BFH zum Forderungsverzicht eines Gesellschafters nach Einführung der Abgeltungsteuer

Der Bundesfinanzhof (BFH) setzt mit einer Entscheidung zum Forderungsverzicht eines Gesellschafters seine Rechtsprechung fort, nach der seit Einführung der Abgeltungsteuer grundsätzlich sämtliche Wertveränderungen im Zusammenhang mit Kapitalanlagen zu erfassen sind und dies gleichermaßen für Gewinne und Verluste gilt. Nach Auffassung der Finanzverwaltung betreffen derartige Verluste lediglich die private Vermögensebene. Die Behandlung von Verlusten aus privaten Forderungen wird voraussichtlich im Gesetz zur Einführung einer Pflicht zur Mitteilung grenzüberschreitender Steuergestaltungen, dessen Inkrafttreten für das Jahr 2020 zu erwarten ist, neu geregelt werden.

I. Hintergrund
Der endgültige Ausfall einer privaten Darlehensforderung kann nach Einführung der Abgeltungsteuer zu einem gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7, Satz 2 und Abs. 4 EStG steuerlich zu berücksichtigenden Verlust bei den Einkünften aus Kapitalvermögen führen. Dies hat der BFH mit Urteil vom 24.10.2017 (Az.: VIII R 13/15) bereits für den insolvenzbedingten Ausfall einer privaten Darlehensforderung entschieden. Mit seinem Urteil vom 06.08.2019 (Az.: VIII R 18/16) zum Forderungsverzicht eines Gesellschafters setzt der BFH seine Rechtsprechung fort, nach der seit Einführung der Abgeltungsteuer grundsätzlich sämtliche Wertveränderungen im Zusammenhang mit Kapitalanlagen zu erfassen sind und dies gleichermaßen für Gewinne und Verluste gilt.

II. Urteil des BFH vom 06.08.2019
1.  Sachverhalt
Im Streitfall war der Kläger zu mehr als 10 % an einer GmbH beteiligt. Er hatte Forderungen gegen die GmbH im Nennwert von rd. 800.000 Euro für einen Kaufpreis von rd. 365.000 Euro erworben. Der Kläger verzichtete gegenüber der GmbH auf einen Teilbetrag seiner Darlehensforderung in Höhe von 275.000 Euro. Der Kläger ging von einem teilentgeltlichen Erwerb (43,5 %) der Darlehensforderung aus und machte einen Veräußerungsverlust in Höhe von 119.625 Euro (43,5 % von 275.000 Euro) geltend. Dem folgten Finanzamt und Finanzgericht nicht.
2.  Urteilsgründe
Der BFH differenziert hinsichtlich der steuerlichen Behandlung des Forderungsverzichts nach der Werthaltigkeit der Forderung:

  • Der Verzicht eines Gesellschafters auf eine Forderung gegen die Gesellschaft führt demnach zu einer Einlage i.S. des § 20 Abs. 2 Satz 2 EStG, soweit der Gesellschafter auf den werthaltigen Teil der Forderung verzichtet. Insoweit führt der Forderungsverzicht somit beim Gesellschafter zu einer Erhöhung der Anschaffungskosten auf die Beteiligung an der Gesellschaft.
  • In Höhe des nicht werthaltigen Teils stellt der BFH den Forderungsverzicht der Abtretung einer nicht werthaltigen Forderung gleich (§ 20 Abs. 2 S. 2 EStG). In Höhe des nicht werthaltigen Teils der Forderung kann der Gesellschafter somit grundsätzlich seinen Verlust steuerlich geltend machen.

Im Streitfall blieb dem Kläger gleichwohl die steuerliche Geltendmachung eines Forderungsausfalls für den nicht werthaltigen Teil der Forderung versagt. Voraussetzung hierfür wäre gewesen, dass dem Kläger für den nicht werthaltigen Teil der Forderung Anschaffungskosten entstanden wären. Aufgrund des kurzen Zeitraums zwischen dem Erwerb der Forderungen und dem Verzicht nahm der BFH jedoch an, dass die vom Kläger getragenen Anschaffungskosten in Höhe von rd. 365.000 Euro ausschließlich dem werthaltigen Teil der Forderungen zuzuordnen waren. Da der Verzicht in Höhe von 275.000 Euro den nicht werthaltigen Teil der Forderungen (800.000 Euro ./. 365.000 Euro = 435.000 Euro) nicht überstieg, standen dem Verzicht keine Anschaffungskosten gegenüber. Durch den Verzicht wurde folglich die Leistungsfähigkeit des Klägers nicht gemindert, so dass kein steuerlich zu berücksichtigender Verlust vorlag.

III. Aktuelle Entwicklungen in der Gesetzgebung
Die Auffassung der Finanzverwaltung, nach der beim Verzicht auf den nicht werthaltigen Teil der Forderung ein steuerlich nicht zu berücksichtigender Forderungsausfall auf der privaten Vermögensebene vorliegt (BMF v. 17.01.2019, BStBl. I 2019, 51, Rz. 61), sollte ursprünglich mit dem sog. Jahressteuergesetz 2019 (Gesetz zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften) gesetzlich festgeschrieben werden . Um das Inkrafttreten des Jahressteuergesetzes 2019 nicht zu behindern, wurde die in der Regierungskoalition stark umstrittene Neuregelung jedoch aus dem Jahressteuergesetz 2019 herausgenommen und soll nun im Gesetz zur Einführung einer Pflicht zur Mitteilung grenzüberschreitender Steuergestaltungen mitgeregelt werden, dessen Inkrafttreten für 2020 zu erwarten ist.

Dem Vernehmen nach sieht der Kompromiss, auf den sich die Regierungskoalition geeinigt hat, in Bezug auf Verluste aus der ganzen oder teilweisen Uneinbringlichkeit von Kapitalforderungen vor, dass diese im Entstehungsjahr nur mit Einkünften aus Kapitalvermögen bis zur Höhe von 10.000 Euro ausgeglichen werden können. Nicht verrechnete Verluste können auf Folgejahre vorgetragen werden und jeweils in Höhe von 10.000 Euro mit Einkünften aus Kapitalvermögen verrechnet werden. Die Neuregelung soll für alle Verluste gelten, die nach dem 31.12.2019 entstehen. Ob eine derartige Streckung der Verlustverrechnung im Hinblick auf die damit einhergehende Ungleichbehandlung von Gewinnen und Verlusten vom Bundesverfassungsgericht akzeptiert würde, kann mit guten Gründen bezweifelt werden. Zu hoffen ist daher, dass im weiteren Gesetzgebungsverfahren die Regelungen zu Verlustverrechnung noch einmal überprüft und ggf. geändert werden.

Ebenfalls geplant ist eine gesetzliche Definition der Anschaffungskosten im Rahmen von § 17 EStG  (§ 17 Abs. 2a EStG-E). Nach der neueren Rechtsprechung des BFH (siehe hierzu Newsletter 1/2019 „Nachträgliche Anschaffungskosten auf Beteiligungen nach § 17 EStG: Finanzverwaltung folgt der neueren Rechtsprechung des BFH“) waren ausgefallene Darlehensforderungen des Gesellschafters einer GmbH regelmäßig nicht mehr als nachträgliche Anschaffungskosten auf die Beteiligung anzusehen. Mit der Neuregelung sollen die alten BFH-Grundsätze wiederhergestellt werden. Zu den (nachträglichen) Anschaffungskosten sollen demzufolge insbesondere (wieder) gehören: (i) Offene und verdeckte Einlagen, (ii) Darlehensverluste, soweit die Gewährung oder das Stehenlassen des Darlehens mit der Krise der Gesellschaft gesellschaftsrechtlich veranlasst war und (iii) Ausfälle von Bürgschaftsregressforderungen und vergleichbaren Forderungen, soweit die Hingabe oder das Stehenlassen der betreffenden Sicherheit gesellschaftsrechtlich veranlasst war. Von einer gesellschaftsrechtlichen Veranlassung soll immer dann auszugehen sein, wenn ein fremder Dritter das Darlehen oder die Bürgschaft bei sonst gleichen Umständen zurückgefordert oder nicht gewährt hätte.