Bundesverfassungsgericht zum VW-Abgasskandal – Antrag auf Aussetzung der Sonderprüfung zurückgewiesen
Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 20. Dezember 2017 einen Antrag der VW AG zurückgewiesen, die vom OLG Celle angeordnete Sonderprüfung im Zusammenhang mit der Dieselthematik vorübergehend auszusetzen. Es fehlte nach dem Bundesverfassungsgericht an einem dringenden Regelungsbedürfnis. Zudem habe die VW AG die ihr aus der Anordnung der Sonderprüfung drohenden schweren Nachteile nicht substantiiert genug dargelegt.
Beschluss der Hauptversammlung und ablehnende Entscheidung des LG Hannover
Drei amerikanische Fonds hatten in der Hauptversammlung der VW AG am 22. Juni 2016 im Wege eines Tagesordnungsergänzungsverlangens die Einsetzung eines aktienrechtlichen Sonderprüfers gemäß § 142 Abs. 1 AktG beantragt. Zu prüfen war hiernach insbesondere, wann die ehemaligen Vorstandsmitglieder der VW AG Kenntnis von der Verwendung einer Motorsoftware hatten oder hätten haben müssen, die den Ausstoß von Stickoxiden im Prüfstand verringert. Die Hauptversammlung hat die Anträge jeweils abgelehnt. Die sodann von den Fonds beantragte gerichtliche Anordnung einer Sonderprüfung gemäß § 142 Abs. 2 AktG hat das LG Hannover mit der Begründung zurückgewiesen, für die Einsetzung eines Sonderprüfers bestehe kein Rechtsschutzbedürfnis, weil VW bereits eine Anwaltskanzlei mit der Prüfung der Vorgänge beauftragt habe. Die Verwendung von deren Prüfungsergebnissen durch die Staatsanwaltschaft lasse entsprechende Erkenntnisse erwarten, sodass keine Notwendigkeit für eine Sonderprüfung darüber hinaus bestehe.
OLG Celle: Sonderprüfung trotz Einschaltung einer Anwaltskanzlei notwendig
In dem darauffolgenden Beschwerdeverfahren vertrat das OLG Celle die Auffassung, die Antragsteller hätten einen hinreichenden Verdacht für grobe Pflichtverletzungen der Leitungsebene der VW AG, insbesondere in Bezug auf die Produktausgangskontrolle, aufgezeigt. Die Erkenntnisse der zur Untersuchung eingesetzten Anwaltskanzlei erübrigten eine Sonderprüfung nicht, weil weder eindeutig klar sei, dass diese Erkenntnisse frei von Einfluss der VW AG entstanden und formuliert sein würden, noch dass und wie sie den Aktionären von VW zur Verfügung gestellt würden. Das Gericht hat dementsprechend dem Antrag auf Einsetzung eines Sonderprüfers stattgegeben.
BVerfG: Zurückweisung des Antrags der VW AG auf Aussetzung der Sonderprüfung
Die VW AG hat gegen die Anordnung der Sonderprüfung durch das OLG Celle Verfassungsbeschwerde erhoben. Daneben hat VW beantragt, im Wege einer einstweiligen Anordnung die Wirksamkeit der Entscheidung des OLG Celle vorübergehend bis zur Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde auszusetzen und die Durchführung der Sonderprüfung zu untersagen.
Das Bundesverfassungsgericht hat den Antrag der VW AG zurückgewiesen. Die dargelegten drohenden Beeinträchtigungen durch die angeordnete Sonderprüfung, so das Gericht, reichten für den Erlass einer einstweiligen Verfügung nicht aus. Es seien keine der VW AG drohenden schweren Nachteile ersichtlich. Insbesondere das Vorbringen der VW AG, durch eine Sonderprüfung entstünden ihr gravierende Nachteile in den laufenden oder noch zu führenden Prozessen im Rahmen der Dieselthematik, sei nicht ausreichend. Auch das drohende Risiko weiterer, wenn auch teilweise unbegründeter Klagen gegen die VW AG stelle ein allgemeines Lebensrisiko dar und stehe nicht im Zusammenhang mit der Offenlegung von internen Informationen im Rahmen einer Sonderprüfung gemäß § 142 Abs. 2 AktG. Auch die finanziellen Belastungen einer Sonderprüfung stellen nach dem Bundesverfassungsgericht für ein Unternehmen derartiger Größe keine „erhebliche Beeinträchtigung“ dar; ebenso gehe die Bindung personeller Ressourcen nicht über das Maß einer betriebsinternen Prüfung hinaus und sei somit hinzunehmen.
Zum anderen fehle es an der Dringlichkeit der Aussetzung der Sonderprüfung. Da sogar die VW AG von einem jahrelangen Prozess ausgehe, sei nicht ersichtlich, warum nicht erst im Zeitpunkt der Veröffentlichung des Berichts des Sonderprüfers durch den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung eine drohende Belastung abgewehrt werden könne. Insbesondere kann das für die Gesellschaft zuständige Gericht auf Antrag des Vorstands vor der Veröffentlichung des Berichts festlegen, dass bestimmte Tatsachen nicht in den Bericht aufgenommen werden, soweit dies den überwiegenden Belangen der Gesellschaft (hier: der VW AG) entspricht und nicht zur Darlegung der erforderlichen groben Verletzungen des Gesetzes oder der Satzung unerlässlich ist. Dem Vorstand sei zudem vor Veröffentlichung des Berichts Einsicht in diesen zu gewähren, andernfalls liefe der entsprechende Schutz leer.
Damit fehle es, so das Gericht, derzeit an einem dringenden Regelungsbedürfnis für den Erlass einer einstweiligen Anordnung zur vorübergehenden Aussetzung der Sonderprüfung. Der Eilantrag war damit nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts zurückzuweisen.
Ausblick
Der Ausgang des Hauptsacheverfahrens – die Entscheidung über die von VW erhobene Verfassungsbeschwerde – bleibt abzuwarten. Insbesondere hat das Bundesverfassungsgericht ausgeführt, dass die erhobene Verfassungsbeschwerde weder von vornherein unzulässig noch offensichtlich unbegründet ist. Alleine der Umstand, dass das Gericht den Eilantrag auf Aussetzung der Sonderprüfung zurückgewiesen hat, lässt keinen Schluss auf die Erfolgsaussichten der Verfassungsbeschwerde zu.