Der Start-Up-Schutzschild - Erste Erfahrungen aus der Praxis

1.    Einleitung

Am 11. Mai 2020 haben das Bundeswirtschaftsministerium, das Bundesfinanzministerium und die Förderbank KfW die erfolgreiche Aufstellung des sog. Start-up-Schutzschilds verkündet. Mit diesem Start-up-Schutzschild haben Start-Ups die Möglichkeit, staatliche Liquiditätshilfen zu erhalten, wenn sie aufgrund der Corona-Krise Liquiditätsschwierigkeiten erfahren. Das Gesamtvolumen des Start-up-Schutzschildes beträgt 2 Milliarden Euro.

Der Start-Up-Schutzschild besteht strukturell aus zwei Säulen: Säule 1 umfasst die sog. Corona Matching Fazilität, mit der Investoren neben ihren eigenen Investitionen in Start-Ups auch treuhänderisch Investitionen für den Staat vornehmen können, jeweils in einem bestimmten Verhältnis zur eigenen Investitionssumme. Säule 2 umfasst das Bereitstellen von staatlichem Wagniskapital über die jeweiligen zuständigen Landesförderinstitute und die eingebundenen Intermediäre (z.B. in Bayern die BayBG Beteiligungsgesellschaft mbH als Intermediär und die Landesgesellschaft Bayern Kapital GmbH).

Die Corona Matching Fazilität in Säule 1 steht bereits zur Verfügung und wird auch genutzt, so dass es erste Erfahrungen aus dem Markt gibt, über die berichtet werden kann. Hinsichtlich der Säule 2 gibt es offenbar in den meisten Ländern noch kein finales Verfahren oder Programm für die Bereitstellung von Wagniskapital.

2.    Corona Matching Fazilität (Säule 1)

a)    Die Regelungen im Überblick

Mit Hilfe der Corona Matching Fazilität („CMF“), können Venture Capital Fonds die von ihnen investierten Mittel durch staatliche Mittel „matchen“ lassen, sofern es sich hierbei um Eigenkapitalinvestments handelt. Venture Debt-Finanzierungen werden unter der CMF nicht berücksichtigt. Dabei kann eine VC-Fondsmanagementgesellschaft bei der KfW Capital oder dem Europäischen Investitionsfonds („EIF“) beantragen, dass diese den Investitionsbetrag des VC-Fonds in einem bestimmten vorab generell festgelegten Verhältnis „matcht“. Der staatliche „Match“-Betrag wird der VC-Fondsmanagementgesellschaft zur Verfügung gestellt und von dieser selber treuhänderisch für die KfW Capital bzw. den EIF investiert. Die VC-Fondsmanagementgesellschaft und KfW Capital bzw. EIF schließen hierzu eine Co-Investment- und Treuhandvereinbarung ab, wonach die VC-Fondsmanagementgesellschaft die staatlichen Mittel als Treuhänder der KfW Capital bzw. des EIF investiert und - nach Abschluss der jeweiligen Finanzierungsrunde - die hierfür ausgegebenen Anteile an dem Start-up treuhänderisch für die KfW Capital bzw. den EIF hält.

Voraussetzung für den Erhalt von Mitteln unter der Corona Matching Fazilität ist, dass es sich bei der VC-Fondsmanagementgesellschaft um einen europäischen akkreditierten und unabhängigen VC-Fondsmanager handelt. Die Akkreditierung erfolgt bei der KfW Capital oder dem EIF. „Unabhängig“ bedeutet, dass das Fondsvermögen mehrheitlich privat gehalten werden muss, wobei aber keiner der privaten Investoren eine Mehrheitsbeteiligung an dem Fonds halten darf. Außerdem muss das jeweilige Start-up eine Due Diligence durch die KfW Capital bzw. den EIF erfolgreich durchlaufen. Antragsberechtigt ist nur die VC-Fondsmanagementgesellschaft und nicht der gemanagte VC Fonds oder das betroffene Start-up. Für das staatliche Investment muss die VC-Fondsmanagementgesellschaft ein neues Investmentvehikel aufsetzen, das keine anderen Investoren haben darf und durch das nur die staatlichen Mittel unter der CMF investiert werden dürfen.

Auch die betroffenen Start-ups müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllen, damit ein „Matching“ unter der CMF für sie in Betracht kommt: Es müssen Start-ups mit starkem Deutschlandbezug sein. Es darf keine Mehrheitsbeteiligung einzelner Finanz- oder strategischer Investoren geben und das Start-up darf zum 31. Dezember 2019 nicht in finanziellen Schwierigkeiten gewesen sein (nach der EU-Definition gemäß der Leitlinien für staatliche Beihilfen zur Rettung und Umstrukturierung nichtfinanzieller Unternehmen in Schwierigkeiten, EU C249/1 vom 31. Juli 2014, und der Verordnung (EU) Nr. 651/2014 der Kommission vom 17. Juni 2014 zur Feststellung der Vereinbarkeit bestimmter Gruppen von Beihilfen mit dem Binnenmarkt in Anwendung der Artikel 107 und 108 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union - Gruppenfreistellungsverordnung).

In formaler Hinsicht ist unter der CMF Voraussetzung, dass die Finanzierungsdokumentation der betroffenen Finanzierungsrunde bis zum 31. Dezember 2020 unterzeichnet ist. Ein rückwirkender Einbezug von CMF-Mitteln für den Zeitraum ab dem 2. April 2020 ist wohl möglich, sofern dieser Einbezug in der zugrundeliegenden Finanzierungsdokumentation angelegt ist.

Neben diesen Voraussetzungen ist die wohl wichtigste Regelung, dass die VC-Fondsmanagementgesellschaft das „Matching“-Verhältnis (oder auch „Matching“-Quote genannt), das sie unter der CMF anwenden möchte, für den jeweiligen VC-Fonds einheitlich festlegen muss. Dieses „Matching“-Verhältnis kann maximal 70% CMF-Mittel zu 30% eigene VC-Fonds Mittel betragen. Als weiteres Kriterium darf der CMF-Anteil insgesamt pro Finanzierungsrunde, also im Verhältnis zum gesamten Investitionsbetrag dieser Finanzierungsrunde, bei maximal 50% liegen. Der VC-Fonds, der CMF-Mittel investiert, muss damit für alle weiteren getätigten Investitionen für Bestands- oder Neuinvestments ein einheitliches „Matching“-Verhältnis anwenden. Damit soll verhindert werden, dass der betroffene VC-Fonds die CMF-Mittel nur für weniger attraktive Investments verwendet und die eigenen Mittel auf die attraktiveren Investments konzentriert. Darüber hinaus muss die Investition der CMF-Mittel unter den gleichen wirtschaftlichen Bedingungen wie für den VC-Fonds getätigt werden (pari passu), damit die staatlichen CMF-Mittel nicht als EU-rechtswidrige Beihilfe qualifiziert werden können.

b)    Erste Erfahrungen aus der Praxis zur CMF

Die Festlegung des Matching-Verhältnisses von maximal 30/70 ist aus Sicht der VC-Szene relativ großzügig bemessen. Gleichwohl haben einzelne Fonds versucht, attraktive anstehende oder laufende Finanzierungsrunden noch abzuschließen, bevor sie CMF-Mittel in Anspruch genommen haben, um potenziell attraktive Investments noch ohne Matching durchführen zu können, und sich so das volle Upside zu sichern.

Hinsichtlich der Regelung zur rückwirkenden Einbeziehung scheint in der Praxis Unklarheit zu bestehen. Grundsätzlich gilt, dass eine staatliche Investition nicht rückwirkend erfolgen darf, damit sie unter EU-Beihilferecht zulässig ist. Denn sonst wäre eine staatliche Investition nicht pari passu unter den gleichen wirtschaftlichen Bedingungen wie durch den VC-Fonds getätigt und könnte damit nicht beihilferechtskonform sein. Allerdings proklamiert die KfW Capital ausdrücklich, dass ein rückwirkender Einbezug von CMF-Mitteln unter bestimmten Bedingungen möglich sein soll.

Für Kritik sorgt das Erfordernis der Akkreditierung als VC-Fonds. Damit ist die relativ attraktive und bereits zur Verfügung stehende Säule 1 für den breiten Kreis von Business Angel-Investoren, Family Offices etc. nicht verfügbar, obwohl auch statistisch gesehen gerade diese Investoren einen ausgesprochen wichtigen Beitrag zur deutschen Start-up-Wirtschaft leisten, gerade im frühphasigen Bereich. Es fragt sich, ob der Schutz vor missbräuchlicher Verwendung der CMF nicht auch auf anderem Wege sichergestellt werden könnte.

3.    Investitionsmittel über die Landesfördergesellschaften (Säule 2)

Die Umsetzung des Start-Up Schutzschildes in der 2. Säule auf Landesebene ist noch nicht vollständig abgeschlossen, so dass es noch an einschlägigen Erfahrungsberichten fehlt. Die wichtigsten Eckpunkte der 2. Säule stehen aber mittlerweile fest, und betroffene Start-Ups können nunmehr Anträge hierunter bei dem zuständigen Landesförderinstitut stellen.

In dieser 2. Säule gewährt die KfW ein Globaldarlehen an die jeweiligen Landesförderinstitute zur Förderung von Start-Ups, an denen kein VC-Fonds beteiligt ist, und die Landesförderinstitute geben die erhaltenen Beträge an die Start-Ups weiter. Diese Förderung darf von Start-Ups für Anschaffungen (Investitionen) oder laufende Kosten (Betriebsmittel) verwendet werden.

Voraussetzung ist, dass das betroffene Start-Up seinen wirtschaftlichen Schwerpunkt in Deutschland hat. Das ist dann der Fall, wenn das Start-Up seine Hauptverwaltung in Deutschland hat oder überwiegend in Deutschland geschäftstätig ist oder zumindest 50 % seiner Vollzeitkräfte in Deutschland beschäftigt. Sein jährlicher Gruppenumsatz darf 75 Mio. Euro nicht überschreiten. Zudem darf das Unternehmen zum 31. Dezember 2019 nicht in wirtschaftlichen Schwierigkeiten (gemäß EU-Definition) gewesen sein.

Technisch erfolgt die Förderung durch die Landesförderinstitute als Mezzanine- oder Beteiligungsfinanzierung und durch eine Garantie des Bundes abgesichert. Der öffentliche Förderanteil je Finanzierung kann bei maximal 800.000 Euro liegen. Im Rahmen dieser Finanzierung können auch private Investoren miteingebunden werden.