Legal-Tech-Gesetz: Der Weg zu einem modernen Rechtsdienstleistungsmarkt ist noch weit

Anfang Oktober ist das sogenannte Legal-Tech-Gesetz in Kraft getreten (BGBl. 2021 Teil I, S. 3415). Damit soll größere Chancengleichheit zwischen Inkassodienstleistern und der Anwaltschaft geschaffen werden. Denn bislang unterliegen die Inkassodienstleister deutlich geringeren regulatorischen Anforderungen als die Anwaltschaft, die insbesondere durch das Standesrecht maßgeblich limitiert ist. Das Legal-Tech-Gesetz ist, auch nach Auffassung des Gesetzgebers, nur ein erster Schritt in Richtung eines level playing fields. Zur Schaffung eines modernen und wettbewerbsfähigen Rechtsdienstleistungsmarkts in Deutschland wäre eine weitergehende Liberalisierung der regulatorischen Anforderungen wünschenswert. 

Von Dr. Sebastian Schneider, Rechtsanwalt

Der Gesetzgeber hat sich zum Ziel gesetzt, kohärente regulatorische Anforderungen zwischen Inkassodienstleistern und der Anwaltschaft festzulegen. Dieses Ziel will er vor allem mithilfe von zwei Instrumenten erreichen: Erstens wird die Zulässigkeit von Erfolgshonoraren für die Anwaltschaft liberalisiert, wenn auch nur sehr eingeschränkt. Zweitens soll die eigene Prozessfinanzierung für die Anwaltschaft leichter möglich sein. Hierfür ändert der Gesetzgeber vor allem die Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) und das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG).

Auf der anderen Seite werden durch das Legal-Tech-Gesetz die Anforderungen für Inkassodienstleister stärker reguliert. Dies wird im Wesentlichen durch eine weitere Änderung des Rechtsdienstleistungsgesetzes (RDG) erreicht, das bereits durch das Gesetz zur Verbesserung des Verbraucherschutzes im Inkassorecht und zur Änderung weiterer Vorschriften vom 22.12.2020 (BGBl. 2020 Teil I, S. 3320) weitergehende regulatorische Anforderungen an Inkassodienstleister aufgestellt hatte.

Insgesamt ist dem Gesetzgeber aber bewusst, dass das Legal-Tech-Gesetz nur ein kleiner Schritt auf dem Weg ist, den deutschen Rechtsdienstleistungsmarkt zu modernisieren. Daher hat der Gesetzgeber bereits in einer Entschließung zahlreiche weitere Arbeitsaufträge an die Bundesregierung verteilt, auf deren Grundlage die Modernisierung in den nächsten Jahren weiter vorangetrieben werden soll.

 

I. Erfolgshonorare für die Anwaltschaft

Das Legal-Tech-Gesetz öffnet Erfolgshonorare für die Anwaltschaft zunächst in einem moderaten Umfang. Nach § 49b Abs. 2 Satz 1 BRAO sind solche Vereinbarungen grundsätzlich unzulässig, durch die eine Rechtsanwaltsvergütung oder deren Höhe vom Ausgang der Sache oder vom Erfolg der anwaltlichen Tätigkeit abhängig gemacht wird oder nach denen der Rechtsanwalt einen Teil des erstrittenen Betrages als Honorar erhält (Erfolgshonorar). Etwas anderes gilt nur in den Fällen, in denen das RVG solche Vergütungsvereinbarungen ausdrücklich zulässt. Schon nach der bisherigen Rechtslage durfte ein Erfolgshonorar bereits in Einzelfällen vereinbart werden – und zwar dann, wenn der Auftraggeber aufgrund seiner wirtschaftlichen Verhältnisse bei verständiger Betrachtung ohne die Vereinbarung eines Erfolgshonorars von der Rechtsverfolgung abgehalten würde (nunmehr § 4a Abs. 1 Nr. 3 RVG n.F., wobei die wirtschaftlichen Verhältnisse des Auftraggebers in der novellierten Fassung nicht mehr relevant sind). Diese Konstellation hat aber insgesamt nur eine eingeschränkte praktische Relevanz, unter anderem auch deswegen, weil die Rechtsprechung in diesen Fällen hohe Anforderung an die Vereinbarung einer Erfolgsvergütung gestellt hat.

Durch das Legal-Tech-Gesetz werden noch zwei weitere Konstellationen hinzugefügt, in denen Erfolgshonorare für die Anwaltschaft zulässig sind.

  • Nach dem neuen § 4a Abs. 1 Nr. 1 RVG dürfen Rechtsanwälte für die Durchsetzung pfändbarer Geldforderungen im Wert von maximal EUR 2.000,00 ohne weiteren Begründungsaufwand stets ein Erfolgshonorar vereinbaren.
  • Zudem sind Erfolgshonorare nach dem neuen § 4a Abs. 1 Nr. 2 RVG zulässig, wenn der Rechtsanwalt eine Inkassodienstleistung außergerichtlich oder in einem der in § 79 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 ZPO genannten Verfahren erbringt. Bei dem letztgenannten Fall handelt es sich um folgende Konstellationen:
    • Inkassodienstleistungen für pfändbare Forderungen im Mahnverfahren bis zur Abgabe an das Streitgericht und
    • Inkassodienstleistungen im Verfahren der Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen in das bewegliche Vermögen mit Ausnahme von Handlungen, die ein streitiges Verfahren einleiten oder innerhalb eines streitigen Verfahrens vorzunehmen sind.

Bei der Vereinbarung von Erfolgshonoraren sind insbesondere auch die nachfolgenden Punkte zu beachten:

  • Grundsätzlich muss das Erfolgshonorar einen angemessenen Aufschlag auf die gesetzliche Vergütung enthalten, wenn die Parteien für den Fall des Misserfolgs vereinbaren, dass keine oder eine geringere Vergütung zu zahlen ist. Dies gilt nur in den Konstellationen des § 4a Abs. 1 Nr. 2 RVG n.F. nicht.
  • Zudem müssen in die Vereinbarung über ein Erfolgshonorar auch bestimmte formale Angaben aufgenommen werden, die nunmehr alle in § 4a Abs. 3 RVG n.F. geregelt sind.

Ob diese sehr limitierte Öffnung der Zulässigkeit von Erfolgshonoraren für die Anwaltschaft wirklich spürbare Auswirkungen in der Praxis haben wird, bleibt abzuwarten. Die Tatsache, dass der Gesetzgeber die Zulässigkeit von Erfolgshonoraren im Wesentlichen nur auf Bagatellfälle erweitert hat, lässt allerdings bezweifeln, dass hierdurch der deutsche Rechtsdienstleistungsmarkt maßgeblich verändert werden wird.

 

II. Eigene Prozessfinanzierung für die Anwaltschaft

Ebenfalls dürfen Rechtsanwälte nach dem Legal-Tech-Gesetz nun in sehr eingeschränktem Maße eine eigene Prozessfinanzierung für ihre Mandanten anbieten. Nach § 49b Abs. 2 Satz 2 BRAO sind Vereinbarungen zulässig, durch die sich der Rechtsanwalt verpflichtet, Gerichtskosten, Verwaltungskosten oder Kosten anderer Beteiligter zu tragen, aber nur soweit in der Angelegenheit ein Erfolgshonorar nach § 4a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 RVG vereinbart wird.

Damit erlaubt der Gesetzgeber auch der Anwaltschaft eine Prozessfinanzierung in den Fällen, in denen auch Inkassodienstleister außergerichtlich oder in Parteiprozessen nach § 79 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 ZPO tätig sein dürfen. In jedem Fall geht eine Prozessfinanzierung durch Rechtsanwälte aber immer Hand in Hand mit der Vereinbarung eines Erfolgshonorars. In allen sonstigen Fällen ist eine eigene Prozessfinanzierung durch Rechtsanwälte weiterhin ausgeschlossen.

III. Erhöhte regulatorische Anforderungen an Inkassodienstleister

Darüber hinaus enthält das Legal-Tech-Gesetz zahlreiche weitergehende regulatorische Anforderungen sowohl für das Registrierungsverfahren als auch für die Ausübung der Inkassotätigkeit.

  • Bereits im Registrierungsverfahren als Inkassodienstleister muss nach § 13 Abs. 2 RDG n.F. eine inhaltliche Darstellung der beabsichtigten Tätigkeiten beigefügt werden. Diese Darstellung muss insbesondere Angaben dazu enthalten, auf welchen Rechtsgebieten die Tätigkeiten erbracht werden sollen und ob und gegebenenfalls welche weiteren Tätigkeiten als Nebenleistungen erbracht werden sollen.
  • Bei Inkassodienstleistungen für Verbraucher bestehen zahlreiche Darlegungs- und Informationspflichten für den Inkassodienstleister nach § 13b RDG n.F. Danach müssen Inkassodienstleister, die für einen Verbraucher tätig werden, diesem vor Abgabe seiner Vertragserklärung über eine Inkassodienstleistung die in § 13b Abs. 1 RDG n.F. aufgeführten Informationen in klarer und verständlicher Weise zur Verfügung stellen. Zudem müssen Inkassodienstleister, die ihre Dienstleistungen Verbrauchern anbieten, nach § 13b Abs. 2 RDG n.F. denjenigen Verbrauchern, für die sie im Einzelfall nicht tätig werden wollen, die hierfür wesentlichen Gründe mit der Ablehnung der Tätigkeit in Textform mitteilen. Diese Mitteilung muss die in § 13b Abs. 2 Sätze 2 und 3 RDG n.F. aufgeführten Informationen enthalten.
  • Zudem enthält § 13c RDG n.F. weitere Anforderungen für Vergütungsvereinbarungen von Inkassodienstleistern. Die formalen Anforderungen sind in § 13c Abs. 1 RDG n.F. geregelt, wobei bei der Vereinbarung eines Erfolgshonorars zusätzlich § 13c Abs. 3 RDG n.F. zu beachten ist. Dabei darf die Vergütung nicht unangemessen hoch sein, sonst kann sie nach § 13c Abs. 2 RDG n.F. auf den angemessenen Betrag herabgesetzt werden.
  • Auch die Erstattungsfähigkeit der Kosten von Inkassodienstleistern wird eingeschränkt. Nach § 13e Abs. 1 RDG n.F. kann ein Gläubiger die Kosten, die ihm ein Inkassodienstleister für seine Tätigkeit berechnet hat, von seinem Schuldner nur bis zur Höhe der Vergütung als Schaden ersetzt verlangen, die einem Rechtsanwalt für diese Tätigkeit nach dem RVG zustehen würde. Wenn der Gläubiger sowohl einen Inkassodienstleister als auch einen Rechtsanwalt beauftragt, dann kann er nach § 13f Sätze 1 und 2 RDG n.F. die ihm dadurch entstehenden Kosten nur bis zu der Höhe als Schaden ersetzt verlangen, wie sie entstanden wären, wenn er nur einen Rechtsanwalt beauftragt hätte. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Schuldner die Forderung erst nach der Beauftragung des Inkassodienstleisters bestritten hat und dies der Anlass für die Beauftragung des Rechtsanwalts war.
  • Abschließend ist in § 13g RDG n.F. geregelt, dass Inkassodienstleister fremde Gelder unverzüglich an eine empfangsberechtigte Person weiterzuleiten oder auf ein gesondertes Konto einzuzahlen haben.

 

IV. Ausblick

Zusammen mit dem Legal-Tech-Gesetz hat der Gesetzgeber auch eine Entschließung angenommen. Diese enthält einige Arbeitsaufträge an die Bundesregierung, die in der aktuellen Legislaturperiode angegangen werden müssen. Dabei steht wiederum das Ziel des Gesetzgebers im Zentrum, mehr Chancengleichheit zwischen Inkassodienstleistern und Rechtsanwälten zu schaffen. Gegenstand der Entschließung sind folgende Themen:

  • Die Bundesregierung soll prüfen, ob die Kohärenz zwischen den berufsrechtlichen Anforderungen an die Inkassodienstleister und die Rechtsanwälte Anpassungen im Hinblick auf weitere Anforderungen (z.B. Verschwiegenheitspflichten) notwendig macht.
  • Die Bundesregierung soll prüfen, ob das geltende Recht den Interessen des Auftraggebers des Inkassodienstleisters als wirtschaftlichem Forderungsinhaber ausreichend Rechnung trägt. Hierbei stehen Fälle im Fokus, in denen ein Inkassodienstleister für eine ihm auf fremde Rechnung abgetretene Forderung einen Rechtsanwalt mit der gerichtlichen Geltendmachung beauftragt, nachdem die außergerichtliche Geltendmachung erfolglos blieb.
  • Bereits nach drei Jahren soll die Bundesregierung die moderate Liberalisierung der Zulässigkeit der Erfolgshonorare und der Prozessfinanzierung für die Anwaltschaft überprüfen, insbesondere soll geprüft werden,
    • in welchem Umfang Rechtsanwälte von den neuen Möglichkeiten einer Erfolgsvergütung und einer eigenen Prozessfinanzierung Gebrauch gemacht haben,
    • ob dabei Risiken für die Unabhängigkeit der Rechtsanwälte sichtbar geworden sind und
    • ob die Begrenzung auf Geldforderungen von höchstens EUR 2.000,00 angemessen ist.
  • Die Bundesregierung soll prüfen, ob die gesetzlich vorgesehenen Sachkundeanforderungen an Inkassodienstleister ausreichen, um die notwendige Qualität der Rechtsdienstleistungen der Inkassodienstleister sicherzustellen. Dies ist vor allem deshalb von Bedeutung, weil der Gesetzgeber davon ausgeht, dass künftig mehr Rechtsdienstleistungen durch Inkassodienstleister erbracht werden.
  • Die Bundesregierung muss bis Ende Juni 2022 einen Gesetzentwurf vorlegen, der eine Übertragung der Aufsicht der Inkassodienstleister auf eine zentrale Stelle auf Bundeebene vorsieht. Hierbei ist eine Übertragung der Zuständigkeit auf das Bundesamt für Justiz angedacht.

Bereits diese Aufträge an die Bundesregierung zeigen, dass der Gesetzgeber das Legal-Tech-Gesetz selbst nur als einen Zwischenschritt zur Herstellung kohärenter regulatorischer Anforderungen an die Inkassodienstleister und an die Anwaltschaft ansieht.

Aus der Sicht des Autors wäre insgesamt eine weitergehende Liberalisierung wünschenswert, um einen modernen und wettbewerbsfähigen Rechtsdienstleistungsmarkt in Deutschland zu schaffen. Dabei ist bereits das grundsätzliche Ziel des Gesetzgebers zur Herstellung kohärenter regulatorischer Anforderungen zu hinterfragen. In Zukunft wird nicht ein möglicher Wettbewerb zwischen den verschiedenen Rechtsdienstleistern (d.h. Inkassodienstleistern und Anwaltschaft), sondern eher der Wettbewerb zwischen verschiedenen Rechtsdienstleistungsmärkten im Vordergrund stehen.

Dies dürfte sich beispielsweise bereits bei der Umsetzung der EU-Richtlinie über Verbandsklagen (RL (EU) 2020/1828) deutlich zeigen. In der Richtlinie hat der europäische Gesetzgeber den nationalen Gesetzgebern einen erheblichen Umsetzungsspielraum eingeräumt, sodass es bei zahlreichen relevanten Themenbereichen zu erheblichen Abweichungen bei der Umsetzung in die nationalen Rechtsordnungen kommen kann. Durch ein forum shopping werden die Rechtdienstleistungsmärkte vermehrt in einem Wettbewerb miteinander stehen, sodass ein moderner und wettbewerbsfähiger Rechtsdienstleistungsmarkt in Deutschland wünschenswert ist. Dabei erscheint es zweifelhaft, ob eine Modernisierung des deutschen Rechtsdienstleistungsmarkts durch eine weitergehende Regulierung der Anforderungen für die Inkassodienstleister gelingen kann.

Dr. Sebastian Schneider

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