ARUG II - Der Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der zweiten Aktionärsrechterichtlinie

Das Bundeskabinett hat am 20. März 2019 den Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der zweiten Aktionärsrechterichtlinie (ARUG II) verabschiedet. Im Vergleich zum Referentenentwurf haben sich dabei einige wesentliche Änderungen insbesondere bei den Regelungen zur Vergütung der Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats (Say on Pay) und zu Geschäften der Gesellschaft mit nahestehenden Personen (Related Party Transactions) sowie bei den Vorschriften zur Information und Identifikation von Aktionären (Know your Shareholder) ergeben.

Die mit dem Say on Pay zu erwartenden Auswirkungen auf die Hauptversammlungspraxis börsennotierter Gesellschaften und die einhergehende Überarbeitung des Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK) haben wir bereits nach Vorlage des Referentenentwurfs in unserem GLNS Newsletter im Dezember 2018 dargestellt. Ein Überblick über die nun insgesamt nach dem Regierungsentwurf zu erwartenden wesentlichen Änderungen des Aktiengesetzes ist Gegenstand dieses Newsletter-Beitrags.

1. Say on Pay

a.    Vergütungssystem für die Mitglieder des Vorstands

Der Aufsichtsrat einer börsennotierten Gesellschaft hat in Zukunft ein „klares und verständliches“ System zur Vergütung der Vorstandsmitglieder zu beschließen. Für das Vergütungssystem enthält das Gesetz detaillierte inhaltliche Vorgaben. Unter anderem sind hiernach alle festen und variablen Vergütungsbestandteile und ihr jeweiliger Anteil an der Vergütung aufzunehmen, alle finanziellen und nichtfinanziellen Leistungskriterien für die Gewährung variabler Vergütungsbestandteile sowie im Falle aktienbasierter Vergütungen die maßgeblichen Fristen sowie die Bedingungen für das Halten von Aktien nach dem Erwerb.

Die Hauptversammlung hat in Zukunft bei jeder wesentlichen Änderung über die Billigung des Vergütungssystems zu beschließen, mindestens jedoch alle vier Jahre; insoweit kann der Beschluss das bereits geltende Vergütungssystem auch schlicht bestätigen.

Der Beschluss begründet weder Rechte noch Pflichten. Ebenso wie das bisher freiwillige Votum der Hauptversammlung über das Vergütungssystem für den Vorstand, so ist der Beschluss der Hauptversammlung auch in Zukunft nicht anfechtbar. Dem Beschluss kommt insofern keine rechtliche Bindungswirkung für die Entscheidung des Aufsichtsrats über die Vergütung des Vorstands zu. Allerdings hat der Aufsichtsrat, wenn die Hauptversammlung das Vergütungssystem nicht gebilligt hat, spätestens in der nächsten ordentlichen Hauptversammlung ein überprüftes Vergütungssystem vorzulegen. Jedoch bedeutet dies wiederum nicht, dass der Aufsichtsrat das Vergütungssystem überarbeiten muss. Vielmehr kann der Aufsichtsrat an seinem ursprünglichen Vorschlag festhalten, wenn er der Überzeugung ist, dass dies im Interesse des Unternehmens richtig ist; praktisch dürfte dies jedoch kaum relevant werden, da sich der Aufsichtsrat einem ablehnenden Votum der Hauptversammlung kaum widersetzen wird.

b.    Vergütung der Mitglieder des Aufsichtsrats

Die Hauptversammlung hat auch mindestens alle vier Jahre über die Vergütung der Mitglieder des Aufsichtsrats zu beschließen. Auch insoweit ist ein die bisherige Vergütung bestätigender Beschluss zulässig. Der Beschluss muss die für den Vorstand maßgeblichen Angaben sinngemäß und ebenfalls „in klarer und verständlicher Form“ enthalten oder, wenn sie bereits in einem früheren Beschluss enthalten sind, in Bezug nehmen. Wird die Vergütung für den Aufsichtsrat in der Satzung festgelegt, so müssen die genannten Angaben zwar in dem satzungsändernden Beschluss enthalten sein, sie müssen jedoch nicht in den eigentlichen Satzungstext aufgenommen werden.

Auch dieser Beschluss ist im Hinblick auf das Vergütungssystem für den Aufsichtsrat nicht anfechtbar. Hat die Hauptversammlung den Beschluss abgelehnt, so ist auch insoweit spätestens in der nächsten ordentlichen Hauptversammlung erneut Beschluss zu fassen.

c.     Jährlicher Vergütungsbericht

Die Hauptversammlung muss in Zukunft jährlich über die Billigung des von Vorstand und Aufsichtsrat zu erstellenden Vergütungsberichts beschließen. Der Bericht muss in klarer und verständlicher Form unter Namensnennung die im vergangenen Geschäftsjahr jedem einzelnen gegenwärtigen oder früheren Mitglied des Vorstands und des Aufsichtsrats von der Gesellschaft und von Unternehmen desselben Konzerns gewährte oder geschuldete Vergütung enthalten. Es besteht in Zukunft nicht mehr die Möglichkeit, durch Beschluss der Hauptversammlung von der individualisierten Offenlegung abzuweichen.

Der Vergütungsbericht ist durch den Abschlussprüfer zu prüfen. Der Abschlussprüfer hat einen Vermerk über die Prüfung des Vergütungsberichts zu erstellen, der dem Bericht beizufügen ist. Auch der Beschluss der Hauptversammlung über den Vergütungsbericht begründet weder Rechte noch Pflichten, und auch dieser Beschluss ist nicht anfechtbar. Bei kleinen und mittelgroßen Kapitalgesellschaften genügt anstelle einer Beschlussfassung durch die Hauptversammlung, dass der Vergütungsbericht des letzten Geschäftsjahres als eigener Tagesordnungspunkt in der Hauptversammlung zur Erörterung vorgelegt wird.

d.    Veröffentlichungspflichten der Gesellschaft

Die Gesellschaft hat den jeweils vollständigen Inhalt der relevanten Unterlagen – Vergütungssystem, Vergütungsbericht etc. – im Vorfeld der Hauptversammlung bekannt zu machen.

Im Nachgang zur Hauptversammlung sind die jeweiligen Beschlüsse und das Vergütungssystem unverzüglich auf der Internetseite der Gesellschaft zu veröffentlichen; sie sind für die Dauer der Gültigkeit des Vergütungssystems, mindestens jedoch für zehn Jahre, kostenfrei öffentlich zugänglich zu halten. Auch der Vergütungsbericht ist nach dem Beschluss der Hauptversammlung zusammen mit dem Vermerk des Abschlussprüfers zehn Jahre lang auf der Internetseite der Gesellschaft kostenfrei öffentlich zugänglich zu machen.

2. Related Party Transactions

a.    Wesentliche Geschäfte mit nahestehenden Personen

In Zukunft unterliegen wesentliche Geschäfte börsennotierter Gesellschaften mit nahestehenden Personen einem Zustimmungsvorbehalt des Aufsichtsrats. „Nahestehende Personen“ sind solche im Sinne der internationalen Rechnungslegungsstandards (IAS), etwa auf Grundlage besonderer gesellschaftsrechtlicher Verbindungen, aufgrund dienstvertraglicher oder organschaftlicher Verbindungen bei Schlüsselpositionen im Unternehmen – namentlich als Mitglieder des Vorstands oder des Aufsichtsrats – sowie nahe Familienangehörige der genannten Personen.

Ein wesentliches Geschäft liegt vor, wenn sein wirtschaftlicher Wert alleine oder zusammen mit den innerhalb des laufenden Geschäftsjahres mit derselben Person getätigten Geschäften 2,5 % der Summe aus dem Anlage- und Umlaufvermögen der Gesellschaft nach Maßgabe des zuletzt festgestellten Jahresabschlusses oder des gebilligten Konzernabschlusses übersteigt. Ausgenommen sind etwa Geschäfte, die im ordentlichen Geschäftsgang und zu marktüblichen Bedingungen getätigt werden, Geschäfte mit unmittelbaren oder mittelbaren 100-prozentigen Tochtergesellschaften sowie Geschäfte auf Grundlage eines Beherrschungsvertrags.

b.    Erteilung der Zustimmung

Die Kompetenz zur Erteilung der Zustimmung obliegt dem Aufsichtsrat. Die Zustimmung muss vor dem Abschluss des Geschäfts erteilt werden. Ein ohne die Zustimmung geschlossenes Geschäft ist wirksam, kann jedoch zu einer Haftung des Vorstands führen. Bei der Beschlussfassung können diejenigen Mitglieder des Aufsichtsrats nicht mitstimmen, die selbst an dem Geschäft als nahestehende Personen beteiligt sind oder bei denen die Besorgnis eines Interessenkonflikts aufgrund ihrer Beziehungen zu der betreffenden nahestehenden Person besteht.

Der Aufsichtsrat kann einen ständigen oder – im Hinblick auf ein konkretes Geschäft – ad hoc eingerichteten Ausschuss bestellen, der über die Zustimmung zu dem Geschäft beschließt; eine Verpflichtung hierzu besteht jedoch nicht. Mitglied eines solchen Ausschusses kann nicht sein, wer an dem Geschäft als nahestehende Personen beteiligt ist. Im Übrigen muss der Ausschuss mehrheitlich aus Mitgliedern zusammengesetzt sein, bei denen keine Besorgnis eines Interessenkonflikts aufgrund ihrer Beziehungen zu einer nahestehenden Person besteht.

Verweigert der Aufsichtsrat seine Zustimmung, so kann der Vorstand das Geschäft der Hauptversammlung zur Abstimmung vorlegen. Insoweit besteht für die nahestehende Person ein Stimmverbot: Sie darf bei der Beschlussfassung ihr Stimmrecht weder für sich, noch für einen Dritten ausüben.

c.     (Kapitalmarktrechtliche) Veröffentlichungspflicht der Gesellschaft

Die Gesellschaft hat ein wesentliches Geschäft und solche Geschäfte, die zusammengerechnet zur Überschreitung der Wesentlichkeitsschwelle führen, unverzüglich zu veröffentlichen. Die Art und Weise der Veröffentlichung hat derjenigen zu entsprechen, die nach der Wertpapierhandelsanzeigeverordnung (WpAV) für die Ad-hoc-Publizität gilt. Die Veröffentlichung muss alle wesentlichen Informationen enthalten, die erforderlich sind, um zu bewerten, ob das Geschäft aus Sicht der Gesellschaft und der Aktionäre, die keine nahestehenden Personen sind, angemessen ist. Dies umfasst mindestens Informationen zur Art des Verhältnisses zu den nahestehenden Personen, die Namen der nahestehenden Personen sowie das Datum und den Wert des Geschäfts.

Die Gesellschaft muss die Angaben für einen Zeitraum von mindestens fünf Jahren auf ihrer Internetseite öffentlich zugänglich machen. Handelt es sich bei dem Geschäft zugleich um eine Insiderinformation im Sinne des Art. 17 der Marktmissbrauchsverordnung (MAR), so sind die genannten Angaben in die Ad-hoc-Mitteilung aufzunehmen; eine separate Veröffentlichung ist in diesem Fall entbehrlich.

3. Know your Shareholder

a.    Übermittlung von Informationen über Unternehmensereignisse

Zum Zwecke der besseren Identifikation und Information der Aktionäre, sowie der Verbesserung der Kommunikation der Gesellschaft mit ihren Aktionären sieht das Gesetz detaillierte, überwiegend technische Regelungen zur Übermittlung von Informationen vor. Etwa muss eine Gesellschaft, die nicht ausschließlich Namensaktien ausgegeben hat, Informationen über „Unternehmensereignisse“ – etwa Gewinnausschüttungen oder Hauptversammlungen – an die Intermediäre übermitteln, die Aktien der Gesellschaft verwahren; der jeweilige Intermediär hat die Information sodann dem Aktionär zu übermitteln.

Verwahrt ein Intermediär Aktien für einen anderen Intermediär, haben die einzelnen Intermediäre die Information bis zum Letztintermediär weiterzureichen. Dieser hat die Information dann dem Aktionär zu übermitteln. Umgekehrt haben die Intermediäre die vom Aktionär erhaltenen Informationen über die Ausübung seiner Rechte entweder direkt an die Gesellschaft oder an den jeweils nächsten Intermediär in der Kette weiterzuleiten, wobei der Aktionär Anweisungen zur Informationsübermittlung erteilen kann.

b.    Informationsanspruch der Gesellschaft

Als zentrale Neuregelung beinhaltet das Gesetz einen Informationsanspruch der Gesellschaft gegenüber sämtlichen Intermediären über die Identität eines Aktionärs, dessen Aktien sie verwahren. In der Durchführungsverordnung zur zweiten Aktionärsrechterichtlinie ist im Einzelnen dargestellt, welche Informationen über die Identität eines Aktionärs in der Antwort an die Gesellschaft zu übermitteln sind. Dies sind etwa Name und Vorname, Anschrift und – soweit vorhanden – eine E-Mail-Adresse.

Das Informationsverlangen der Gesellschaft ist bei mehreren Intermediären durch die Kette bis zu dem Letztintermediär, der Aktien für einen Aktionär verwahrt, weiterzuleiten. Der Letztintermediär hat die Auskunft dann grundsätzlich direkt an die Gesellschaft zu übermitteln.

4. Weiterer Zeitplan und Inkrafttreten

Das ARUG II durchläuft derzeit das normale Gesetzgebungsverfahren. Mit Inkrafttreten des Gesetzes ist nach Aussagen von Vertretern des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) in der zweiten Jahreshälfte 2019 zu rechnen; die genauere Entwicklung bleibt abzuwarten.

In Anwendung der enthaltenen Übergangsvorschriften werden die hauptversammlungsbezogenen Neuregelungen zum Say on Pay voraussichtlich ab der kommenden Hauptversammlungssaison im Jahr 2020 zu beachten sein. Die Regelungen zu Related Party Transactions gelten bereits ab Inkrafttreten des Gesetzes. Die Vorschriften zur Identifikation und Kommunikation mit Aktionären (Know your Shareholder) werden voraussichtlich ab Herbst 2020 Anwendung finden.