M&A in unsicheren Zeiten – wie kann sich der Unternehmenskäufer schützen?

Wie gehen Unternehmenskäufer in dem gegenwärtigen durch starke Unsicherheiten geprägten Marktumfeld mit dem Risiko einer Verschlechterung des Zielunternehmens um? Taugen bislang in Deutschland selten zum Einsatz kommenden MAC-Klauseln für einen fairen Ausgleich der Interessen beider Seiten?

In der gegenwärtigen durch die weltweite Corona-Pandemie geprägten Zeit gerät bei Unternehmensverkäufen die Frage nach möglichen Absicherungen für den Käufer verstärkt in den Fokus. Dabei ist systematisch zwischen zwei Aspekten zu unterscheiden, nämlich zum einen der Frage, ob eine Transaktion durchgeführt wird oder sich der Käufer unter bestimmten Voraussetzungen hiervon wieder lösen kann. Die zweite Frage betrifft das „wie“, also insbesondere wie der zu zahlenden Kaufpreis ermittelt bzw. durch negative Umstände ggf. reduziert wird.

Hier geht es primär um das „Ob“: gibt es keine zwingenden rechtlichen oder tatsächlichen Gründe, den Abschuss des Unternehmenskaufvertrag (Signing) erst nach Erfüllung bestimmter Vollzugsvoraussetzung dinglich zu vollziehen (Closing), kann das Signing und das Closing gleichzeitig erfolgen und aus Käufersicht besteht zumindest keine Risiko der Verschlechterung des Werts des Unternehmens während der sonst typischerweise mehrere Wochen dauernden Zwischenphase. Ein Rücktrittsrecht für den Käufer ist in dieser Konstellation weder erforderlich noch denkbar.

Im „gestreckten“ Transaktionsprozess – mit dem klassischen Fall der Notwendigkeit der Freigabe der Transaktion durch die Kartellbehörden – kommt es zu einer zeitlichen Verzögerung von mindestens ca. einem Monat, manchmal aber auch zu mehreren Monaten wenn z.B. noch Zustimmungen sonstiger Dritter eingeholt werden müssen oder vor Vollzug Teile des Unternehmens, die nicht Teil der Transaktion sind, ausgegliedert werden müssen. In all diesen Fällen stellt sich die Frage, ob das Risiko einer negativen Entwicklung schon vom Käufer oder noch vom Verkäufer getragen werden soll.

Diesem Risiko kann der Käufer dadurch begegnen, dass der Vertrag weitere Vollzugsbedingungen vorsieht, die ihn nur dann zur Durchführung des Vollzugs verpflichten, wenn bestimmte Ereignisse eintreten bzw. nicht eintreten. Bedarf der Käufer z.B. für die Finanzierung seines Kaufpreises noch der abschließenden Verhandlung und des Abschlusses eines Kreditvertrags, kann er sich gegen das Scheitern der Finanzierung mit einer entsprechenden Vollzugsbedingung schützen. Ein solcher Finanzierungsvorbehalt (Financing-Out) ist regelmäßig für einen Käufer nur sehr schwer durchzusetzen, weil die Transaktion für den Verkäufer dadurch insgesamt unsicher(er) wird. In der aktuellen Situation, in der Banken und andere Fremdkapitalgeber besonders zurückhaltend agieren, kann ein solches Recht für den Käufer häufig der entscheidende Umstand sein, den Unternehmenskaufvertrag überhaupt abzuschließen, statt – wie häufig – insoweit ein gewisses Risiko der Erlangung des Fremdkapitalanteils in Kauf zu nehmen.

Als weitere Vollzugsbedingung kommt in Betracht, dass es bis zum geplanten Vollzugstag nicht zum Eintritt eines sog. Material Adverse Change (MAC), einer wesentlichen nachteiligen Veränderung kommt. Liegt ein MAC-Ereignis vor, ist der Käufer nicht zur Durchführung des Vollzugs verpflichtet bzw. kann dann vom Kaufvertrag zurücktreten. Solche Klauseln sind im deutschen Markt, anders als z.B. in den USA oder in England, selten. Insbesondere in einem grundsätzlich verkäuferfreundlichen Umfeld wie in Deutschland in der jüngeren Vergangenheit war eine solche Absicherung kaum durchsetzbar und aus Käufersicht meist auch nicht erforderlich.    

In der Sache besagt eine MAC-Klausel typischerweise, dass sich markt- und/oder zielunternehmensbezogene Umstände materiell verschlechtern und der Käufer einseitig den Vertrag durch Rücktritt beenden kann bzw. nicht mehr zur Vornahme der von ihm geschuldeten Vollzugshandlungen verpflichtet ist.

Hinsichtlich der Ursache der negativen Veränderung unterscheidet man, erstens, die marktbezogene MAC, d.h. Veränderungen des allgemeinen Marktumfeldes oder der Märkte, in denen die Zielgesellschaft tätig ist (Market MAC). Demgegenüber steht, zweitens, die geschäftsbezogene MAC, bei der es um nachteilige Veränderungen im Geschäftsbetrieb der Zielgesellschaft geht unabhängig davon, ob sie aus dem, Unternehmen selbst und/oder dem Markt herrühren (Company MAC). Eine „reine“ geschäftsbezogene MAC ist, drittens, eine Untervariante der zweiten Variante, bei der es um Verschlechterungen im Zielunternehmen geht, die ausschließlich ihre Ursache im Geschäftsbetrieb der Gesellschaft haben (Business MAC). Eine weitere Variante ist, viertens, die Verknüpfung mit der vom Käufer angestrebten Fremdkapitalfinanzierung, der Financial MAC.

In der Regel kommt es für das Eingreifen einer MAC-Klausel nur auf Umstände an, die nach Abschluss des Unternehmenskaufvertrags eintreten. Noch käuferfreundlicher ist insoweit, wenn auch bereits vor Signing bestehende Umstände relevant sein können, sofern sie sich nur nach Signing negativ auswirken. Um MAC-Klauseln für beide Seiten handhabbar zu machen, vor allem aber für den Verkäufer vorhersehbar, wird regelmäßig versucht dem abstrakten Merkmal der wesentlich nachteiligen Veränderung dadurch Kontur zu geben, dass die Parteien konkretisieren was als „wesentlich“ gelten soll. Hier besteht die Möglichkeit, an singuläre Ereignisse anzuknüpfen (z.B. Widerruf einer betriebsnotwendigen Genehmigung bzw. Nichterteilung eines beantragten gewerblichen Schutzrechts oder das Unterliegen in einem bedeutenden Gerichtsverfahren). Häufig wird auch darauf abgestellt, dass die Auswirkung auf das Unternehmensergebnis (z.B. EBITDA) mindestens einen bestimmten Betrag oder Prozentsatz ausmacht.

Der (mögliche) Rücktritt des Käufers aufgrund des Eingreifen der MAC-Klausel wird rein tatsächlich meist dazu führen, dass die Parteien über eine Anpassung des Kaufvertrags verhandeln werden um die Transaktion doch noch durchzuführen. Dies führt zurück zur eingangs aufgeworfenen Frage des „Wie“ der Absicherung von Unsicherheiten beim Unternehmenskauf. Statt der Vereinbarung einer für den Verkäufer sehr unsicheren MAC-Klausel können die Parteien bei grundsätzlicher Transaktionssicherheit erwarteten Unsicherheiten durch klassische Kaufpreisinstrumente Rechnung tragen. Hierzu zählen sog. Closing Accounts, die anders als bei der vorherrschenden Festkaufpreis-Methode (Locked Box) mit Bezugnahme auf einen historischen Bilanzstichtag die Aufstellung eines Abschlusses zum Closing vorsehen. Diese Closing Accounts ermitteln dann auf den Vollzug den genauen Betrag der Liquidität (Cash), der Nettofinanzverbindlichkeiten (Net Debt) und Über- bzw. Unterschreitungen eines bestimmten Zielwertes des Umlaufvermögens (Working Capital). Negative Veränderungen im Zeitraum zwischen Signing und Closing finden hierin also ihren Niederschlag. Zusätzlich oder alternativ kommt das weitere klassische Instrument des Earn-Out in Betracht, das der erwarteten Unsicherheit über die weitere Geschäftsentwicklung ebenfalls Rechnung tragen kann.

Ob sich MAC-Klauseln in Corona-Zeiten in Deutschland durchsetzen werden scheint fraglich, da sie eine sehr einseitige Risikoverlagerung auf den Verkäufer darstellen und eine belastbare Bestimmung der Tatbestandsvoraussetzungen nicht einfach zu gestalten ist. Wahrscheinlicher erscheint, dass Unternehmenskäufer häufiger als in der Vergangenheit das aus ihrer Sicht vorteilhafte Closing Accounts-Verfahren verlangen werden, das aus Verkäufersicht zumindest Berechenbarkeit über das „Ob“ des Verkaufs gibt.