Pflichten des GmbH-Geschäftsführers bei Anzeichen einer Krise

Organhaftungsfragen, insbesondere im Hinblick auf eine (mögliche) Insolvenz der Gesellschaft, beschäftigen regelmäßig die Gerichte. In einer aktuellen Entscheidung konkretisiert der Bundesgerichtshof (BGH) die Anforderungen an das Verhalten des GmbH-Geschäftsführers bei Anzeichen einer Krise: Verfügt der Geschäftsführer nicht über ausreichende eigene Kenntnisse zur Prüfung der Insolvenzreife, muss er sich nicht nur fachkundig beraten lassen, sondern auch sicherstellen, dass ihm das Beratungsergebnis zeitnah vorliegt.

In dem zugrunde liegenden Fall (BGH, Urteil vom 27.03.2012 – II ZR 171/10) hatte der Insolvenzverwalter einer GmbH deren früheren alleinigen Geschäftsführer auf Zahlung von ca. 45.000 Euro verklagt. Hintergrund war, dass der Geschäftsführer im August 2003 auf Drängen der Hausbank der Gesellschaft einen Unternehmensberater mit der Prüfung der Vermögenssituation und Sanierungsmöglichkeiten beauftragt hatte. Für die Prüfung benötigte der Berater ca. drei Monate und kam zu dem Ergebnis, dass eine positive Fortführungsprognose vorliege. Dennoch stellte der Geschäftsführer etwa einen Monat später wegen Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens, wozu es im Anschluss daran kam.

Der Insolvenzverwalter argumentierte in seiner Klage, dass bereits Ende August 2003 Zahlungsunfähigkeit der GmbH vorgelegen habe. Damit seien die zwischen diesem Zeitpunkt und der Stellung des Insolvenzantrags aus dem Vermögen der GmbH erfolgten Zahlungen in Höhe der besagten ca. 45.000 Euro unter Verstoß gegen das Zahlungsverbot des § 64 GmbHG erfolgt. Nach dieser Vorschrift müssen Geschäftsführer der GmbH grundsätzlich alle Zahlungen erstatten, die nach dem Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder der Feststellung der Überschuldung von der GmbH geleistet werden. Ausgenommen hiervon sind nur solche Zahlungen, die „mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns vereinbar sind“, namentlich bestimmte, für die Fortführung des Unternehmens notwendige Ausgaben.

Der BGH stellt in seinem Urteil zwei Aspekte deutlich heraus. Der erste, schon früher so entschiedene, betrifft die Verhaltensanforderungen an den Geschäftsführer in Situationen, in denen ihm bestimmtes eigenes Wissen oder Fähigkeiten fehlen. Verfügt der Geschäftsführer einer GmbH nicht über ausreichende persönliche Kenntnisse, die er für die Prüfung benötigt, ob er pflichtgemäß Insolvenzantrag stellen muss, hat er sich bei Anzeichen einer Krise der Gesellschaft unverzüglich von einem unabhängigen Experten beraten zu lassen.

Die Pflichten des Geschäftsführers im Hinblick auf die Kenntnis der jeweils aktuellen Finanzlage der Gesellschaft sind dabei, wie die aktuelle Entscheidung erneut verdeutlicht, streng. Nach dem Verständnis des BGH sind Geschäftsführer verpflichtet, die wirtschaftliche Lage und eine mögliche Insolvenzreife der Gesellschaft kontinuierlich zu überprüfen. Können fällige und eingeforderte Verbindlichkeiten von der GmbH nicht vollständig beglichen werden, müsse die Zahlungsfähigkeit der GmbH anhand einer Liquiditätsbilanz überprüft werden. Verneint der hinzugezogene (unabhängige und fachlich qualifizierte) Berater das Vorliegen der Insolvenzreife, darf sich der Geschäftsführer auf dieses Ergebnis nur verlassen, wenn er dem Berater die Vermögensverhältnisse der Gesellschaft und alle erforderlichen Unterlagen vollständig offengelegt und dessen Ergebnis zudem einer eigenen Plausibilitätskontrolle unterzogen habe.

Der zweite vom BGH hervorgehobene Aspekt betrifft die zeitliche Komponente der Hinzuziehung von Experten zur Beurteilung der Insolvenzreife der Gesellschaft. Hier sagt der BGH, dass sich der Geschäftsführer nicht mit einer unverzüglichen Auftragserteilung begnügen dürfe, sondern zugleich auf eine unverzügliche Vorlage des Prüfergebnisses hinwirken müsse. Im vorliegenden Fall sah der BGH dies für den Zeitraum zwischen August und November 2003 nicht als erfüllt an. Allgemeine Aussagen dahin, wann ein Zeitraum unkritisch ist, dürften sich hingegen nur schwer treffen lassen, denn es gilt der im Einzelfall auszufüllende Maßstab, dass der Geschäftsführer unverzüglich („ohne schuldhaftes Zögern“) handeln muss.

Klarheit schafft der BGH in der aktuellen Entscheidung auch hinsichtlich der Frage, welche fachlichen Anforderungen an den heranzuziehenden Experten zu stellen sind. Insoweit betont er, dass nicht zwingend ein Wirtschaftsprüfer oder Rechtsanwalt beauftragt werden müsse, sondern grundsätzlich auch geeignete andere Berufsträger hinzugezogen werden können.

Letztlich verdient Erwähnung, dass der BGH die Prüfung der Insolvenzreife als nicht zwingend von einer Prüfung der Vermögenslage und bestehender Sanierungsmöglichkeiten mitumfasst ansieht. Geschäftsführer sollten daher in vergleichbaren Konstellationen den Prüfungsauftrag ausdrücklich auch zur Frage der Verpflichtung zur Stellung des Insolvenzantrags erteilen.