COVID-19: Temporäre Sonderregelungen für bis 30. September 2020 neu gewährte Gesellschafterdarlehen

Mit dem Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht vom 27. März 2020 (COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetz – COVInsAG), das rückwirkend zum 1. März 2020 in Kraft getreten ist, sind neben der in den Medien besonders hervorgehobenen Aussetzung der Insolvenzantragspflicht bis zum 30. September 2020 auch temporäre insolvenzrechtliche Privilegierungen für die Gewährung neuer Gesellschafterdarlehen verabschiedet worden. Diese können es für einen Gesellschafter unter bestimmten Voraussetzungen rechtlich attraktiv machen, bis zum 30. September 2020 noch Gesellschafterdarlehen zu gewähren.

1.    Inhalt der gesetzlichen Regelung

Grundsätzlich sind Rückzahlungsforderungen aus Gesellschafterdarlehen (und Forderungen aus Rechtshandlungen, die einem solchen Darlehen wirtschaftlich entsprechen) in einem Insolvenzverfahren nachrangig gegenüber Forderungen aller nicht nachrangigen Gläubiger (§ 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO). Zahlungen, die hierauf geleistet wurden, oder Sicherheiten, die hierfür gewährt werden, sind in einem Insolvenzverfahren ggf. anfechtbar (§ 135 InsO).

§ 2 Abs. 1 Nr. 2 COVInsAG sieht nun für im Zeitraum vom 1. März 2020 bis 30. September 2020 neu gewährte Gesellschafterdarlehen (oder Rechtshandlungen, die einem solchen Darlehen wirtschaftlich entsprechen) vor, dass eine Rückgewähr bzw. Zahlung hierauf bis zum 30. September 2023 nicht gläubigerbenachteiligend und daher nicht anfechtbar ist. In Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gesellschaft, die bis zum 30. September 2023 beantragt werden, findet auch § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO auf solche Forderungen keine Anwendung, so dass diese auch nicht nachrangig sind; Gesellschafterdarlehensgeber sind somit einfachen Insolvenzgläubigern in solchen Insolvenzverfahren gleichgestellt. Diese Regelung gilt nicht nur für Gesellschaften, bei denen die Insolvenzantragspflicht aufgrund des COVInsAG ausgesetzt ist, sondern generell für Unternehmen, die bei Darlehensvergabe weder zahlungsunfähig noch überschuldet sind (§ 2 Abs. 2 COVInsAG) und damit unabhängig davon, ob das Unternehmen durch die COVID-19-Pandemie in ernsthafte wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten ist. Als neu gewährtes Gesellschafterdarlehen gilt nicht eine Verlängerung bereits bestehender Darlehen und wohl auch nicht eine vorübergehende Stundung, da es für das Anfechtungsprivileg gerade auf die Zufuhr neuer Liquidität ankommen soll.

Ausgenommen vom Privileg des § 2 Abs. 1 Nr. 2 COVInsAG ist jedoch die Stellung von Sicherheiten für Gesellschafterdarlehen durch die Gesellschaft; diese bleiben weiterhin nach § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO für zehn Jahre anfechtbar, so dass es insoweit bei einer gewissen anfechtungsrechtlichen Differenzierung zwischen Gesellschafterfinanzierungen und Drittfinanzierungen bleibt.

2.    In welchen Fällen kann die Gewährung neuer Gesellschafterdarlehen bis 30. September 2020 rechtlich attraktiv sein?

Die beschriebenen temporären insolvenzrechtlichen Privilegierungen von bis 30. September 2020 neu gewährten Gesellschafterdarlehen könnten es in den folgenden Fällen für einen Gesellschafter derzeit attraktiv machen, ein Gesellschafterdarlehen (möglicherweise auch „auf Vorrat“) zu gewähren, um sich die rechtlichen Vorteile nach dem COVInsAG bis zum 30. September 2023 zu sichern:

  • Eine Darlehensgewährung dürfte sich insbesondere empfehlen, wenn Mittel für Investitionen und nicht zum Ausgleich eines Liquiditätsengpasses in einer Verlustphase verwendet werden sollen.
  • Bei einer Darlehensgewährung zum Ausgleich eines Liquiditätsengpasses in einer Verlustphase ist zu berücksichtigen, dass Gesellschafterdarlehen grundsätzlich im Überschuldungsstatus der Gesellschaft zu passivieren sind. Um eine Überschuldung der Gesellschaft und damit eine zusammenhängende Insolvenzantragspflicht zu vermeiden, wird oftmals ein qualifizierter Rangrücktritt bei Gesellschafterdarlehen vereinbart. Ein solcher Rangrücktritt unterminiert jedoch die insolvenzrechtlichen Privilegierungen des COVInsAG für Gesellschafterdarlehen. Würde die Berücksichtigung des neu gewährten Gesellschafterdarlehens aufgrund der Passivierung im Überschuldungsstatus der Gesellschaft daher zu einer Überschuldung führen, würde bereits mit Ende der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht zum 30. September 2020 – und damit deutlich vor dem 30. September 2023 – wieder Handlungsbedarf entstehen, welcher unter Umständen dann die Vorteile des COVInsAG obsolet macht.
  • Bei der Ausgestaltung der Rückzahlungsmodalitäten für im Aussetzungszeitraum neu gewährte Gesellschafterdarlehen ist zu beachten, dass eine nachträgliche Verlängerung nach dem Aussetzungszeitraum für die Anfechtungsfreiheit von Rückzahlungen schädlich ist. Daher sollte von Anfang an eine möglichst lange Laufzeit unter Berücksichtigung des Privilegierungszeitraums bis 30. September 2023 vorgesehen und diese mit der Möglichkeit zu freiwilligen Sondertilgungen bzw. ggf. bei Bedarf auch verpflichtenden Sondertilgungen unter bestimmten Voraussetzungen verknüpft werden.
  • Ebenso sollte in der Vertragsgestaltung berücksichtigt werden, dass dem Gesellschafter im Zeitraum vor dem 30. September 2023 ausreichende Reaktionsmöglichkeiten bei fortbestehenden oder neu auftretenden finanziellen Schwierigkeiten der Gesellschaft verbleiben. Der Gesellschafter sollte in diesen Fällen ohne Zeitdruck entscheiden können, ob Sanierungsbemühungen über den 30. September 2023 hinaus, die damit zu einem Verlust der insolvenzrechtlichen Privilegierungen nach dem COVInsAG für neu gewährte Gesellschafterdarlehen führen, Erfolg versprechend sind oder ob eine Fälligstellung dieser Darlehen verbunden mit einem bis zum 30. September 2023 beantragten Insolvenzverfahren für den Gesellschafter zu einem (finanziell) besseren Ergebnis führt.