Loan Market Association (LMA) veröffentlicht Musterdokumentation für Schuldscheindarlehensverträge: Worum geht es und was ist von Marktteilnehmern zu beachten?

1. Einleitung

Am 31.10.2018 veröffentlichte die Loan Market Association (LMA) eine Musterdokumentation für Schuldscheindarlehensverträge bestehend aus Mustern für Schuldscheindarlehensverträge mit und ohne Garantie einer Obergesellschaft des Darlehensnehmers sowie einem Nutzerleitfaden. Die Musterdokumentation ist in deutscher und englischer Sprache erhältlich.

2. Was ist ein Schuldscheindarlehen?

Bei einem Schuldscheindarlehen handelt es sich um eine Finanzierungsform nach deutschem Recht, welche einem Darlehensnehmer Zugang zu einer mittel- bis langfristigen Finanzierung in einer Größenordnung von typischerweise ca. EUR 20 Mio. bis ca. EUR 500 Mio. durch institutionelle Kapitalmarktinvestoren außerhalb des reinen Bankenmarkts (insbesondere Versicherungen und Pensionskassen) ermöglicht und die strukturell zwischen einer Schuldverschreibung und Bankdarlehen steht.

Rechtlich ist ein Schuldscheindarlehen ein Darlehen im Sinne von § 488 BGB. Traditionell wurde im Zusammenhang mit der Darlehensvalutierung ein sog. Schuldschein vom Darlehensnehmer ausgestellt, der jedoch lediglich als Beweisurkunde über die Auszahlung des Darlehens fungierte und bei Tilgung des Darlehens entsprechend § 371 BGB zurückzugeben ist. Da der Schuldschein weder ein Wertpapier im Sinne des deutschen Zivil- und Handelsrechts noch im Sinne des Wertpapierhandelsgesetzes (WpHG) oder des Wertpapierprospektgesetzes (WpPG) ist, unterliegt ein Schuldscheindarlehen keiner Prospektpflicht nach europäischem Wertpapierprospektrecht und wird auch nicht an einer Wertpapierbörse gehandelt. Schuldscheindarlehen bieten damit dem kreditnehmenden Unternehmen den Vorteil, dass kein Emissionsprospekt erstellt werden muss und auch keine kapitalmarktrechtlichen Folgepflichten beachtet werden müssen. In jüngerer Zeit verzichtet man überwiegend auf die Ausstellung einer Schuldscheinurkunde und auch die LMA Musterdokumentation sieht einen solchen nicht mehr vor.

An einer Schuldscheintransaktion beteiligt sind typischerweise der Darlehensnehmer, ggf. eine Obergesellschaft des Darlehensnehmers als Garant, die Investoren als Darlehensgeber und eine oder mehrere Banken als Arrangeure, die teilweise auch als erste Darlehensgeber auftreten und das Schuldscheindarlehen im Rahmen der Platzierung dann in Teilbeträgen an die Investoren übertragen.

Anders als bei einem Konsortialdarlehen gibt es bei einem Schuldscheindarlehen keinen Agenten bzw. Konsortialführer. Einziges „Bindeglied“ zwischen dem Darlehensnehmer und den Darlehensgebern im Anschluss an die Platzierung ist die sog. Zahlstelle, derer sich der Darlehensnehmer auf Basis einer üblicherweise separat abgeschlossenen Zahlstellenvereinbarung als Erfüllungsgehilfe bedient, um seine Zahlungs- und Informationsverpflichtungen im Zusammenhang mit dem Schuldscheindarlehen zu erfüllen. Schuldscheindarlehen sehen anders als Konsortialdarlehen auch keine kollektive Willensbildung der Darlehensgeber mit Mehrheitsentscheidungen und ebenso auch keinen Saldenausgleich zwischen diesen vor. Verbunden mit dem Recht eines jeden einzelnen Darlehensgebers, ein außerordentliches Kündigungsrecht hinsichtlich seiner Teilforderung eigenständig ausüben zu dürfen, führt dies dazu, dass ein Schuldscheindarlehen faktisch nach erfolgter Platzierung in eine Vielzahl einzelner bilateraler Darlehen „zerfällt“.

3. Wesentliche Elemente des LMA Muster-Schuldscheindarlehensvertrags

Der LMA gelang es grundsätzlich die Kürze und Einfachheit des Schuldscheindarlehens zu erhalten. Auch das Vertragsmuster mit integrierter Garantie umfasst nur rund 30 Seiten.

Auch wenn es sich bei der LMA um eine Londoner Institution handelt, sehen die Vertragsmuster zwingend deutsches Recht als anwendbares Recht vor. Dies entspricht der Tatsache, dass es sich bei Schuldscheindarlehen um eine tradierte deutsche Finanzierungsform handelt, dessen Kürze gerade durch die ergänzend geltenden Regelungen des deutschen Zivilrechts ermöglicht wird und dessen Charakteristika die LMA gerade auch aufgrund der fortschreitenden Internationalisierung dieses Instruments zu wahren suchte.

Folgende Merkmale der Vertragsmuster sind besonders hervorzuheben:

  • Kontrollwechselklausel: Die Vertragsmuster sehen eine vorzeitige Lösungsmöglichkeit für jeden Darlehensgeber vor, wenn ein Kontrollwechsel beim Darlehensnehmer eintritt. Die Klausel ist als vorzeitiger Rückzahlungsanspruch des Darlehensgebers ausgestaltet, jedoch nicht als (außerordentliches) Kündigungsrecht, um zu vermeiden, dass die Ausübung der Lösungsmöglichkeit ein Kündigungsrecht unter typisch formulierten Cross-Default-Klauseln in anderen Finanzierungsinstrumenten des Darlehensnehmers auslöst.

  • Zusicherungen und Gewährleistungen: Da Regelungen zu Zusicherungen und Gewährleistungen nicht Teil der traditionellen Dokumentationsform von Schuldscheindarlehen sind und die Marktpraxis diesbezüglich uneinheitlich ist, enthalten die Vertragsmuster hierzu keine Regelung.

  • Allgemeine Verpflichtungen: Der Auflagenkatalog der Vertragsmuster enthält zwar keine Finanzkennzahl, die über die Laufzeit des Schuldscheindarlehens einzuhalten wäre, umfasst aber Verpflichtungen (i) kein Sicherheiten zur Besicherung von Finanzverbindlichkeiten zu bestellen, (ii) grundsätzlich keine Veräußerung von Vermögenswerten vorzunehmen, (iii) keine wesentlichen gesellschaftsrechtlichen Strukturmaßnahmen durchzuführen und (iv) die generelle Natur der Geschäftstätigkeit nicht wesentlich zu ändern. Das Gerüst der allgemeinen Verpflichtungen entspricht damit – wenn auch in der Ausgestaltung im Einzelnen abweichend – im Wesentlichen dem was auch im Konsortialkreditvertragsmuster der LMA für Investment Grade Finanzierungen nach deutschem Recht vorgesehen ist.

  • Außerordentliche Kündigung: Die Regelung der Vertragsmuster zur außerordentlichen Kündigung knüpfen an den Eintritt eines wichtigen Grunds an und damit an ein auf § 314 BGB basierendes Konzept. Wie in der Marktpraxis üblich, wird das Vorliegen eines wichtigen Grunds durch bestimmte konkrete Tatbestände präzisiert (Nichtzahlung, Nichterfüllung anderer vertraglicher Verpflichtungen, Insolvenz, etc.).

  • Übertragung: Die Übertragungsklausel der Vertragsmuster erlaubt die Übertragung der Vertragsposition des Darlehensgebers ganz oder teilweise im Wege der Vertragsübernahme ohne Zustimmung des Darlehensnehmers an dort näher definierte „Geeignete Dritte“ (insbesondere Kreditinstitute, Pensionskassen und Versicherungsunternehmen). Optional ist vorgesehen, dass die Beschränkung auf „Geeignete Dritte“ im Fall eines außerordentlichen Kündigungsgrunds entfällt.

4. Was ist bei Schuldscheintransaktionen zu beachten?

Auch wenn es sich bei einem Schuldscheindarlehen um ein vergleichsweise einfach strukturiertes Finanzierungsinstrument handelt, bedürfen die einzelnen Bedingungen, insbesondere die Ausgestaltung des Auflagengerüsts, einer sorgfältigen Prüfung durch den Darlehensnehmer. Dabei muss vor allem der Strukturunterschied zu einer Konsortialfinanzierung berücksichtigt werden: Angesichts des Fehlens eines Konsortialführers verbunden mit dem durchgehenden Einstimmigkeitserfordernis zur Abänderung der Bedingungen eines Schuldscheindarlehens ist eine Anpassung der Schuldscheinbedingungen während der Laufzeit erheblich erschwert. Ein zu enges Auflagenkorsett kann dabei nicht nur die weitere Geschäftsentwicklung des Darlehensnehmers behindern, sondern gerade in einer Krisensituation eine professionelle Restrukturierung verhindern und die Gefahr einer Insolvenz des Darlehensnehmers erhöhen. Dieser Umstand sollte nicht nur von der Geschäftsleitung des Darlehensnehmers beachtet, sondern vernünftigerweise auch von einem Investor in die Bewertung der Schuldscheinbedingungen eingestellt werden.

Die Ausweitung des Schuldscheinmarktes in jüngster Zeit über den Investment Grade Bereich hinaus auch auf den Cross-Over und sogar Sub-Investment Grade Bereich stellt daher eine bedenkliche Entwicklung dar, da hierfür dieses Finanzierungsinstrument nur bedingt geeignet ist. Die LMA legt den Vertragsmustern daher auch ausdrücklich die Annahme zugrunde, dass der Darlehensnehmer über ein solides Investment-Grade-Rating oder bei fehlendem Rating eine entsprechende Bonität verfügt.

Gerade im oberen Investment Grade Bereich gelingt es jedoch gut beratenen Darlehensnehmern regelmäßig, ein weit weniger beschränkendes Auflagengerüst in Schuldscheindarlehen zu vereinbaren wie jetzt von der LMA als nicht bindender Ausgangspunkt für die Vertragsverhandlungen in den Vertragsmustern vorgeschlagen (etwa ein auf Kapitalmarktverbindlichkeiten statt Finanzverbindlichkeiten beschränktes Nichtbesicherungsversprechen (negative pledge)). Im Zuge der verstärkten Verwendung von Schuldscheindarlehen zur allgemeinen Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, speziell auch zur Mittelstandsfinanzierung, nähert sich die Dokumentation insbesondere in Bezug auf Zusicherungen und Gewährleistungen, Verpflichtungen (einschließlich Finanzkennzahlen) und Kündigungsgründe jedoch im Markt zunehmend der Dokumentation von Konsortialdarlehen an.

Vor diesem Hintergrund mögen die nun von der LMA vorgelegten Vertragsmuster zwar sogar ein Versuch sein, eine noch weitere Annäherung der Dokumentation in diesem Finanzierungssegment an die Regelungsdichte von Konsortialdarlehensverträgen zu verhindern. Angesichts der Nähe des Auflagengerüsts zum Konsortialkreditvertragsmuster der LMA für Investment Grade Finanzierungen nach deutschem Recht verbleibt aber folgender Hinweis: Regelungen aus Finanzierungsinstrumenten, deren Anpassung einer Mehrheitsentscheidung unterliegen, in gleicher Form in ein Instrument zu übernehmen, für dessen Änderung keine Mehrheitsentscheidungen vorgesehen sind, birgt erhebliche Risiken.

Auch bei einem relativ „einfachen“ Finanzierungsprodukt können Musterklauseln daher nicht unbesehen übernommen werden. Sofern ein generell nur beschränktes Auflagengerüst nicht akzeptabel ist, können diese Risken etwa durch eine Erweiterung von Freibeträgen in beschränkenden Verpflichtungen, die ebenso in einer parallel bestehenden syndizierten Finanzierung enthalten sind, oder durch einen dynamischen Verweis auf die Regelungen der durch Mehrheitsentscheidung anpassbaren parallelen syndizierten Finanzierung abgemildert werden.

Auch eine Beschränkung der Übertragbarkeit, die sicherstellt, dass das Schuldscheindarlehen in der Hand eines eher kooperativen Investorenkreises verbleibt, können in diesem Zusammenhang hilfreich sein. Dies kann etwa dadurch gewährleistet werden, dass der Arrangeur aufgrund einer Vereinbarung in der Mandatsvereinbarung über eine bestimmte dauerhafte „Hold“-Position des Arrangeurs am Schuldscheindarlehen als Ankerinvestor erhalten bleibt und des Weiteren auch im Krisenfall eine Übertragung an Investoren außerhalb des Kreises „Geeigneter Dritter“ nicht gestattet wird.

Unter Umständen mögen auch bislang im Markt nicht anzutreffende Mehrheitsentscheidungselemente im Rahmen der weiteren Marktentwicklung in die Dokumentation mancher Schuldscheindarlehen aufgenommen werden, um diese von manchen als „Schönwetterinstrument“ bezeichnete Finanzierungsform krisentauglicher auszugestalten.