Referentenentwurf über die Änderungen der Anti-Treaty Shopping-Regelungen

Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat im November 2020 einen Referentenentwurf für ein Gesetz zur Modernisierung der Entlastung von Abzugsteuern und der Bescheinigung von Kapitalertragsteuer (AbzStEntlModG) veröffentlicht. Neben zahlreichen Änderungen zur Durchführung des Abzugs- und Erstattungsverfahrens sieht der Entwurf auch eine Neufassung der sog. Anti-Treaty Shopping-Regelung (§ 50d Abs. 3 EStG-E) vor.

I.    Hintergrund
Die Anti-Treaty Shopping-Regelung (§ 50d Abs. 3 EStG) schränkt den Anspruch eines ausländischen Gesellschafters auf Freistellung bzw. Erstattung von Kapitalertragsteuer auf Grundlage eines Doppelbesteuerungsabkommen (DBA), der Mutter-Tochter-Richtlinie (§43b EStG), der Zins- und Lizenzgebühren-Richtlinie (§ 50g EStG) sowie der unilateralen Reduktion der Kapitalertragsteuer bei beschränkter Körperschaftsteuerpflicht (§ 44a Abs. 9 EStG) ein (sog. Entlastungsberechtigung). Die Norm soll verhindern, dass sich beschränkt Steuerpflichtige, denen selbst kein Anspruch auf Entlastung von Kapitalertragsteuer nach DBA oder EU-Recht zusteht, die Entlastung durch die – vermeintlich missbräuchliche – Zwischenschaltung ausländischer Gesellschaften verschaffen.

II.    Neuregelung
Ziel der Neufassung des § 50d Abs. 3 EStG-E ist es, die Anti-Treaty Shopping-Regelung an die Rechtsprechung des EuGH anzupassen (Rechtssachen C-504/16 (Deister Holding) und C-613/16 (Juhler Holding)) und den Vorgaben ATAD-Richtlinie Rechnung tragen.

1.    Vermutung eines Gestaltungsmissbrauchs
Der Gesetzesentwurf sieht vor, dass eine Entlastungsberechtigung dann nicht in Anspruch genommen werden kann, wenn eine missbräuchliche Gestaltung vorliegt (§ 50d Abs. 3 Satz 1 EStG-E). Eine missbräuchliche Gestaltung wird (widerleglich) vermutet, wenn
(i)    an der ausländischen Gesellschaft Personen beteiligt sind, denen der konkrete Entlastungsanspruch nicht zustünde, wenn diese Personen die Einkünfte unmittelbar, d.h. ohne Zwischenschaltung der ausländischen Gesellschaft, erzielen würden

und

(ii)    die Einkunftsquelle keinen wesentlichen Zusammenhang mit einer Wirtschaftstätigkeit dieser ausländischen Gesellschaft aufweist. Keine eigene Wirtschaftstätigkeit ist der bloße Bezug von Einkünften (bspw. Dividenden oder Lizenzeinnahmen) und deren Weiterleitung an die Gesellschafter (passive Beteiligungsverwaltung). An einer eigenen Wirtschaftstätigkeit soll es auch fehlen, soweit die Tätigkeit der ausländischen Gesellschaft nicht mit einem für den Geschäftszweck angemessen eingerichteten Geschäftsbetrieb ausgeübt wird.

2.    Möglichkeit des Gegenbeweises / Ausnahme für börsennotierte Gesellschaften

Die Vermutung einer missbräuchlichen Gestaltung (siehe oben 1.) kann widerlegt werden, soweit die ausländische Gesellschaft nachweist, dass der Hauptzweck der Zwischenschaltung der ausländischen Gesellschaft nicht die Erlangung eines steuerlichen Vorteils (sog. Principal Purpose Test) ist. Ob dies der Fall ist, ist unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls zu ermitteln, wobei sämtliche außersteuerlichen Gründe (auch solche, die sich aus einem Konzernverhältnis ergeben) zu berücksichtigen sind.
Wie bisher soll die Anti-Treaty Shopping-Regelung bei börsennotierten ausländischen Gesellschaften nicht greifen. Von der Börsenklausel künftig nicht mehr erfasst sind Fälle, in denen eine börsennotierte Gesellschaft Anteilseigner der ausländischen Gesellschaft ist, d.h. die Börsenklausel greift nur noch, wenn die unmittelbar beteiligte ausländischen Gesellschaft börsennotiert ist.  

III.    Ausblick
Positiv an der geplanten Neuregelung ist, dass die Vermutung einer missbräuchlichen Gestaltung durch sämtliche außersteuerliche Gründe widerlegt werden kann.
Die geplante Neuregelung ist teilweise jedoch auch mit Verschärfungen gegenüber der heute gültigen Rechtslage verbunden. So soll es hinsichtlich der Entlastungsberechtigung künftig darauf ankommen, ob der Anteilseigner der ausländischen Gesellschaft – wenn er die Beteiligung direkt halten würde – auf Basis derselben Rechtsgrundlage einen Anspruch auf Entlastung hätte, wie die ausländische Gesellschaft selbst.
Würde bspw. die ausländische Gesellschaft eine Entlastungsberechtigung unter der Mutter-Tochter-Richtlinie beanspruchen und wäre der Anteilseigner der ausländischen Gesellschaft (etwa wegen Ansässigkeit in einem Drittland) „nur“ nach einem DBA – ggf. in betragsmäßig gleicher Höhe – entlastungsberechtigt, läge nach der Intention des Gesetzgebers ein vergleichbarer Entlastungsanspruch nicht vor. Allerdings sollte nach der Gesetzesbegründung in den Fällen eines betragsmäßig identischen hypothetischen Entlastungsanspruchs der Nachweis beachtlicher außersteuerlicher Gründe für die Einschaltung der ausländischen Gesellschaft erleichtert sein.