Das neue Hinweisgeberschutzgesetz vom 2. Juni 2023
Am 2. Juni 2023 wurde das Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) im Bundesgesetzblatt verkündet (BGBl. 2023 I Nr. 140). Mit dem Gesetz soll die EU-Hinweisgeberrichtlinie (Richtlinie (EU) 2019/1937) in deutsches Recht umgesetzt werden. Um die nun Gesetz gewordene finale Fassung wurde in einem langwierigen Gesetzgebungsverfahren zäh gerungen, seit im Dezember 2020 ein erster Referentenentwurf (erfolglos) in die Kabinettsabstimmung eingebracht wurde. Die Umsetzungsfrist bis zum 17. Dezember 2021 ist längst abgelaufen und die fristgerechte Richtlinienumsetzung in Deutschland gescheitert, so dass die Europäische Kommission bereits ein EU-Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet hat. Das Hinweisgeberschutzgesetz tritt am 2. Juli 2023 in Kraft.
Das Hinweisgeberschutzgesetz sieht weitreichende Verpflichtungen für Beschäftigungsgeber des privaten und öffentlichen Sektors vor, hinweisgebende Personen umfassend vor Repressalien zu schützen.
1. Anwendungsbereich und Ziel
Das Hinweisgeberschutzgesetz gilt für die Meldung, d.h. die Mitteilung an eine Meldestelle, und Offenlegung, d.h. das Zugänglichmachen gegenüber der Öffentlichkeit, von Informationen über Verstöße gegen bestimmtes nationales Recht und Unionsrecht. Dazu gehören jegliche Straftatbestände sowie Ordnungswidrigkeiten; letztere jedoch nur, soweit die verletzte Vorschrift dem Schutz von Leben, Leib oder Gesundheit oder dem Schutz der Rechte von Beschäftigten oder ihrer Vertretungsorgane dient. Darüber hinaus ist das Hinweisgeberschutzgesetz anwendbar bei Meldung und Offenlegung von Informationen über Rechtsverstöße in bestimmten Bereichen (z.B. Datenschutz, Kartellrecht, Verbraucherschutz).
Verstöße fallen nur dann in den Anwendungsbereich des Gesetzes, wenn sie im Rahmen einer beruflichen, unternehmerischen oder dienstlichen Tätigkeit begangen wurden, und, wenn ein beruflicher Bezug der hinweisgebenden Person zu der Stelle, bei der der Verstoß begangen wurde, besteht oder bestand.
Das Hinweisgeberschutzgesetz zielt darauf ab, Personen vor nachteiliger Behandlung zu schützen, die im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit oder im Vorfeld dessen (z.B. im Bewerbungsverfahren) Informationen über Verstöße im Anwendungsbereich des Gesetzes erlangt haben und diese an die im Gesetz vorgesehenen internen oder externen Meldekanäle melden oder offenlegen. Zudem schützt das Hinweisgeberschutzgesetz Personen, die Gegenstand einer Meldung sind, sowie sonstige Personen, die von einer Meldung betroffen sind.
2. Einrichtung und Betrieb von Meldestellen
Beschäftigungsgeber in allen Branchen und Sektoren mit in der Regel mindestens 50 Beschäftigten (für Gemeinden als Beschäftigungsgeber definieren die Bundesländer die Schwellenwerte) sind verpflichtet, eine interne Meldestelle einzurichten, an die sich Beschäftigte wenden können. Die Verpflichtung gilt für die Beschäftigungsgeber ab dem 2. Juli 2023 mit Ausnahme von privaten Beschäftigungsgebern mit 50 bis 249 Beschäftigten. Für diese gilt eine Umsetzungsfrist bis zum 17. Dezember 2023. Die Vorgabe zur Einrichtung einer internen Meldestelle gilt für zudem bereits ab dem 2. Juli 2023 auch für Beschäftigungsgeber in bestimmten Bereichen, z.B. für Wertpapierdienstleistungsunternehmen und Kapitalverwaltungsgesellschaften, unabhängig von der Anzahl ihrer Beschäftigten.
Die interne Meldestelle kann von bei dem Beschäftigungsgeber beschäftigten Personen oder von Dritten betrieben werden. Bei solchen Dritten kann es sich nach ErwGr. 54 der EU-Hinweisgeberrichtlinie um externe Anbieter von Meldeplattformen, externe Berater (z.B. Anwälte), Prüfer, Gewerkschaftsvertreter oder auch Arbeitnehmervertreter handeln. Beschäftigungsgeber mit 50 bis 249 Beschäftigten können Meldestellen gemeinsam mit anderen Beschäftigungsgebern einrichten und betreiben. Ausweislich der Gesetzesbegründung können Konzerne, anstelle der Schaffung von Meldestellen in den einzelnen Gruppenunternehmen, Meldestellen vorbehaltlich bestimmter Anforderungen auch zentral einrichten. Diese Auslegung der EU-Hinweisgeberrichtlinie steht jedoch im Widerspruch zur mehrfach und klar geäußerten Rechtsaufassung der EU-Kommission, so dass die Einrichtung dezentraler Systeme vorzugswürdig ist, um die EU-Rechtskonformität zu gewährleisten.
Zudem werden bestimmte Behörden auf Bundesebene zur Einrichtung externer Meldestellen verpflichtet. Die Bundesländer können für die jeweiligen Landes- und Kommunalverwaltung betreffende Meldungen eigene externe Meldestellen schaffen und betreiben.
3. Ausgestaltung der Meldekanäle und Bearbeitung der Meldungen
Die Meldekanäle der internen und externen Meldestellen müssen Meldungen in mündlicher oder in Textform ermöglichen. Hinweisgebende Personen können auch um ein persönliches Treffen bitten, um Meldung zu erstatten. Mit Einwilligung der hinweisgebenden Person kann das Treffen auch im Wege der Bild- und Tonübertragung erfolgen.
Die Meldestellen sollten auch anonym eingehende Meldungen bearbeiten. Es besteht allerdings keine Verpflichtung, die Meldekanäle so zu gestalten, dass sie die Abgabe anonymer Meldungen ermöglichen.
Zu den Verpflichtungen der internen und externen Meldestellen gehört es, die Meldungen zu bewerten, der hinweisgebenden Person innerhalb bestimmter Fristen eine Rückmeldung zu geben und geeignete Folgemaßnahmen zu ergreifen, z.B. eine Untersuchung einzuleiten. Die Vertraulichkeit der Identität der hinweisgebenden Person ist zu wahren, sofern nicht eine der im Gesetz festgelegten Ausnahmen einschlägig ist.
Die internen Meldestellen müssen für hinweisgebende Personen klare und leicht zugängliche Informationen über die Nutzung des internen Meldeverfahrens sowie über die externen Meldeverfahren und einschlägige Meldeverfahren von Stellen der Europäischen Union bereithalten. Die externen Meldestellen treffen weit umfassendere Informations- und sogar Beratungspflichten.
4. Verhältnis von interner und externer Meldungen und Offenlegung
Hinweisgebende Personen können wählen, ob sie sich an eine interne oder eine externe Meldestelle wenden. Jedoch sollten hinweisgebende Personen die interne Meldung grundsätzlich bevorzugen. Die zur Einrichtung der internen Meldestelle verpflichteten Beschäftigungsgeber sollen dementsprechend Anreize schaffen, die bewirken, dass bevorzugt Mitteilungen an die interne Meldestelle erfolgen.
Das Hinweisgeberschutzgesetz schützt Personen, die Informationen über Verstöße offenlegen, sofern zuvor eine Meldung über einen externen, d.h. bei einer Behörde eingerichteten, Meldekanal erfolgt ist und keine ordnungsgemäßen Folgemaßnahmen ergriffen wurden oder die hinweisgebende Person keine Rückmeldung erhalten hat. In eng definierten Ausnahmefällen darf eine Offenlegung auch ohne vorherige externe Meldung erfolgen.
5. Schutzmaßnahmen und Durchsetzung
Hinweisgebende Personen sind dann geschützt, wenn sie entsprechend den Vorgaben des Gesetzes intern oder extern Meldung erstattet oder einen Verstoß offengelegt haben und hinreichenden Grund zu der Annahme hatten, dass die gemeldeten oder offengelegten Informationen in Bezug auf einen Rechtsverstoß im Sinne des Hinweisgeberschutzgesetzes der Wahrheit entsprachen. Zusätzlich schützt das Gesetz jeweils unter bestimmten Voraussetzungen auch Unterstützer der hinweisgebenden Person sowie weitere Dritte, die in Verbindung mit der hinweisgebenden Person stehen und Repressalien erlitten haben.
Das Gesetz verbietet jegliche Art von gegen hinweisgebende Personen gerichteten Repressalien. Erleidet eine hinweisgebende Person nach einer Meldung oder Offenlegung eine Benachteiligung im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit, so wird vermutet, dass diese Benachteiligung eine Repressalie ist. In diesem Fall liegt die Beweislast, dass die Benachteiligung auf hinreichend gerechtfertigten Gründen basierte bzw. keine Repressalie für die Meldung oder Offenlegung darstellte, bei der Person, die die hinweisgebende Person benachteiligt hat. Bei einem Verstoß gegen das Verbot von Repressalien ist der Verursacher verpflichtet, der hinweisgebenden Person den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Zudem schließt das Gesetz die Verantwortlichkeit der hinweisgebenden Person im Zusammenhang mit der Beschaffung und Weitergabe von Informationen unter bestimmten Voraussetzungen aus.
Personen, die vorsätzlich oder grob fahrlässig unrichtige Informationen melden, sind nicht durch das Hinweisgeberschutzgesetz geschützt und haften für Schäden, die sich aus den unrichtigen oder irreführenden Informationen ergeben.
Die Verletzung bestimmter Verpflichtungen nach dem Hinweisgeberschutzgesetz stellt eine Ordnungswidrigkeit dar. Die Behinderung oder versuchte Behinderung von Meldungen, die Ergreifung oder die versuchte Ergreifung von Repressalien gegen hinweisgebende Personen und die Nichtwahrung der Vertraulichkeit der Identität von hinweisgebenden Personen können etwa mit einer Geldbuße von bis zu EUR 50.000 geahndet werden. Die zuständigen Behörden können eine Geldbuße von bis zu EUR 20.000 verhängen, wenn versäumt wird, interne Meldekanäle einzurichten.
6. Ausblick
Da nun das Hinweisgeberschutzgesetz in Kürze in Kraft tritt, werden die Unternehmen in Deutschland nun die letzten Vorarbeiten abschließen, damit ihre Meldekanäle und -verfahren den neuen gesetzlichen Anforderungen entsprechen. Verunsicherung löst in der Praxis weiterhin die Frage aus, ob die Einrichtung lediglich einer zentralen Konzernmeldestelle den gesetzlichen Anforderungen genügt. Mit Blick auf die klar ablehnende Haltung der EU-Kommission empfiehlt es sich, bei den verpflichteten Gruppenunternehmen jeweils eigene Stellen einzurichten und Kosten und Aufwand eher durch einheitliche Prozesse und Verantwortungskonzentrationen bei wenigen Stellen zu reduzieren.
Unabhängig von den neuen Vorgaben sind Unternehmen gut beraten, Anreize für ihre Mitarbeiter zu schaffen, vermutete Verstöße zu melden, und zwar möglichst intern und nicht nur beschränkt auf den sachlichen Anwendungsbereich des Hinweisgeberschutzgesetzes.
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Konrad Hildebrand
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