Nachträgliche Anschaffungskosten auf Beteiligungen nach § 17 EStG: Finanzverwaltung folgt der neueren Rechtsprechung des BFH

Mit BMF-Schreiben vom 05.04.2019 hat die Finanzverwaltung bei nachträglichen Anschaffungskosten auf Beteiligungen nach § 17 EStG die Abkehr des Bundesfinanzhofs vom Eigenkapitalersatzrecht in der vor dem MoMiG geltenden Fassung nachvollzogen. Die Auswirkungen für die Praxis werden im Folgenden kurz erläutert.

1. Einleitung

Durch das Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) wurde mit Wirkung ab dem 01.11.2008 das Eigenkapitalersatzrecht in seiner bis dahin geltenden Form grundlegend reformiert. Die Bestimmungen über kapitalersetzende Darlehen (§§ 32a, 32b GmbHG) wurden aus dem GmbHG entfernt und im Insolvenzrecht sowie im Anfechtungsgesetz neu geordnet. Somit wurde auch den zu §§ 30, 31 GmbHG vom BGH entwickelten Rechtsprechungsregeln die gesetzliche Grundlage entzogen.

Im Zusammenhang mit der Anerkennung nachträglicher Anschaffungskosten auf eine im Privatvermögen gehaltene Beteiligung nach § 17 Abs. 2 EStG hatte die Finanzverwaltung diesen Paradigmenwechsel bis vor Kurzem noch nicht nachvollzogen. Insbesondere führte nach Auffassung der Finanzverwaltung neben Einlagen eines Gesellschafters in eine Kapitalgesellschaft weiterhin auch der Ausfall von Darlehen, die der Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft gewährt hat, in Höhe des Nennwertes zu nachträglichen Anschaffungskosten auf die Beteiligung an der Kapitalgesellschaft, wenn es sich um ein Finanzplandarlehen, krisenbestimmtes Darlehen oder Krisendarlehen handelte. Der Ausfall eines in der Krise stehen gelassenen Darlehens führte hingegen nur in Höhe des Teilwerts im Zeitpunkt des Eintritts der Krise zu nachträglichen Anschaffungskosten. Wegen der Krise der Gesellschaft lag dieser Wert regelmäßig bei 0 Euro.

Im Fall einer nachfolgenden Veräußerung oder Auflösung der Gesellschaft haben die höheren Anschaffungskosten zur Folge, dass ein geringerer Veräußerungsgewinn bzw. ein höherer Veräußerungsverlust entsteht. Ob alternativ über § 20 Abs. 2 EStG der Ausfall eines Gesellschafterdarlehens steuerlich geltend gemacht werden könnte, ist derzeit im Fluss (in diese Richtung BFH, Urteil v. 24.10.2017, VIII R 13/15) und wird (jedenfalls aktuell) von der Finanzverwaltung noch abgelehnt.

2. Rechtsprechung des BFH

a) Aufhebung der Bezugnahme auf das Eigenkapitalersatzrecht

Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (siehe BFH, Urteil v. 11.07.2017, IX R 36/15, BStBl. II 2019, 208) stellen auf Basis der durch das MoMiG geschaffenen Rechtslage nur noch solche Aufwendungen des Gesellschafters nachträgliche Anschaffungskosten dar, die nach handels- und bilanzsteuerrechtlichen Grundsätzen zu einer offenen oder verdeckten Einlage in das Kapital der Gesellschaft führen (§ 255 HGB). Hierzu zählen insbesondere Nachschüsse (§§ 26 ff. GmbHG) und sonstige Zuzahlungen (§ 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB) wie Einzahlungen in die Kapitalrücklage, Barzuschüsse oder der Verzicht auf eine werthaltige Forderung. Grundsätzlich nicht mehr als nachträgliche Anschaffungskosten anzuerkennen sind hingegen Fremdkapitalhilfen wie der Ausfall eines Darlehens oder der Ausfall mit einer Bürgschaftsregressforderung. Ist ein Gesellschafterdarlehen im Einzelfall, z.B. aufgrund der Vereinbarung eines Rangrücktritts, mit der Gewährung von Eigenkapital vergleichbar, ist es wie eine Einlage zu behandeln.

b) Einlagen „in letzter Minute“ kein Gestaltungsmissbrauch

Im Hinblick auf diese Einschränkungen des Begriffs der nachträglichen Anschaffungskosten ist aus Sicht der Steuerpflichtigen zu begrüßen, dass der BFH jüngst Gestaltungen anerkannt hat, bei denen ein Gesellschafter, der sich für eine Bankverbindlichkeit der Gesellschaft verbürgt hatte, eine Einlage in die Gesellschaft leistete, mit der die Gesellschaft dann die Bankverbindlichkeit tilgte und die Bürgschaft ablöste (BFH, Urt. vom 20.07.2018, IX R 5/15, BStBl. II 2019, 194). Die Finanzverwaltung und ihr folgend die erstinstanzlichen Gerichte wollten in derartigen Fällen keine nachträglichen Anschaffungskosten auf die Beteiligung anerkennen, so dass die Aufwendungen des Gesellschafters steuerlich grundsätzlich ins Leere gelaufen wären. Dies wurde damit begründet, dass bei wirtschaftlicher Betrachtung die Zuführung des Kapitals der Ablösung der Bürgschaft diene, so dass dieser Aufwand steuerlich das Schicksal der abgelösten Bürgschaft teilen müsse. Mangels eines werthaltigen Rückgriffsanspruchs des Gesellschafters aus der Bürgschaft gegen die Gesellschaft seien keine nachträglichen Anschaffungskosten gegeben.

Anders der BFH: Für die Frage der Erhöhung der Anschaffungskosten auf die Beteiligung sei es unerheblich, ob auch dann nachträgliche Anschaffungskosten entstanden wären, wenn ein anderes Vorgehen gewählt worden wäre. Bei dem Gesellschaftsanteil, auf den gezahlt wurde, einerseits und den Darlehensschulden der Gesellschaft andererseits handele es sich um unterschiedliche Wirtschaftsgüter und damit um unterschiedliche Veranlassungsbereiche. Der BFH verneinte auch einen Gestaltungsmissbrauch nach § 42 AO. Mit der Einzahlung in das Gesellschaftsvermögen habe es der Gesellschafter der Gesellschaft ermöglicht, ihre betrieblichen Verbindlichkeiten abzulösen. In einem solchen gesellschaftsrechtskonformen Vorgehen könne nicht zugleich ein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts liegen.

3. Übergangsregelung der Finanzverwaltung

Mit BMF-Schreiben vom 05.04.2019 (V C 6 – S 2244/08/10001) hat sich die Finanzverwaltung der oben unter 2. a) geschilderten Rechtsprechung des BFH zu nachträglichen Anschaffungskosten im Rahmen des § 17 Abs. 2 EStG angeschlossen. Wenngleich das Schreiben auf die Rechtsprechung des BFH zum Gestaltungsmissbrauch (siehe oben unter 2. b)) nicht eingeht, ist aufgrund der Veröffentlichung des BHF-Urteils IX R 15/5 im Bundessteuerblatt davon auszugehen, dass auch die Finanzverwaltung derartige Gestaltungen in Zukunft akzeptieren wird.

Das BMF-Schreiben v. 21.10.2010 (IV C 6 - S 2244/08/10001, BStBl. I 2010, 832) zur Behandlung nachträglicher Anschaffungskosten im Rahmen des § 17 Abs. 2 EStG, mit dem noch auf das Eigenkapitalersatzrecht abgestellt wurde (siehe oben unter 1.) ist aus Vertrauensschutzgründen weiterhin in allen offenen Fällen anzuwenden, bei denen auf die Behandlung des Darlehens/der Bürgschaft die Vorschriften des MoMiG anzuwenden sind, wenn die bisher als eigenkapitalersetzend angesehene Finanzierungshilfe bis einschließlich 27.09.2017 (dabei handelt es sich um das Datum der Veröffentlichung des BFH-Urteils v. 11.07.2017, IX R 36/15) gewährt wurde oder wenn die Finanzierungshilfe bis einschließlich 27.09.2017 eigenkapitalersetzend geworden ist.