Praxis der grenzüberschreitenden Umwandlungen im Jahr 2020

Das Interesse an der grenzüberschreitenden Verlegung von Gesellschaften ist ungebrochen. Meist geschieht dies unter gleichzeitigem Wechsel der gesellschaftsrechtlichen Form. Doch noch fehlt es an einem einheitlichen rechtlichen Rahmen mit klaren Verfahrensabläufen. Bis zur Umsetzung der Mobilitätsrichtlinie ((EU) 2019/2121) ist es an der Praxis und insbesondere der Rechtsprechung Orientierung zu bieten. Doch mangels eindeutiger Rechtsprechung im Jahr 2020 bleibt es dabei: Nur der Einbezug von erfahrenen Beratern in den betroffenen Jurisdiktionen und die frühzeitige Abstimmung mit den Registerstellen bringt Rechtssicherheit und Planbarkeit.

1.    Einleitung

Die Motive für einen Umzug einer Gesellschaft in ein anderes Land sind vielfältig. Neben steuerlichen Vorteilen können Haftungsbeschränkungen, verminderte Offenlegungspflichten, klarere regulatorische Vorgaben oder eine einfacher zu handhabende Verwaltung die Rechtsordnung eines anderen Staates als vorteilhaft erscheinen lassen. Meist wird der Grenzübertritt begleitet von einer Veränderung der gesellschaftsrechtlichen Form.

Der EuGH hat bereits wiederholt klargestellt, dass auf Basis der Niederlassungsfreiheit auch bisher nicht explizit gesetzlich geregelte grenzüberschreitende Umwandlungsvorgänge möglich sein müssen. Mangels gesetzlicher Verfahrensregeln ist der Ablauf einer solchen Umwandlung in den Details jedoch häufig nicht ganz klar. Das beginnt schon damit, welcher zeitliche Rahmen für die Umwandlung realistisch ist und welche Dokumente vorbereitet werden müssen oder ob auf sie verzichtet werden kann. Das gleiche gilt für die Frage, welche internen Gremien einbezogen werden müssen (z.B. Aufsichtsrat, Betriebsrat und/oder die Mitarbeiter) und welche Berater (z.B. Anwälte, Wirtschaftsprüfer und/oder Notare) beauftragt werden sollten.

Das Europäische Parlament hatte zwar bereits am 27. November 2019 die sog. Mobilitätsrichtlinie ((EU) 2019/2121) verabschiedet, die zum 1. Januar 2020 in Kraft getreten ist. Sie enthält klare Abläufe für grenzüberschreitende Formwechsel und Spaltungen zur Neugründung und schafft einen einheitlichen rechtlichen Rahmen. Allerdings ist die Richtlinie erst bis 31. Januar 2023 in nationales Recht umzusetzen, was der deutsche Gesetzgeber bisher nicht getan hat. Eine gewisse Orientierung kann bis dahin die Rechtsprechung zu diesem Themenkreis bieten.

2.    Beschluss des OLG Saarbrücken vom 7. Januar 2020 (5 W 79/19)

In einer kürzlich veröffentlichten Entscheidung befasste sich das OLG Saarbrücken (Beschluss vom 7. Januar 2020; Az.: 5 W 79/19) mit einer deutschen GmbH, die beabsichtigte, ihren Satzungssitz nach Frankreich zu verlegen. Dort sollte sie die Form einer société par actions simplifiée annehmen (vergleichbar einer deutschen Aktiengesellschaft). Das Registergericht Saarbrücken hatte die entsprechende Eintragung abgelehnt und dies damit begründet, dass die bei einem grenzüberschreitenden Formwechsel anzuwendenden Regelungen zur grenzüberschreitenden Verschmelzung in §§ 122a ff. UmwG nicht beachtet wurden. Auf die Beschwerde des Antragstellers hin gelangte die Angelegenheit zum OLG Saarbrücken.

Das OLG stellte im Einklang mit der Rechtsprechung des EuGH klar, dass ein grenzüberschreitender Formwechsel auch schon vor Umsetzung der Mobilitätsrichtlinie zulässig sei. Bezüglich der analog anzuwendenden Regelungsregime hielt das OLG Saarbrücken in erster Linie die Vorschriften des UmwG zum inländischen Formwechsel für anwendbar; diese müssten jedoch richtlinienkonform ausgelegt werden. Daneben seien die Vorschriften für grenzüberschreitende Verschmelzungen (§§ 122a ff. UmwG) zu berücksichtigen, soweit der Schutz Dritter es erfordere. Dritte könnten insbesondere Gläubiger und Arbeitnehmer sein. Keine Anwendung finde die auf Großunternehmen zugeschnittene SE-Verordnung.

Die Entscheidung des OLG Saarbrücken hilft für die Praxis leider nur bedingt weiter. Zwar wurde klargestellt, dass die Vorschriften des UmwG für grenzüberschreitende Verschmelzungen auch beim grenzüberschreitenden Formwechsel zu beachten sind. Mangels Entscheidungserheblichkeit hat sich das OLG Saarbrücken aber nicht zu der für die Praxis wichtigen Frage geäußert, wie diese auf den Fall eines grenzüberschreitenden Formwechsels konkret anzuwenden sind. Und selbst wenn das OLG Saarbrücken die Anwendung der SE-Verordnung für den entschiedenen Fall ausgeschlossen hat: Andere Registergerichte sehen dies dem Vernehmen nach durchaus anders.

3.    Beschluss des OLG Oldenburg vom 30. Juni 2020 (12 W 23/20)

Der grenzüberschreitende Herein-Formwechsel einer Personengesellschaft bildete den Gegenstand eines Beschlusses des OLG Oldenburg vom 30. Juni 2020 (Az.: 12 W 23/20). In dem entschiedenen Fall wollte eine luxemburgische société en commandite simple (ähnlich einer deutschen KG) ihren Sitz nach Deutschland verlegen und diesem Zusammenhang ihre Rechtsform in eine Kommanditgesellschaft nach deutschem Recht umwandeln. Zusätzlich sollte eine deutsche GmbH als Komplementärin aufgenommen werden.

Das zuständige Registergericht hatte die Eintragung der Kommanditgesellschaft ins Handelsregister verweigert. Mangels umwandlungsrechtlicher Regelungen sei der grenzüberschreitenden Formwechsel von Personengesellschaften nicht zulässig. Dem widersprach das OLG Oldenburg: Allein aus Fehlen entsprechender gesetzlicher Bestimmungen im Umwandlungsgesetz dürfe nicht geschlossen werden, dass ein grenzüberschreitender Formwechsel von Personengesellschaften generell nicht möglich sei. Denn der Formwechsel von Personengesellschaften bestimme sich grundsätzlich nach den allgemeinen Vorschriften des deutschen (Handels-)Rechts. Dieses gelte entsprechend auch für internationale Vorgänge. Daher sei ein grenzüberschreitender Formwechsel auch ohne spezifische umwandlungsrechtliche Regelung möglich. Ob der grenzüberschreitende Formwechsel unter Beibehaltung der Identität der Personengesellschaft oder per Auflösung (im Wegzugsstaat) und Neugründung (im Zuzugsstaat) erfolge, bestimme sich nach dem Recht des Wegzugstaates. Dem Recht des Wegzugsstaates obliege auch die Entscheidung, ob und inwieweit für diese Fragestellung auch das Recht des Zuzugsstaats miteinzubeziehen sei. Im entschiedenen Fall war ein identitätswahrender Formwechsel möglich, da beide Rechtsordnungen dies zuließen.

Der Beschluss des OLG Oldenburg ist aus Sicht der Praxis zu begrüßen, zumal Personengesellschaften nicht allzu häufig Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen zu grenzüberschreitenden Umwandlungen sind. Allerdings wird man in der Praxis weiterhin kaum darauf verzichten können, zusätzlich auch die Vorschriften über die grenzüberschreitende Verschmelzung mit im Blick zu haben. Auch die Frage ob die Gesellschaft durch den Grenzübertritt ihre Identität verliert und im Wegzugsstaat aufgelöst wird, kann äußerst gravierende Folgen haben. Es empfiehlt sich daher das Vorhaben und Vorgehen mit Rechtsberatern und Registerstellen aller beteiligten Rechtsordnungen im Vorfeld eng abzustimmen. Da die Mobilitätsrichtlinie nur für Kapitalgesellschaften gilt, ist eine Klärung der offenen Fragen für Personengesellschaften im Zusammenhang mit der deutschen Umsetzung der Richtlinie nach aktuellem Stand eher nicht zu erwarten.

4.    Aus der Praxis: Grenzüberschreitende Verlegung (nur) des Verwaltungssitzes

Die Verlagerung des Verwaltungssitzes einer Kapitalgesellschaft aus Deutschland heraus, z.B. durch eine im Ausland ansässige Geschäftsführung, kann durch rein faktisches Handeln erfolgen und stellt grundsätzlich keine Umwandlung dar. Das deutsche Recht akzeptiert die Verlagerung des Verwaltungssitzes einer Kapitalgesellschaft (innerhalb der EU) grundsätzlich und es kommt nicht zu einer Auflösung der Gesellschaft. Es kann jedoch durchaus sein, dass die Rechtsordnung des Zuzugsstaats bei der Frage des anwendbaren Rechts auf den Verwaltungssitz abstellt. Damit unterliegt die Gesellschaft dann unter Umständen gleich zwei Rechtsordnungen, deren Normen sie jeweils einzuhalten hat, im Einzelfall u.U. mit divergierenden Vorgaben. Daneben sind auch der Mehraufwand im Hinblick auf die Verwaltung der Gesellschaft sowie etwaige nachteilige steuerliche Folgen zu berücksichtigen. Insofern empfiehlt sich auch hier die frühzeitige Einbindung erfahrener Rechtsberater beider betroffenen Jurisdiktionen.

5.    Zusammenfassung und Ausblick

Die Rechtsprechung zu grenzüberschreitenden Formwechseln hat bisher leider noch nicht die für den Rechtsanwender wünschenswerte Klarheit geschaffen. Es ist daher zu hoffen, dass der deutsche Gesetzgeber die Regelungen der Mobilitätsrichtlinie zeitnah umsetzt. Für die Umsetzung der Richtlinie wäre überdies wünschenswert, dass die Mitgliedsstaaten dabei eng zusammenarbeiten, um so eine möglichst große Rechtssicherheit und Effizienz erreichen.

Unabhängig von den noch offenen Rechtsfragen sind grenzüberschreitende Formwechsel schon heute tägliche Praxis. Dabei sollte mit erfahrenen Beratern in den betroffenen Jurisdiktionen intensiv zusammengearbeitet werden, um das Verfahren mit den zuständigen Registern vorabzustimmen. Dies sorgt für Rechtssicherheit und Planbarkeit.