Umwandlungen:
OLG Nürnberg bejaht Zulässigkeit des grenzüberschreitenden Formwechsels

Das OLG Nürnberg hat in analoger Anwendung der §§ 190 ff. UmwG den grenzüberschreitenden Formwechsel einer luxemburgischen Société à responsabilité limitée (S.à r.l.) in eine deutsche GmbH für zulässig erklärt. Der Beschluss des OLG Nürnberg ist die erste Entscheidung eines deutschen Gerichts zu dieser Frage seit der VALE-Entscheidung des EuGH vom 12.07.2012 (C-378/10), in welcher der EuGH aus der europarechtlichen Niederlassungsfreiheit abgeleitet hatte, dass eine grenzüberschreitende Umwandlung unter den Voraussetzungen des jeweils anwendbaren nationalen Rechts auch dann zulässig sein müsse, wenn dieses grundsätzlich nur die Beteiligung nationaler Rechtsträger an einem Formwechsel vorsehe (Beschluss vom 19.06.2013, 12 W 520/13).

1. Vorgaben aus der VALE-Entscheidung des EuGH

Gegenstand der VALE-Entscheidung des EuGH war die beabsichtigte Verlegung des Satzungs- und Verwaltungssitzes der VALE Construzioni Srl, einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung italienischen Rechts, nach Ungarn. Die ungarischen Gerichte hatten die Eintragung der Hereinverlegung des Satzungssitzes nach Ungarn als mit ungarischem Recht unvereinbar angesehen. Aus Sicht des EuGH verstieß dies gegen Europarecht: Eine grenzüberschreitende Umwandlung falle unter die Niederlassungsfreiheit (Art. 49 und 54 AEUV) und müsse deshalb unter den Voraussetzungen des nationalen Rechts auch dann zulässig sein, wenn dieses nur die Beteiligung nationaler Rechtsträger vorsehe. Der Äquivalenzgrundsatz gebiete es, grenzüberschreitende Sachverhalte innerhalb der EU nicht ungünstiger als innerstaatliche Sachverhalte zu regeln. Dem gleichfalls anwendbaren Effektivitätsgrundsatz zufolge dürfe darüber hinaus die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert werden.

Damit hatte der EuGH erstmals über die Reichweite der Niederlassungsfreiheit in Fällen einer gleichzeitigen Verlegung des Satzungs- und des Verwaltungssitzes (sog. grenzüberschreitender Formwechsel) aus Sicht des Zuzugsstaates entschieden. Abzugrenzen ist diese Konstellation von der bloßen Verlegung des Verwaltungssitzes ins Inland unter Beibehaltung des Satzungssitzes im Ausland; hierzu hatte sich der EuGH insbesondere in den Entscheidungen Überseering vom 05.11.2002 (C-208/00) und Inspire Art vom 30.09.2003 (C-167/01) umfassend geäußert und damit eine erste Welle von ausländischen Gesellschaften – insbesondere von Limiteds nach englischem Recht, die vor allem wegen ihres fehlenden Mindestkapitals attraktiv waren – in Deutschland ausgelöst. Ebenfalls zu unterscheiden vom grenzüberschreitenden Formwechsel ist die grenzüberschreitende Verschmelzung, die auf der Basis der EU-Verschmelzungsrichtlinie seit dem Jahr 2007 in den §§ 122a ff. UmwG kodifiziert ist. Während sich beim grenzüberschreitenden Formwechsel an der Identität des Rechtsträgers nichts ändert, wird bei der grenzüberschreitenden Verschmelzung das Vermögen des übertragenden Rechtsträgers im Wege der Gesamtrechtsnachfolge und unter Auflösung des übertragenden Rechtsträgers ohne Liquidation auf den aufnehmenden Rechtsträger übertragen.

2. Die Entscheidung des OLG Nürnberg

Mit seinem erst kürzlich veröffentlichten, rechtskräftigen Beschluss vom 19.06.2013 hat das OLG Nürnberg die Vorgaben der VALE-Entscheidung nun – soweit ersichtlich als erstes Gericht in Deutschland – auf das deutsche Recht übertragen und dabei zumindest einige der nach VALE offenen, für die Praxis relevanten Fragen beantwortet (zu den nach VALE offenen Fragen ausführlich Ege/Klett, DStR 2012, 2442).

In seinem Beschluss wendet das OLG die für den rein inländischen Formwechsel anwendbaren Regelungen der §§ 190 ff. UmwG analog auf den grenzüberschreitenden Formwechsel an, ohne auf die Regelungen der §§ 122a ff. UmwG oder des SE-Ausführungsgesetzes zurückzugreifen, wie es von Teilen der Literatur gefordert wird. In der Praxis hat dies den Vorteil, ein vergleichsweise einfaches und auf den Formwechsel angepasstes Regelungsregime anwenden zu können. Allerdings finden sich in den §§ 122a ff. UmwG und im SE-Ausführungsgesetz eine Reihe von Regelungen, die dem grenzüberschreitenden Regelungskontext besonders Rechnung tragen, wie z.B. § 122j UmwG in Bezug auf den Gläubigerschutz bei grenzschreitenden Verschmelzungen.

Besonders hervorzuheben ist ferner, dass in dem vom OLG Nürnberg entschiedenen Fall (ebenso wie in der Rechtssache VALE) der formwechselnde Rechtsträger im Ausland bereits im Register gelöscht worden war, bevor in Deutschland die Eintragung des Formwechsels beantragt wurde. Eine solche Löschung kann zum Verlust der Rechtsfähigkeit des formwechselnden Rechtsträgers führen, was der den Formwechsel kennzeichnenden Kontinuität des Rechtsträgers entgegenstünde. Aus Sicht der Gerichte war dies jeweils kein Hinderungsgrund: In europarechtskonformer Auslegung der jeweiligen Vorschriften könne eine Löschung im Register der Annahme eines umwandlungsfähigen Rechtsträgers jedenfalls dann nicht entgegenstehen, wenn die Löschung lediglich wegen der beim Register angemeldeten Sitzverlegung in das Ausland erfolge.

3. Fazit

Aus Sicht der Praxis ist die Entscheidung des OLG Nürnberg im Ergebnis zu begrüßen, weil sie nach der VALE-Entscheidung des EuGH dem grenzüberschreitenden Formwechsel in Deutschland den Weg ebnet. Es erscheint jedoch nicht ausgeschlossen, dass andere deutsche Gerichte in einzelnen Punkten abweichend entscheiden, etwa um bestimmten Schutzvorschriften zugunsten von Gläubigern oder Arbeitnehmern zur Geltung zu verhelfen. Zu nennen sind in diesem Zusammenhang insbesondere die Regelungen des Gesetzes über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer bei einer grenzüberschreitenden Verschmelzung (MgVG). Die für die Praxis wünschenswerte Rechtssicherheit kann wohl nur eine europaweit einheitliche Regelung wie die bereits angestoßene Sitzverlegungs-Richtlinie bringen. Bis dahin ist weiterhin zu empfehlen, sich bei der Umsetzung eines grenzüberschreitenden Formwechsels eng mit den beteiligten Registergerichten abzustimmen.