Verschärfung der grunderwerbsteuerlichen Regelungen für sog. Share Deals
Am 31.7.2019 hat das Bundeskabinett den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes beschlossen. Die geplanten Änderungen sind für die Transaktionspraxis bei Share Deals von erheblicher Bedeutung. Die Details der Neuregelung, insbesondere die Schaffung eines neuen Ergänzungstatbestands für Kapitalgesellschaften, sind in der Praxis sehr umstritten.
I. Hintergrund
Eine Verschärfung der grunderwerbsteuerlichen Regelungen für sog. Share Deals wird schon seit längerem diskutiert, um missbräuchliche Steuergestaltungen bei Immobilientransaktionen zu bekämpfen. Als „Share Deal“ werden dabei die (un-)mittelbaren Übertragungen von Anteilen an einer grundbesitzenden Gesellschaft bezeichnet, die für Zwecke der Grunderwerbsteuer der Übertragung eines Grundstücks gleichgestellt sind.
Der Gesetzesentwurf der Bundesregierung geht zurück auf ein Eckpunktepapier der Finanzministerkonferenz (siehe hierzu GLNS Newsletter 2/2018). [Zunächst waren die geplanten Neuregelungen Teil des Referentenentwurfs eines Gesetzes zur steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften (JStG 2019) und wurden nun in einen eigenständigen Gesetzentwurf ausgelagert.]
Die Neuregelungen sollen grundsätzlich erstmals für Erwerbsvorgänge zur Anwendung kommen, die nach dem 31.12.2019 verwirklicht werden. Aus Gründen des verfassungsrechtlich gebotenen Vertrauensschutzes sind umfassende und komplexe Übergangsregelungen vorgesehen.
II. Wesentliche Änderungen
Der Gesetzesentwurf sieht folgende Neuregelungen vor:
- Schaffung eines neuen Ergänzungstatbestands für Kapitalgesellschaften
Entsprechend der bereits geltenden Rechtslage zur Steuerbarkeit von Gesellschafterwechseln bei grundbesitzenden Personengesellschaften soll eine vergleichbare Regelung für den Gesellschafterwechsel bei Kapitalgesellschaften eingeführt werden (§ 1 Abs. 2b GrEStG-E). Änderungen im Gesellschafterbestand einer grundbesitzenden Kapitalgesellschaft in einem Umfang von mindestens 90 % innerhalb eines Zeitraums von 10 Jahren sollen Grunderwerbsteuer auslösen. Unbeachtlich ist dabei, ob ein einzelner Gesellschafter die maßgebliche Beteiligungsschwelle von 90 % erreicht.
Mit diesen Änderungen sollen bislang gängige Gestaltungen erschwert werden, bei denen der Anfall von Grunderwerbsteuer beim Erwerb von grundbesitzenden Kapitalgesellschaften durch einen „mitgebrachten“ Co-Investor verhindert wird.
- Absenkung der 95 %-Grenze
Die Ergänzungstatbestände (§ 1 Abs. 2a, § 1 Abs. 3 und § 1 Abs. 3 a GrEStG) sehen vor, dass die Übertragung von Anteilen an grundbesitzenden Gesellschaften der Übertragung des Grundstücks unter bestimmten Voraussetzungen gleichgestellt wird. Die bisherige Beteiligungsgrenze soll von derzeit mindestens 95 % der Anteile auf mindestens 90 % der Anteile gesenkt werden.
- Verlängerung von Behaltensfristen
Die grunderwerbsteuerlichen Behaltensfristen (bspw. § 1 Abs. 2a, § 5 und § 6 GrEStG) sollen von derzeit 5 Jahren auf künftig 10 Jahre verlängert werden.
Die Neuregelungen sind erstmalig für Erwerbsvorgänge anzuwenden, die nach Ablauf des 31.12.2019 verwirklicht werden (§ 23 Abs. 17 GrEStG-E).
Die geplanten Änderungen (bspw. Absenkung der Beteiligungsgrenzen und die Verlängerung von Fristen) haben grundsätzlich auch Bedeutung für Rechtsvorgänge der Vergangenheit. Die allgemeine Übergangsregelung wird aus Gründen des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes durch verschiedene und teilweise sehr komplexe Übergangsregelungen ergänzt, deren Anwendung im Einzelnen teilweise noch unklar ist.
Fallen bei einem Share Deal Signing und Closing auseinander, gilt hinsichtlich der Anwendung des neuen Ergänzungstatbestands für Kapitalgesellschaften (§ 1 Absatz 2b GrEStG-E) Folgendes:
Die Neuregelung ist nicht auf Übertragungsvorgänge von Anteilen an grundbesitzenden Kapitalgesellschaften anzuwenden, wenn (i) der Share Deal auf einem schuldrechtlichen Geschäft beruht, das innerhalb eines Jahres vor der Einbringung des Gesetzesentwurfs in den Bundestag abschlossen wurde (Signing) und (ii) dieses Verpflichtungsgeschäft innerhalb eines Jahres nach der Einbringung des Gesetzesentwurfs in den Bundestag erfüllt wird (Closing).
III. Ausblick
Der derzeitige Gesetzesentwurf wird erhebliche Auswirkungen auf die Share Deals haben und in vielen Fällen zu einer deutlichen grunderwerbsteuerlichen Mehrbelastung führen. Problematisch ist, dass der neue Ergänzungstatbestand hinsichtlich eines (mittelbaren) Gesellschafterwechsels bei Kapitalgesellschaften zu erheblichen Vollzugsproblemen führen kann. Denn auch ein geringfügiger mittelbarer Gesellschafterwechsel auf höheren Beteiligungsebenen kann künftig ggf. Grunderwerbsteuer auf Ebene der grundbesitzenden Kapitalgesellschaft auslösen, wenn durch diesen Wechsel die maßgebliche 90 %-Schwelle überschritten wird. Auch für börsennotierte Aktiengesellschaften mit inländischem Grundbesitz wird die Neuregelung Schwierigkeiten mit sich bringen, da auch die Übertragung von im Free Float befindlichen Aktien schädlich sein kann. Offen ist noch, ob sich die Wirtschaftsverbände mit ihrer Forderung nach einer sog. Börsenklausel im weiteren Gesetzgebungsverfahren durchsetzen werden können.
Bevorstehende Share Deals sollten im Hinblick auf die gesetzlichen Neuregelungen sorgfältig geprüft werden.