Arglistige Täuschung beim Unternehmenskauf – OLG München zu falschen Angaben des Verkäufers über die wirtschaftliche Situation der Zielgesellschaft und unterlassene Aufklärung über Krisenanzeichen im Unternehmen

I. Einleitung

In Unternehmenskaufverträgen vereinbaren die Parteien oft ein eigenständiges umfassendes Haftungsregime und schließen die gesetzlichen Gewährleistungs- bzw. Schadensersatzrechte meist gänzlich aus. Die Haftung für Vorsatz ist im Voraus allerdings nicht abdingbar.  In der Praxis der Post-M&A-Streitigkeiten spielen daher oft Schadensersatzansprüche wegen arglistiger Täuschung des Verkäufers eine große Rolle sowie die ebenfalls nicht vertraglich abdingbare Anfechtung des Kauvertrags durch den Käufer wegen arglistiger Täuschung. Das Oberlandesgericht München hat jüngst eine arglistige Täuschung des Verkäufers durch dessen falsche Angaben über die wirtschaftliche Situation der Zielgesellschaft sowie unterlassener Aufklärung über bestehende Anzeichen für eine finanzielle Krise der Gesellschaft verwirklicht gesehen (OLG München, Urt. v. 03.12.2020 – Az. 23 U 5742/19). Das Urteil demonstriert, dass der Verkäufer ein sehr reelles Risiko trägt, aus arglistiger Täuschung zu haften, da die Hürden zur arglistigen Täuschung schneller überschritten sein können als gemeinhin oft angenommen.

II. Sachverhalt

Gegenstand der Entscheidung ist der Erwerb einer GmbH & Co. KG, die eine Diskothek betrieb.
Die Käufer hatten sich auf eine Annonce des Verkäufers gemeldet, in der ausdrücklich ein „sehr schneller return of invest“ prognostiziert wurde. In den anschließenden Verkaufsverhandlungen überreichte der Verkäufer den Käufern einen testierten Jahresabschluss der Zielgesellschaft zum 31. Dezember 2012 sowie betriebswirtschaftliche Auswertungen („BWA“) für das Jahr 2013. Der Jahresabschluss wies einen Jahresfehlbetrag aus, die BWAs negative Betriebsergebnisse.  Auf Nachfrage der Käufer zum negativen Ergebnis der BWA erklärte der Verkäufer, die Bedenken könnten mit den aktuellen positiven Umsätzen entkräftet werden und, „das Ganze ginge jetzt wieder erheblich ins Plus“. Näheres könnten die Käufer vom eingeschalteten Steuerberater erfahren.

In den Vorjahren hatte die Gesellschaft ausschließlich Verluste erwirtschaftet. Zudem hatten sich bereits im Jahr 2012 erhebliche Liquiditätsprobleme abgezeichnet. Über diese Umstände hatten weder der Verkäufer noch der Steuerberater die Käufer aufgeklärt. Anzeichen für einen nachhaltigen finanziellen Aufschwung der Gesellschaft gab es nicht.

Kurze Zeit nach dem Erwerb der Zielgesellschaft mussten die Käufer für diese einen Insolvenzantrag stellen. Den Kaufvertrag fochten die Käufer wegen arglistiger Täuschung an und verlangten vom Verkäufer Schadensersatz wegen vorvertraglicher Aufklärungspflichtverletzung.

III. Entscheidung/Grundlagen der arglistigen Täuschung

Das OLG München stellte fest, dass der Verkäufer die Käufer durch das Vorspiegeln falscher Tatsachen sowie das Verschweigen relevanter Umstände arglistig getäuscht habe.  Die Käufer durften den Kaufvertrag daher anfechten und seien zum Schadensersatz berechtigt.

1. Täuschungshandlung: Positives Tun oder Verletzung von Aufklärungspflichten

Eine Täuschung kann durch positives Handeln oder durch ein Unterlassen erfolgen.

Ein Täuschen durch aktives Tun kann im Vorspiegeln falscher bzw. der Entstellung grundsätzlich zutreffender Tatsachen liegen. Tatsachen sind vergangene und gegenwärtige Umstände, die dem Beweis zugänglich sind. Prognosen über zukünftige Ereignisse, lediglich subjektive Werturteile oder „marktschreierische Anpreisungen“ bzw. Werbung ohne sachlichen Gehalt sind keine Tatsachenbehauptungen, sofern diese Angaben nicht einen nachprüfbaren Tatsachenkern enthalten.

Ein Unterlassen ist dann täuschungsrelevant, wenn die jeweilige Vertragspartei eine Aufklärungspflicht trifft. Im Rahmen von Unternehmenskaufverträgen hat der Bundesgerichtshof bereits wiederholt entschieden, dass für den Verkäufer die Pflicht besteht, den Käufer ungefragt über solche Umstände aufzuklären, die dessen Vertragszweck vereiteln können und daher für seinen Entschluss von wesentlicher Bedeutung sind, sofern er die Mitteilung nach der Verkehrsauffassung erwarten konnte. Aufzuklären ist regelmäßig insbesondere über in der Vergangenheit erwirtschaftete Verluste der Zielgesellschaft.

Das OLG München sah hier im Verhalten des Verkäufers gleich mehrere Täuschungshandlungen verwirklicht: Zum einen habe der Verkäufer die wirtschaftliche Situation der Gesellschaft durch seine Aussagen gegenüber den Käufern verzerrt dargestellt (Täuschung durch aktives Tun). Die Aussage des Verkäufers, „das Ganze ginge jetzt wieder erheblich ins Plus“ sei für die Käufer so zu verstehen gewesen, dass die Gesellschaft in der Vergangenheit Gewinne erwirtschaftet habe und dies nun auch wieder tue. Dies sei aber falsch gewesen. Zudem entbehre die Aussage „sehr schneller return of invest“ angesichts der bisherigen Verluste jeglicher Grundlage. Vermissen lässt das Gericht allerdings eine Auseinandersetzung damit, ob es sich bei dem angepriesenen „return of invest“ tatsächlich um eine Tatsachenbehauptung, oder nicht eher um eine Prognose handelte. Daneben habe der Verkäufer auch pflichtwidrig nicht über die in der Vergangenheit erzielten Verluste sowie die bestehenden Anzeichen einer finanziellen Krise aufgeklärt und dadurch die Käufer ebenfalls getäuscht (Täuschung durch Unterlassen).

Diese Täuschungshandlungen „entfielen“ nach Ansicht des OLG München auch nicht durch die den Käufern zur Verfügung gestellten Unterlagen und/oder die Möglichkeit, Fragen an den Steuerberater zu stellen. Die Käufer hätten auf die ausdrücklichen Aussagen des Verkäufers vertrauen dürfen und hätten die ihnen überlassenen Informationen nicht daraufhin durchzusehen brauchen, ob und inwieweit diese Aussagen der Wahrheit entsprachen. Auch seine Aufklärungspflicht habe der Verkäufer durch die überlassenen Unterlagen nicht erfüllen können, da diese kein klares, vollständiges Bild der wirtschaftlichen Lage der Zielgesellschaft zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses zeichneten. Der Verkäufer könne sich auch nicht mit Verweis auf seinen Steuerberater entlasten, da eine Pflicht zur Aufklärung durch den Verkäufer unabhängig von konkreten Nachfragen der Käufer bestanden habe.

2. Arglist

Die Täuschung muss zudem arglistig erfolgt sein. Anders als der Begriff vermuten lässt, setzt arglistiges Verhalten keine moralisch verwerfliche Gesinnung oder besondere Schädigungsabsicht des Handelnden voraus. Vielmehr ist die „Arglist“ mit Vorsatz gleichzusetzen. Ausreichend für arglistiges Verhalten ist auch bedingter Vorsatz. Bedingter Vorsatz setzt voraus, dass der Handelnde den Erfolg als möglich voraussieht und mit dem Erfolgseintritt einverstanden ist oder diesen jedenfalls billigend in Kauf nimmt.  Ein Fall des bedingten Vorsatzes ist die Abgabe einer falschen Erklärung ins Blaue hinein. Eine Erklärung ins Blaue hinein liegt dann vor, wenn diese ohne tatsächliche Grundlage aufstellt wurde bzw. dem Erklärenden die zur sachgemäßen Beurteilung erforderlichen Kenntnisse fehlen und er dem anderen Teil seine fehlende Sachkenntnis verschweigt.

Nach Ansicht des OLG München hatte der Verkäufer auch arglistig gehandelt. Er habe gewusst, dass seine Aussagen falsch seien, bzw. diese jeglicher Grundlage entbehrten. Zudem sei sich der Verkäufer auch der Krisenanzeichen bewusst gewesen und habe es zumindest für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen, dass eine vollständige, ungeschönte Aufklärung über die wirtschaftliche Situation der Zielgesellschaft die Käufer dazu bewogen hätte, von dem Erwerb Abstand zu nehmen.

IV. Praxishinweise

Die Entscheidung des OLG München demonstriert, dass die Haftungsgefahr des Verkäufers wegen arglistiger Täuschung nicht zu unterschätzen ist. Insbesondere im Kontext eines Unternehmenskaufs gilt: Tatsachenbehauptungen des Verkäufers gegenüber dem Käufer müssen richtig sein, zudem treffen den Verkäufer erhebliche Aufklärungspflichten insbesondere im Hinblick auf die finanzielle Situation der Gesellschaft. Höchstrichterlich nicht entschieden und in der Literatur umstritten ist die Frage, ob und inwieweit der Verkäufer seine Aufklärungspflichten durch das Bereitstellen von Informationen über die Gesellschaft - die Ermöglichung einer Due Diligence - erfüllen kann. Im Rahmen der Haftung wegen vorvertraglicher Aufklärungspflichten aus c.i.c. gem. § 311 Abs. 2 BGB ist zudem anerkannt, dass den Käufer ein den Schadensersatzanspruch reduzierendes Mitverschulden trifft, wenn er die ihm überlassenen Unterlagen nicht sorgfältig prüft bzw. Rückfragen stellt. Hiermit hatte sich das OLG München nicht auseinandergesetzt. Unabhängig hiervon ist vor dem Hintergrund der aktuellen Entscheidung des OLG München ersichtlich, dass der Verkäufer ein ganz eigenes Interesse daran haben sollte, insbesondere Informationen, hinsichtlich derer ihn eine Aufklärungspflicht gegenüber dem Käufer trifft, vollständig und übersichtlich zur Verfügung zu stellen.