BFH: Verdeckte Gewinnausschüttung ist keine Schenkung

Die Finanzverwaltung hatte in der jüngeren Vergangenheit mit ihrer Auffassung, dass eine verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) grundsätzlich schenkungsteuerpflichtig ist, für erhebliche Unruhe bei Steuerpflichtigen und Beratern gesorgt. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat nun klargestellt, dass bei einer vGA keine freigebige Zuwendung der Kapitalgesellschaft gegeben ist und somit durch eine vGA grundsätzlich keine Schenkungsteuer ausgelöst wird.

Sog. verdeckte Gewinnausschüttungen (vGA) sind häufig Gegenstand von Diskussionen im Rahmen von Betriebsprüfungen. Eine vGA ist – vereinfacht – eine Vermögensminderung oder verhinderte Vermögensmehrung bei der Kapitalgesellschaft, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist, aber nicht auf einer offenen Gewinnausschüttung beruht. Dabei kann der Vermögensvorteil einem Gesellschafter oder auch einer dem Gesellschafter nahestehenden Person zugwendet werden. Klassische Beispiele für eine vGA sind überhöhte Vergütungen für Gesellschafter-Geschäftsführer oder Geschäfte zwischen Gesellschaft und Gesellschafter bzw. diesem nahestehenden Personen zu nicht fremdüblichen Bedingungen, wobei die Bestimmung der Angemessenheit der Vergütung bzw. Fremdüblichkeit der Bedingungen in der Praxis oftmals erhebliche Schwierigkeiten bereitet. Im Verhältnis zu sog. beherrschenden Gesellschaftern wird eine vGA bereits dann angenommen, wenn es an einer zivilrechtlich wirksamen, klaren, eindeutigen und im Voraus getroffenen Vereinbarung fehlt.

Als Konsequenz der vGA wird der Gewinn der Kapitalgesellschaft um den Betrag der vGA erhöht (§ 8 Abs. 3 Satz 3 KStG) und die vGA ist beim betreffenden Gesellschafter als Gewinnausschüttung zu versteuern (vgl. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG). Im Fall einer überhöhten Tätigkeitsvergütung bedeutet dies beispielsweise im Ergebnis, dass der überhöhte Teil nicht bei der Gesellschaft als Betriebsausgabe steuermindernd abgezogen werden kann und in entsprechender Höhe eine Gewinnausschüttung an den Gesellschafter fingiert wird.

Neben diesen ertragsteuerlichen Folgen hatte die Finanzverwaltung in der jüngeren Vergangenheit die Auffassung vertreten, dass die vGA eine schenkungsteuerrechlich relevante freigebige Zuwendung darstellt (vgl. gleichlautender Erlass vom 14.03.2013, BStBl. I 2012, S. 331). Dieser Auffassung der Finanzverwaltung vorausgegangen war ein Urteil des BFH vom 7.11.2007 (Az. II R 28/06), mit dem das Gericht entschied, dass eine vGA an eine nahestehende Person des Gesellschafters keine schenkungsteuerrelevante freigebige Zuwendung des Gesellschafters an die nahestehende Person sei, da es in dieser Konstellation an einer Vermögensverschiebung zwischen Gesellschafter und nahestehender Person fehlt. In einem obiter dictum zu diesem Urteil hatte der BFH aber angemerkt, dass die vGA gegebenenfalls aber als Zuwendung der Kapitalgesellschaft an die nahestehende Person eingeordnet werden könnte. Diese Anmerkung griff die Finanzverwaltung in der Folge mit der vorstehend skizzierten Auffassung dankbar auf.

Nach der Auffassung der Finanzverwaltung löst die vGA daher nicht nur eine Erhöhung des Gewinnes bei der Kapitalgesellschaft und eine Versteuerung einer Gewinnausschüttung beim Gesellschafter, sondern zusätzlich auch Schenkungsteuer aus. Dies sollte nach der Finanzverwaltung jedenfalls dann gelten, wenn – wie im Normalfall – nicht alle Gesellschafter gleichermaßen entsprechende Vorteile erhalten. Wurde im Rahmen einer Betriebsprüfung eine vGA festgestellt, musste der Steuerpflichtige in der Praxis damit rechnen, dass das für Schenkungsteuer zuständige Finanzamt informiert wird und für den Sachverhalt der vGA einen Schenkungsteuerbescheid erlässt.

Die Auffassung und Praxis der Finanzverwaltung wurde von weiten Teilen der Literatur stark kritisiert; einzelne Finanzgerichte bestätigten aber eine Schenkungsteuerpflichtigkeit der vGA.

In seiner Entscheidung vom 30.01.2013 (Az. II R 6/12) hatte der BFH nun Gelegenheit, zur Schenkungsteuerpflicht der vGA Stellung zu nehmen, und entschied eindeutig gegen die Auffassung der Finanzverwaltung. Der BFH stellte klar, dass es im Verhältnis zwischen einer Kapitalgesellschaft und ihren (unmittelbaren und mittelbaren) Gesellschaftern keine schenkungsteuerlich relevanten Zuwendungen nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG geben kann. Offene und auch verdeckte Gewinnausschüttungen einer Kapitalgesellschaft an ihre Gesellschafter beruhen auf dem Gesellschaftsverhältnis und erfolgen somit nicht freigebig. Dementsprechend ist nach Auffassung des BFH die vGA ausschließlich unter ertragsteuerlichen Gesichtspunkten zu würdigen; eine Schenkungsteuerpflichtigkeit der vGA scheidet danach in diesem Verhältnis aus.

Die vorliegende Entscheidung des BFH ist uneingeschränkt zu begrüßen. Obwohl nicht ausdrücklich entschieden, ist u.E. aufgrund der Urteilsbegründung davon auszugehen, dass der BFH auch die Schenkungsteuerpflicht einer vGA an eine nahestehende Person ablehnt. Der BFH wird mit dem anhängigen Verfahren Az. II B 94/12 in Kürze Gelegenheit haben, auch zu dieser Konstellation eindeutig Stellung zu nehmen und Restzweifel auszuräumen.

Es bleibt abzuwarten, ob und ggf. wie der Gesetzgeber auf dieses Urteil reagieren wird. Es ist nicht ausgeschlossen, dass diese dogmatisch richtige Entscheidung durch die Einführung einer gesetzgeberischen Fiktion der schenkungssteuerlich relevanten freigebigen Zuwendung im Fall einer vGA (ähnlich § 7 Abs. 8 ErbStG) vom Gesetzgeber korrigiert wird.