Venture Capital Exit: Einfluss von Liquida­tionspräferenzen auf die Garantiehaftung

Beim Verkauf eines Venture Capital-finanzierten Unternehmens sind im Rahmen der Verteilung des Kaufpreises ggf. Liquidationspräferenzen zu berücksichtigen. Meist treffen die Gesellschafter des verkauften Unternehmens aber keine Regelung dazu, welche wirtschaftlichen Auswirkungen diese Liquidationspräferenzen im Falle einer Haftung für Garantieverletzungen haben. Der nachfolgende Beitrag enthält einen kurzen Problemaufriss und unterbreitet Lösungsvorschläge.

1. Grundlagen zu Liquidationspräferenzen

In jungen Unternehmen, die durch Wachstumskapital finanziert sind, werden zwischen den Venture Capital-Investoren und den Gründern meistens Regelungen vereinbart, nach denen die Investoren im Falle eines Exits (Verkauf oder Börsengang des Unternehmens) oder einer Liquidation der Gesellschaft die von ihnen investierte Summe, ggf. zuzüglich einer Verzinsung oder eines Faktors auf den eingesetzten Betrag, vorab zurückerhalten.

Der wirtschaftliche Hintergrund dieser Liquidationspräferenzen ist, dass die Geldgeber bei Start-ups auf Grundlage einer Bewertung investieren, die angesichts des Reifegrads des Unternehmens noch spekulativen Charakter hat. Erweisen sich die zugrunde liegenden Annahmen nachträglich als unzutreffend, möchten die Investoren durch eine Regelung, nach der sie zunächst den von ihnen eingezahlten Betrag (ggf. zuzüglich einer Risikoprämie) zurückerhalten, in Bezug auf ihre Risikoposition abgesichert werden. Dies ist für alle Beteiligten sinnvoll. Denn mangels anderweitiger Sicherheiten würden die Kapitalgeber sonst womöglich nicht oder nicht im selben Umfang investieren. Deswegen ist die Vereinbarung von Liquidationspräferenzen in den Gesellschaftervereinbarungen zwischen Investoren und Gründern Standard.

Hat die Gesellschaft vor dem Exit mehrere Finanzierungsrunden durchlaufen, erhalten diejenigen Gesellschafter, die zeitlich später investiert haben, den Betrag ihrer Investition im Sinne einer „last in, first out“-Logik vor den Investoren aus weiter zurückliegenden Finanzierungsrunden zurück.

In rechtlicher Hinsicht stellen die Liquidationspräferenzen schuldrechtliche Erlösverteilungsabreden zwischen den Gesellschaftern dar. Aufgrund des Charakters als Risikoprämie sind diese Vereinbarungen auch steuerlich anzuerkennen, auch wenn es vereinzelt Stimmen gab, die eine – unseres Erachtens fernliegende – schenkungsteuerliche Würdigung der Thematik durch die Finanzverwaltung befürchteten. Unabhängig davon empfiehlt es sich, bereits in der Satzung der Gesellschaft die Möglichkeit zu disquotalen Erlösverteilungen vorzusehen.

In der Praxis sind insbesondere die folgenden Gestaltungen anzutreffen:

a. Anrechenbare und nicht anrechenbare Liquidationspräferenzen

Bei der anrechenbaren oder non-particpating Liquidationspräferenz muss sich der Investor im Rahmen der Verteilung von Exit-Erlösen die vorab aufgrund seiner Liquidationspräferenz erhaltenen Beträge im Rahmen der nachfolgenden Verteilung nach dem Verhältnis der Kapitalanteile anrechnen lassen. Es kommt also zu einem Aufholen (catch-up) der anderen Gesellschafter. Die Liquidationspräferenz wird demnach ab einem bestimmten Veräußerungserlös – wenn der dem Investor bei einer pro rata-Verteilung zustehende Betrag höher ist als der Betrag der Liquidationspräferenz – irrelevant; sie fungiert als reine downside protection.

Bei der nicht anrechenbaren oder participating Liquidationspräferenz erhält der Investor den Betrag der Liquidationspräferenz vorab. Im Anschluss wird immer pro rata verteilt, also ohne Catch-up der Gründer. Je höher der Exit-Erlös ausfällt, desto geringer ist zwar die finanzielle Auswirkung der Liquidationspräferenz. Zu einer reinen pro rata-Verteilung, bei der die Gründer ihren prozentualen Anteil am Kapital der Gesellschaft vollständig erhalten, kommt es auch bei hohen Erträgen nie ganz. Die Vereinbarung einer Liquidationspräferenz beinhaltet in dieser Variante also immer ein gewisses upside zugunsten des Investors.

Im gegenwärtigen Marktumfeld sind anrechenbare Gestaltungen tendenziell häufiger, wobei dies auch davon abhängt, in welcher Phase ins Unternehmen investiert wird – bei Seed Stage-Finanzierungen sind nicht anrechenbare Varianten häufiger als in der Pre-Exit-Phase.

b. Einfache und mehrfache Liquidationspräferenzen

Bei einer einfachen Liquidationspräferenz (1,0x) erhält der Investor als Vorabbetrag seine ursprüngliche Investition zurück. Um dem Charakter als Risikoinvestition noch stärker Rechnung zu tragen, kann der Finanzierungsbeitrag für Zwecke der Berechnung auch mit einem Faktor versehen werden, z.B. 2,0x (doppelte Liquidationspräferenz). Auch Liquidationspräferenzen wie 1,5x oder 1,1x kommen vor.

Die wirtschaftliche Wirkung solcher mehrfacher Liquidationspräferenzen unterscheidet sich danach, ob sie anrechenbar oder nicht anrechenbar ausgestaltet sind. Bei anrechenbaren Liquidationspräferenzen wird es dem optimistischen Gründer, der davon ausgeht, dass er ohnehin in der Lage sein wird, den Einsatz des Investors zu vervielfachen, womöglich leicht fallen, auch eine mehrfache Liquidationspräferenz zu akzeptieren. Die nicht anrechenbare mehrfache Liquidationspräferenz führt auch noch bei höheren Exit-Erlösen zu einer deutlich überproportionalen Beteiligung des Investors am Exit-Erlös (siehe bereits oben unter a.). Dies kann seinen Grund beispielsweise darin haben, dass sich Gründer und Investor im Rahmen des Einstiegs des Investors auf eine besonders „sportliche“ (sprich: hohe) Bewertung des Unternehmens geeinigt haben oder ein besonders riskantes Geschäftsmodell vorliegt, mit anderen Worten das Risikoprofil gegenüber anderen Wagniskapitalbeteiligungen nochmals erhöht ist.

c. Unverzinsliche und verzinsliche Liquidationspräferenzen

Bei verzinslichen Liquidationspräferenzen kommt zu der vereinbarten Präferenz noch eine jährliche Verzinsung hinzu, die dem wirtschaftlichen Gedanken der Gegenleistung für Kapitalüberlassung Rechnung trägt. Bei mehrfachen Liquidationspräferenzen ist dies eher selten, bei einfachen (1,0x) Liquidationspräferenzen kommen entsprechende Verzinsungsregelungen dagegen häufiger vor (z.B. 1,0x Liquidationspräferenz + 5% p.a.).

Aus unserer Beobachtung hat die Verwendung verzinslicher Liquidationspräferenzen in der Praxis eher abgenommen, obwohl aus wirtschaftlicher Sicht dem „time value of money“-Gedanken hier in höherem Maße Rechnung getragen wird als durch Vereinbarung einer Liquidationspräferenz mit einem Multiplikator.

2. Garantieregelungen bei Exit im Venture Capital-Umfeld

Im Rahmen des Verkaufs (Trade Sale) des Wachstumsunternehmens müssen die Verkäufer die marktüblichen Rechtsgewährleistungen in Bezug auf die von ihnen gehaltenen Unternehmensanteile (Title Warranties) und Garantien in Bezug auf den operativen Geschäftsbetrieb (Business Warranties) abgeben. Während bei den Title Warranties oftmals nur eine teilschuldnerische Haftung der Verkäufer gefordert wird, ist die Haftung für Business Warranties meist gesamtschuldnerisch ausgestaltet, d.h. im Außenverhältnis zum Käufer haftet jeder Verkäufer auf den vollen Betrag (wenn die Thematik nicht durch Escrow-Regelungen entschärft wird, siehe hierzu noch unten). Der endgültige Ausgleich findet (nur) im Innenverhältnis zwischen den Verkäufern statt.

Die Finanzinvestoren versuchen häufig, zumindest die Haftung für operative Garantien zu Lasten der Gründer zu vermeiden oder wenigstens zu beschränken, weil sie regelmäßig über weniger Einblick in die Details des operativen Geschäftsbetriebs verfügen als die Gründer. Die in diesem Beitrag diskutierte Problematik stellt sich dann nicht oder nicht mit derselben Schärfe.

In zahlreichen Konstellationen kann diesem Ansinnen der Investoren allerdings nicht oder nicht mehr in vollem Umfang entsprochen werden:

- Wenn die Gründer aufgrund der durch die diversen Finanzierungsrunden eingetretenen Verwässerung nicht mehr in substanzieller Höhe (etwa als Mehrheitsgesellschafter) am Unternehmen beteiligt sind, stehen ihre (verhältnismäßig geringen) Exit-Erlöse nicht mehr in einem angemessenen Verhältnis zu der potenziellen (Voll-) Haftung für Garantieverletzungen, die in der Regel auf einen Prozentsatz des Gesamtkaufpreises (und nicht: auf einen Prozentsatz des Kaufpreises, den die Gründer erhalten) beschränkt ist. Die Chancen aus dem erfolgreichen Verkauf würden sonst alleine bei den Investoren verbleiben, während die Risiken, die sich aus – häufig den Verkäufern nicht erkennbaren und auch nicht vorwerfbaren – Garantieverletzungen ergeben, alleine die Gründer treffen.

- Bei reiferen Unternehmen sind die Gründer (teils) auch nicht mehr in der Geschäftsleitung aktiv, sondern durch Fremdgeschäftsführer abgelöst, d.h. auch deren Einblick in operative Belange ist beschränkt.

- Umgekehrt verfügen die Finanzinvestoren häufig durch eine Aufsichtsrats- oder Beiratstätigkeit über intensive Einblicke in den operativen Geschäftsbetrieb, so dass der Wissensvorsprung der Gründer nicht so erheblich ist, dass dieser ein völlig unterschiedliches Haftungsregime rechtfertigen würden.

- Wenn die Exit-Erlöse sehr hoch ausfallen, kann dies beispielsweise daran liegen, dass sich die Gesellschafter entschlossen haben, ein scharfes vertragliches Garantieregime zugunsten eines hohen Kaufpreises zu akzeptieren. Es wäre nicht sachgerecht, nur die Gründer den Risiken des Garantieregimes zu unterwerfen, wenn die Vorteile des hohen Kaufpreises doch allen Gesellschaftern (bzw. den Investoren wegen der Liquidationspräferenzen ggf. sogar überproportional) zugutekommen. Aber auch in anderen Fällen ist ein im Marktvergleich sehr hoch ausfallender Kaufpreis vor allem der erfolgreichen Tätigkeit der Gründer zu verdanken (während der relative Beitrag der erfolgten Kapitalüberlassung durch die Investoren am erfolgreichen Exit sinkt). Die Gründer machen hier bildlich gesprochen die Investoren „reich“, und es erscheint daher häufig kommerziell angemessen, dass eine gewisse Beteiligung der Kapitalgeber an den Risiken der Exit-Transaktion erfolgt.

Wie bereits erwähnt ist die in den beschriebenen Konstellationen entstehende Haftung von Gründern und Investoren in der Regel eine gesamtschuldnerische, d.h. jeder der verkaufenden Gesellschafter haftet dem Käufer auf die volle Haftungssumme. In der Praxis erfolgt praktisch immer eine Begrenzung der Haftung auf einen Höchstbetrag (cap). Dieser wird oftmals anhand eines Prozentsatzes des Gesamtkaufpreises bestimmt.

Der Ausgleich zwischen den Gesamtschuldnern erfolgt dann zwischen diesen im Innenverhältnis. Zum Gesamtschuldnerregress bestimmt die interne Ausgleichsregelung des § 426 BGB, dass die Gesamtschuldner im Innenverhältnis zu gleichen Teilen, also nach Köpfen, haften, sofern nicht „ein anderes bestimmt“ ist. Eine solche andere Bestimmung kann sich auch aus der Natur der Sache oder aus dem Inhalt und Zweck des in Frage stehenden Rechtsverhältnisses ergeben. Nach der Rechtsprechung haften Gesellschafter untereinander im Zweifel nach dem Verhältnis ihrer Beteiligung an der Gesellschaft. Eine Haftung nach Köpfen wäre indes auch offensichtlich nicht sachgerecht.

3. Der Einfluss von Liquidationspräferenzen auf den Innenausgleich

Die hier behandelte Problemstellung ergibt sich aus der erwähnten Rechtsprechung, nach der mehrere Verkäufer im Exit-Fall im Verhältnis ihrer Beteiligung an der Gesellschaft für Garantieverletzungen haften. Es stellt sich die Frage, ob eine Verteilung der Haftung nach der Höhe der Gesellschaftsbeteiligungen sachgerecht ist, wenn doch die Verteilung der Exit-Erlöse aufgrund der Anwendung von Liquidationspräferenzen gerade nicht proportional zur Höhe der Beteiligungen am Nominalkapital der Gesellschaft erfolgt.

Die Thematik ist insbesondere deshalb praxisrelevant, weil häufig keine detaillierten Bestimmungen zum Innenregress getroffen werden. Oftmals erschöpft sich der Unternehmenskaufvertrag darin, den Betrag der Kaufpreise zu nennen, die den einzelnen Verkäufern zustehen. Bisweilen wird auch eine Erlösverteilungsabrede im Innenverhältnis zwischen den Verkäufern getroffen, die dann jedoch eher die Berechnung der Liquidationspräferenzen und die Verteilung der Transaktionskosten zum Gegenstand hat; eine ausdrückliche Regelung zum Gesamtschuldnerregress erfolgt nach unserer Beobachtung eher selten.

Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, wie zu verfahren ist, wenn entweder eine vertragliche Regelung getroffen werden soll, oder aber, welche Haftungsverteilung vorgenommen werden sollte, wenn keine vertraglichen Abreden existieren – hier ist dann auf die allgemeinen Auslegungsgrundsätze, insbesondere auch den hypothetischen Parteiwillen, zurückzugreifen.

Es bieten sich im Wesentlichen drei Lösungswege an:

  • Variante 1: Die Aufteilung der Haftung zwischen den Gesellschaftern erfolgt im Verhältnis ihrer Beteiligung am Nominalkapital der Gesellschaft. Dies entspricht dem von der Rechtsprechung in anderen Fällen angewandten Grundsatz. Hierfür spricht, dass Liquidationspräferenzen reine Erlösverteilungsregelungen darstellen, die nicht mit der Intention einer Verteilung von Haftungsrisiken gestaltet werden.
  • Variante 2: Die Aufteilung der Haftung zwischen den Gesellschaftern erfolgt im Verhältnis der Erlöse, die sie aus der Exit-Transaktion erhalten haben. Hierfür spricht eine wirtschaftlich ohne weiteres eingängige Logik, nach der es angemessen ist, denjenigen, der am Upside einer Transaktion höher beteiligt ist, auch an deren Risiken in größerem Umfang zu beteiligen.
  • Variante 3: Die gesamte Haftungssumme wird vom erhaltenen Gesamtkaufpreis abgezogen. Danach wird die Verteilung der Exit-Erlöse unter Berücksichtigung der Liquidationspräferenzen neu unter Anwendung des reduzierten Kaufpreises berechnet. Daraus ergibt sich, welcher Gesellschafter welche Beträge aufgrund der Garantieverletzung wieder abgeben muss.

4. Beispielsrechnung

Je nach (i) der Ausgestaltung der Liquidationspräferenzen, (ii) der Verteilung der verkauften Geschäftsanteile zwischen Gründern und Investoren, (iii) der Höhe des Exit-Erlöses, und (iv) des Betrags des vom Käufer geltend gemachten Garantieanspruchs ergeben sich in den drei Varianten unterschiedliche Ergebnisse.

Beispiel 1:

Verteilung Unternehmensanteile: VC 75% / Founder 25%

Höhe der Investments: VC EUR 50 Mio. / Founder (vereinfacht) EUR 0

Exit-Erlös: EUR 100 Mio.; Garantiefall EUR 20 Mio.

1,5x non-participating liquidation preference des VC, also EUR 75 Mio. Erlösvorab

Verteilung der Exit-Erlöse damit zunächst EUR 75 Mio. VC, EUR 25 Mio. Gründer

In der Variante 1 und 2 trägt der Finanzinvestor jeweils 75% des Garantiebetrags, also EUR 15 Mio. Das Gesamtergebnis aus der Transaktion ergibt für ihn dann nach Befriedigung der Garantieansprüche EUR 60 Mio. Den Gründern verbleiben EUR 20 Mio.

In der Variante 3 würde auf den Gesamterlös (nach Abzug des Garantiefalls) in Höhe von EUR 80 Mio. dagegen zunächst die Liquidationspräferenz in Höhe von EUR 75 Mio. angewandt, weswegen das Gesamtergebnis für den VC hier EUR 75 Mio. wäre, für die Gründer EUR 5 Mio. (also EUR 15 Mio. Unterschied, die Gründer tragen den Garantiefall alleine).

Beispiel 2:

Wie oben, aber 2,0x non-participating liquidation preference des VC, also EUR 100 Mio. Erlösvorab.

Verteilung der Exit-Erlöse damit zunächst EUR 100 Mio. VC, EUR 0 Gründer.

In der Variante 1 trägt der Finanzinvestor wie gehabt 75% des Garantiebetrags. Sein Gesamtergebnis aus der Transaktion ergibt EUR 85 Mio. Die Gründer haben nicht nur nichts erhalten, sondern müssen noch EUR 5 Mio. „mitbringen“.

In der Variante 2 trägt der Finanzinvestor die gesamten EUR 20 Mio.

Das gleiche Ergebnis resultiert in der Variante 3, in der der Kaufpreis zunächst auf EUR 80 Mio. reduziert wird und dann die Liquidationspräferenz angewendet wird – diese führt dazu, dass im Rahmen der Erlösverteilung die Gründer leer ausgehen. In diesem Beispiel ergibt sich zwischen den Varianten demnach zumindest ein Unterschied in Höhe von EUR 5 Mio.

5. Stellungnahme

Aus unserer Sicht ist die Variante 3 (Neuberechnung des Kaufpreises unter Abzug des Garantiebetrags) vorzugswürdig. Unseres Erachtens entspricht sie am ehesten den Intentionen der Parteien, da diese durch die Regelung der Liquidationspräferenzen zum Ausdruck bringen, welcher Betrag dem Finanzinvestor unter Berücksichtigung der Risiken des Unternehmens verbleiben soll.

Im Beispiel 1 würde der Finanzinvestor in den anderen beiden Varianten EUR 15 Mio. weniger als den Betrag seiner Liquidationspräferenz erzielen, obwohl bei den Gründern noch Mittel vorhanden wären, die durch den Exit generiert wurden. Dies widerspricht dem Grundgedanken von Liquidationspräferenzen.

Im Beispiel 2 würde der Finanzinvestor dagegen bei Anwendung der Variante 1 (pro rata Verteilung) Beträge erhalten, die höher sind als die Exit-Erlöse nach Abzug der Garantieansprüche, womit die Gründer sicherlich nicht einverstanden gewesen wären, wenn der Fall vorher bedacht worden wäre – für solche Gefahrenlagen soll das „Risikokapital“ des Finanzinvestors haften, nicht das Privatvermögen der Gründer.

In Unternehmenskaufverträgen sind regelmäßig Klauseln enthalten, wonach Zahlungen aufgrund von Garantieverletzungen als Kaufpreisanpassungen zu behandeln sind. Diese Bestimmungen haben zwar in erster Linie einen steuerlichen Hintergrund, können aber unseres Erachtens auch für das Innenverhältnis zwischen den Verkäufern zugunsten der von uns favorisierten Auslegung (Variante 3) fruchtbar gemacht werden. Nur eine Neuberechnung des Kaufpreises unter Einbeziehung des Garantieanspruches und die Neukalkulation der Liquidationspräferenz tragen dem von den Parteien zum Ausdruck gebrachten Willen Rechnung, dass Garantieansprüche kaufpreismindernde Wirkung zeitigen sollen.

6. Problemstellung bei Escrow Accounts

Bei Venture Capital Exits sind Gestaltungen häufig, in denen der Käufer einen Teil des Kaufpreises bis zur Höhe des Caps für operative Garantien auf ein Treuhandkonto (Escrow Account) einzahlt, aus dem dann etwaige Garantieansprüche befriedigt werden.

Eine solche Gestaltung wird nicht nur im Interesse des Käufers vereinbart. Insbesondere die Finanzinvestoren möchten regelmäßig eine Situation zu vermeiden, in der sie für eine Rückzahlung bereits erhaltener Beträge haften, ggf. nicht nur in der Höhe des auf sie entfallenden Teils eines Garantieanspruchs, sondern aufgrund der gesamtschuldnerischen Haftung auch für Beträge, für die nach Durchführung des Innenregresses letztlich andere Gesellschafter einstehen sollen. Schließlich möchten Venture Capital-Fonds Exit-Erlöse regelmäßig zügig an ihre Investoren ausschütten, woran sie bei ungeklärten Haftungslagen gehindert wären. Der Escrow Account fungiert demgemäß als Substitut der gesamtschuldnerischen Haftung.

Die hier besprochene Thematik ist allerdings ebenso virulent, weil die Einzahlung eines Teils des Kaufpreises auf ein Treuhandkonto per se noch nichts über die Haftungsaufteilung im Verhältnis der Verkäufer besagt.

Allerdings kann die Entscheidung der Verkäufer darüber, wer zu Beginn welchen Teil der Exit-Erlöse erhält, die nicht auf den Escrow Account eingezahlt werden, eine Indikation für die Intention der Parteien geben. Wenn die Finanzinvestoren bereits die auf den vollen Kaufpreis (einschließlich des auf den Escrow Account einzuzahlenden Betrags) unter Berücksichtigung ihrer Liquidationspräferenzen berechneten Erlöse erhalten, während Beträge, die dem Escrow Account zufließen, von den Erlösen der Gründer abgezogen werden (und spätere Auszahlungen vom Escrow Account demgemäß nurmehr an die Gründer gehen), spricht dies für die Vereinbarung der Variante 3 (im Garantiefall Neuberechnung des Kaufpreises). Erfolgt die Einzahlung auf den Escrow Account dagegen z.B. pro rata im Verhältnis der Exit-Erlöse oder der Beteiligung am Nominalkapital, sind womöglich die anderen Varianten gewollt.

7. Zusammenfassung

Es ist nicht eindeutig, welche Auswirkungen die Vereinbarung von Liquidationspräferenzen für den Exit-Fall auf die Haftung für Garantieverletzungen aus dem Unternehmenskaufvertrag hat. Im Regelfall vorzugswürdig dürfte ein Abzug der Garantiesumme vom Kaufpreis und anschließende Neuberechnung der Liquidationspräferenzen sein. Bei der Verwendung von Escrow Accounts kann die Regelung dazu, wem die nicht verbrauchten Beträge von dem Escrow Account zustehen, einen Hinweis auf die Vorstellung der beteiligten Parteien geben.

Um Unklarheiten und Streitigkeiten vorzubeugen, empfiehlt es sich, die Rechtsfolgen von Garantieansprüchen auf den Innenregress in einer Erlösverteilungsabrede zwischen den Verkäufern ausdrücklich zu regeln.