zum Ausdruck, dass eine wirksame und nachhaltige Mitwirkung der Aktionäre bei der Vergütung von Vorstand und Aufsichtsrat in Zukunft einen neuen Eckpfeiler der Corporate Governance börsennotierter Gesellschaften darstellen wird. 

Es handelt sich insoweit um eine spürbare und ganz nachhaltige Veränderung des deutschen Aktienrechts, da die Entscheidung über die Vergütung des Vorstands bisher grundsätzlich in der Kompetenz des Aufsichtsrats liegt. Allerdings wird der deutsche Gesetzgeber die ihm durch die Richtlinie eröffneten Wahlmöglichkeiten nutzen und das zukünftig turnusgemäß verpflichtend durchzuführende Votum der Hauptversammlung über die Vergütung des Vorstands inhaltlich lediglich beratend ausgestalten. 

Ungeachtet dessen ist zu erwarten, dass die Erarbeitung aktienrechts- und kodexkonformer Vergütungspolitiken und Vergütungsberichte für Vorstand und Aufsichtsrat von zentraler Bedeutung für die kommenden Hauptversammlungssaisonen sein wird – dies nicht zuletzt auch deshalb, weil der Vergütungsbericht zuvor durch den Abschlussprüfer zu prüfen ist und dieser einen Bericht über die Prüfung des Vergütungsberichts zu erstellen hat, der wiederum dem Vergütungsbericht beizufügen ist.